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G. S.

Erläuterungen zum Thema "Mithras-Kult"

Zu den bedeutendsten vorchristlichen Religionen, bzw. Kulten des europäisch bis vorderasiatischen Kulturkreises gehört die Mithrasreligion. Sich mit ihr zu befassen heisst, einen Einblick in das religiöse Denken des Altertums zu gewinnen und zugleich einen Zugang zum Phänomen des Aufstiegs des Christentums zu erhalten.

Man kann wohl beim Mithraskult von einer Mithraskirche sprechen. Nur war sie äusserlich unsichtbar, denn die Versammlungsräume, die sogenannten Mithraeen, lagen unter der Erde. Die bestanden aus langgestreckten Gewölben, an deren Westseite der Mithrasaltar stand, dessen Mithrasbild nach Osten schaute. Man stellte sich damals allgemein wegen der Meteoriten, die vom Himmel fielen, das Himmelsgewölbe als eine steinerne Decke vor. So war auch das Gewölbe des Mithraeeums als Sternhimmel ausgemalt. Die Mithrasanhänger stiegen also nur scheinbar unter die Erde, im Grunde versammelten sie sich unter dem Himmelszelt. Die Mithrasreligion stellte sich damit als Jenseitsreligion dar, ebenso wie das frühe Christentum. Aber für den unterirdischen Aufenthalt gab es noch eine andere Ursache: Für die Umwelt war das Mithraeeum ein geheimer Ort und so definierte sich der Mithraskult als Geheimkult, als Mysterienreligion. Seine Anhänger bildeten einen Geheimorden, der nur aus männlichen Mitgliedern bestand. Im römischen Heer, wo der Mithraskult sehr weit verbreitet war, verband er brüderlich Soldaten aller Ränge.

Die Entwicklung zum Geheimorden dürfte im 1. Jahrhundert nach Christus erfolgt sein. Vorher war der Mithraskult öffentlicher Staatskult im persischen Reich und Mithras einer der staatstragenden Gottheiten. Zur Zeit der griechischen Herrschaft bestand in einigen Kleinstaaten der Mithraskult auf dem Balkan und in Kleinasien fort. Der persische Kultureinfluss blieb im gesamten babylonisch-syrischen Raum erhalten. Auch hier gab es offizielle Mithrasverehrung. Aber die römische Eroberung des vorderen Orients machte der Selbständigkeit unabhängiger Königtümer ein Ende. Damit verschwand auch der Mithraskult als Staatsreligion, nicht aber als Religion überhaupt. Zum einen gestaltete er sich zur Mysterienreligion um, zum anderen streifte er teilweise seine persische Herkunft ab, nahm neue Religionsentwicklungen auf und trat im ganzen römischen Reich in den Wettbewerb der Religionen ein.

Die frühesten Zeugnisse der Mührasreligion stammen von ca. 100 nach Christus; sie treten dann aber vermehrt in den folgenden beiden Jahrhunderten auf. Hinweise auf Mithraeen fand man in England, am ganzen Lauf des Rheins und entlang des Limes. Daher der Eindruck, der Mithrakult sei eine Soldatenreligion gewesen; tatsächlich aber umfasste er auch grosse Teile der römischen Beamtenschaft. Im 3. Jahrhundert war zweifellos Rom der Mittelpunkt der Mithrasverehrung; man konnte hier ca. 800 Mithraeen nachweisen.

Es sind beim Mithraskult zwei Hauptmotive zu unterscheiden, das Stiermotiv und das Sternenmotiv. Das Stiermotiv dürfte das Ältere sein. Stierbilder und Stieropfer gab es in vielen frühen Kulten; man denke nur an den Minotaurus auf Kreta. Zum Stieropfer gehörte die gemeinsame Mahlzeit, deren Voraussetzung die Tötung des Stieres war. So wird Mithras als der Stierjäger dargestellt. Die gemeinsame Jagd, die Tötung des Stieres und die kultische Mahlzeit sind ein einheitlicher Gedankenkreis. Aber es ging nicht nur um Fest- und Festgenuss. Die Jagdgemeinschaft, die nur Männer umfasste, sollte durch das Mahl zu einer festen Gemeinschaft verbunden werden. Mithras war, nun in der Gestalt eines Jünglings, der Stifter dieser Gemeinschaft.

In den Mithrasabbildungen steht Mithras über dem gefangenen Stier; er greift ihm in die Nüstern, um ihn mit dem persischen Kurzschwert zu töten. Dabei tötet er nicht gerne, er blickt beim Todesstoss seitenabgewandt. Aus dem Tieropfer entsteht das Leben. Die Mithrasgemeinde ist also eine durch das Opfer verbundene Gemeinschaft. Aus dem Jäger Mithras hatte sich so der Bundesstifter entwickelt. Mithras war demnach der Bundesgott.

Mithras heisst soviel wie Vertrag; Mithras ist der Gott von Vertrag und Bund. Nun lautet die lateinische Übersetzung von Bund bekanntlich Testamentum. Mithras stiftet den neuen Bund, das Neue Testament. Die feiernde Gemeinde vollzieht in der Kulthandlung immer wieder neu den Bundesschluss. Dabei wird die heilige Mahlzeit durch das Essen des Brotes symbolisiert, das Tierblut durch den Trank des Weines. Die Mithrasanhänger haben offenbar das gefeiert:, was die Christen Abendmahl nennen (und sie haben, entgegen späterer christlicher Verleumdung, ihre Mithraeen nicht zur wirklichen Stieropferung benutzt).

In der weiteren theologischen Entwicklung wurde die Mithrasvorstellung angereichert; der Spender des Lebens wurde mit dem Sonnengott, dem römischen Sol Invictus gleichgesetzt; Mithras erhielt den Strahlenkranz, aber die zentrale Handlung des Mithraskultes blieb die sakrale Mahlzeit.

Der zweite Kreis der Mithrasreligion nach der Stiertradition betrifft den sogenannten Sternenglauben. Die Sterne besassen religiöse Bedeutung. Im Mithraskult galt die Auffassung, dass die Seele des Menschen nach dem Tode zu den Sternen aufsteigen werde. Plato knüpft im Phaidros das Schicksal der Seele an die Sterne. Die Seele stammt aus dem Fixsternhimmel, aus dem Bereich des Ewigen; von dort ist sie in den Bereich des Veränderlichen gestürzt und in einen Körper eingegangen, von dem sie sich freimachen wird, um mit dem Tode wieder zu den unsterblichen Sternen aufzusteigen.

Der Aufstieg zu dem Ewigen, zu den Fixsternen, geschieht nach der MithrasIehre über die Planeten. Sie bewegen sich und tragen die Seele zu dem ewigen Fixsternhimmel hinauf. Eine besondere Rolle spielt dabei die Sonne, auch sie wird als Planet angesehen. In ihrem Gang durch das Jahr schneidet sie zweimal den Himmelsäquator, zur Tag- und Nachtgleiche im März und im September. Diese Schnittpunkte sind gleichsam die Umsteigestationen der Seele in die Fixsternwelt. Deshalb wurden zu diesen beiden Zeitpunkten auch die Hauptfeste des Mithraskultes gefeiert.

Mithras teilt die Hälften des Jahres, er besetzt die Position der Mitte und wurde deshalb auch im übertragenen Sinne der Mittler genannt. Ebenso teilt er die Mitte des Monats, die nun auch zum Mithrasfeiertag wurde. Mithras ist der Mittler zwischen Himmel und Erde. Mitte und Mittler scheinen Synonyme zu sein.

Auf den Mithrasdarstellungen spielen die zwölf Sternbilder des Fixsternhimmels und die Planeten eine grosse Rolle. Im Altertum galten Sterne als Götter. So gab es Götter der Tierkreiszeichen und der Planeten. Aber die Mithrasanhänger lasen die Göttergestalten symbolisch. Sie waren, wie schon der Religionsreformer Zarathustra um 700 v.Chr. befand, Symbole von Tugenden. So stand etwa Mars für Tapferkeit, Venus für Liebe, Jupiter für Treue usf. Danach beinhaltete die Welt der Sternengötter ein Ethikprogramm.

Es gab in aufsteigender Reihe sieben Planetengötter: Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Mond, Sonne und Saturn. Tugenden symbolisierend gab es entsprechend sieben Tugendgrade. Als sieben Torbögen im Fussbodenmosaik sind sie in manchen Mithraeen abgebildet. Der Mithrasanhänger stieg vom einfachen Grad zum höchsten, zur Vereinigung mit der Gottheit auf. Jeder Grad war mit einer Weihe verbunden. Weihen haben also einen Schwerpunkt des Mithraskultes gebildet. Sie waren von verschiedenen Zeremonien begleitet, von Bekränzungen, von Handauflegungen und Handschlägen, von Weihrauchopfern, auch von der Bestreichung der Zunge mit Honig als Bild der Heiligung. Wichtig wurde der Neueintritt mit einer Taufhandlung, die Vollmitgliedschaft und die Priesterweihe.

Auf den Mithrasdarstellungen sind die Planetengötter durch Tiere symbolisiert, zum Neueintritt gehörte der Rabe, zum Vollmitglied der Löwe und der Hund, zum 4. Rang der Skorpion. Die Tiersymbole symbolisch gereiht erhielt der Gläubige mit jedem höheren Rang auch einen höheren Anteil an Mithras zugeordnet, dem alle Tugenden umfassenden Gott.

Die ganze Sternentheologie, die Lehre von der Seelenwanderung und von der ethischen Vervollkommnung, dürfte nun nicht mehr persischen Ursprungs sein wie der Stierkult. Hier liegt eine Plato folgende Religionskonstruktion vor, die ein in der hellenistischen Zeit, also um die Zeitwende herum, hinzugekommen sein sollte. Einen Mithrasgottesdienst kann man sich nicht ohne Texte vorstellen. Es sind leider nur wenige erhalten geblieben, so eine Mithraslithurgie; die Traditionen der Christengegner wurden später getilgt. Aber es hat Erzählungen über die Planetengötter gegeben, wie es gab auch eine Mithrasschöpfungsgeschichte existierte. Interessant ist die Geburtsgeschichte des Mithras, der aus einer Höhle von den Hirten begrüsst hervorgetreten sei. Auch von Jesus wird bereichtet, er sei in einer Höhle zur Welt gekommen und in seiner Geburtserzählung fehlen ebenso Hirten und Sterne nicht. Bemerkenswert ist auch die Benennung der Mithraspriester: Sie nannten sich in der persischen Tradition Magier wie die Magier aus dem Morgenland bei Jesus.

Wenn man die Mithrasreligion charakterisieren wollte, könnte man sagen, sie sei eine Religion der Symbole. Sie brachte diese auf dem Altarbild sämtlich zur Anschauung. Auf der Vorderseite Mithras mit dem Stier und den Planeten auf der Rückseite, die auch nach vorne gedreht werden konnte, die heilige Mahlzeit mit Brot und Wein sowie Mithras zwischen den Hirten.

Mithras und der Stier, die heiligen Mahlzeiten, die Sternbilder, die Planeten und ihre Tiervertreter sind Symbole. Da ihnen letztlich nur Symbole als Eingrenzung zur Verfügung standen, kann man sich schwer vorstellen, daß die Mithrasanhänger Dogmatiker waren.

Das Mithraeum unter St. Clemente in Rom (und in Chartres) zeigt, dass die Christen ihre Kirchen über den Mithrasstätten gebaut haben, und sicher nicht nur wegen der zentralen Lage der Grundstücke, sondern um den Widersacher gewissennassen zu begraben. Andererseits kann man es auch es so interpretieren: Das Christentum baut auf den Grundlagen des Mithraskultes auf. Es ist die Weiterentwicklung einer sich entwickelnden Menschheit. Mithras ist nie mehr als bloß symbolisch greifbar, er bleibt Genius, wohingegen der Mensch gewordene Gott Christus auch als Mensch greifbar wird. Mithras bereitet aus dieser Sicht Christus vor.

Wir können im Mithraskult vielfache symbolische Parallelen zur Freimaurerei ausmachen, angefangen bei Form und Decke unserer Tempelhallen. Aber der Mithraskult war, wage ich zu vermuten, nicht Erfinder dieser Symbole.

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Quellen:

U.K.Schade: Der Parsismus und der Mithraskult.
Arno Germerdonk: Der Mithraskult und die Freimaurei
Kurt Baum: Mithraskult und Christuskult