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Ho. Ho. - Loge "Konrad Ekhof"

Macht und Machtgebrauch


Versuchen wir, politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Einflüsse zu überdenken, die Rolle von einzelnen, Gruppen und Institutionen in diesen Bereichen zu hinterfragen, nähern wir uns dem Problem, das mit Macht und Machtgebrauch umschrieben werden kann.

Nur wenige denken darüber nach, was Macht heißt, wodurch Macht entsteht, welche Gründe jemanden veranlassen, Macht zu erstreben, zu gewinnen und auszuüben, kurz: nach Max Weber die Möglichkeit zu nutzen, "anderen seinen Willen aufzuzwingen", ein bestimmtes Verhalten vorauszusetzen und auf lange Sicht zu beeinflussen.

Nur wenige setzen sich damit auseinander, wie die Mächtigen es erreichen, daß Bürger und Untergebene gehorchen, ihre eigenen Wünsche zurückstellen und fremdbestimmt handeln.

Galbraith unterscheidet drei Methoden, mit denen Macht umgesetzt, erhalten und gestaltet werden kann:

a) Strafen und Sanktionen nicht nur anzudrohen, sondern auch zu vollziehen ("repressive Macht");
b) an ein System Angepaßte entsprechend zu belohnen und sozialen Aufstieg anzubieten ("kompensatorische Macht");
c) mit Hilfe psychlogischer Erkenntnisse und Praktiken zu versuchen, das "Bewußtsein", die "Überzeugungen" und den "Glauben" zu erschüttern und umzupolen ("konditionierte Macht").
Daneben erscheinen "Persönlichkeit, Besitz und Organisation" als jene "Quellen", die mit den Methoden der Machtausübung erst die Zugänge schaffen, damit Macht konkretisiert, verfestigt und wirksam gemacht werden kann.

Persönlichkeit steht für körperliches Durchhalten, geistige Flexibilität, Beredtsamkeit und für den ethischen Bezug, um den Zugriff zu den Machtmitteln zu ermöglichen und zu verantworten. Es sind jene Eigenschaften und Verhaltensformen, die geeignet sind, eine Gruppe zu aktivieren, den einzelne Bürger zu integrieren und durch besondere Leistungen Anreize für jedermann zu schaffen und so zum "Gruppenfortschritt" beizutragen.

Durch "Eigentum und Wohlstand" ist der einzelne oder die Gruppe in der Lage, nicht nur nach außen Tüchtigkeit und Erfolg zu demonstrieren, sondern auch die finanziellen Mittel einzusetzen, durch die sich Anpassung, Gehorsam und eine Ausrichtung auf bestimmte Ziele erreichen lassen.

Doch heutzutage erscheint die Organisation als das Kräftepotential, das primär mit jener Macht verflochten ist, die darauf achtet, daß gewisse Wertvorstellungen verinnerlicht und angestrebte Ziele auch durchgeführt werden.

Im Zusammenspiel von Besitz und Persönlichkeit, kombiniert mit den Methoden der Machtmittel, zeigt die Organisation nach innen und außen eine derartige Machtfülle und Machtkonzentration, daß ihr Einfluß in der Gesellschaft sehr kritisch betrachtet werden muß. Die Faszination, die von ihr ausgeht, entsteht aus der Überzeugung, daß sie eigene Interessen vorantreiben, eigene Bedürfnisse befriedigen und persönliche Wertvorstellungen vertiefen und nach außen vertreten kann.

Das "Selbstwertgefühl", im Schatten der Macht oder Ausübung von Macht genährt, erhält die Verstärkung, die der einzelne für seine vorhandene oder angestrebte soziale Rolle benötigt: für die Ausbildung oder Bestätigung seiner Persönlichkeit. Sie ist es, die bewundert oder verdammt wird. Aber die jeweilige Einschätzung der Person und ihrer Handlungen hängt auch davon ab, welche Vor- und Nachteile von ihr zu erwarten sind oder wer unterworfen und wessen Fleischtopf verteilt werden soll.

Aus diesen Überlegungen sind zwar skeptische Einstellungen zur Frage der Machtausübung ersichtlich, nicht aber die Gründe, warum Macht und Unterwerfung allgemein von den Zielgruppen akzeptiert werden, z. B.

  • aus der Einsicht in die Zusammenhänge gesellschaftlicher Mechanismen;
  • aus den gegebenen Fähigkeiten und Leistungen des einzelnen;
  • aus der Überzeugung, daß geringe Verantwortung die bessere Alternative sei.
  • Damit wird Führung und Leitung zuerkannt, nicht nur alltägliche Aufgaben zu erledigen, sondern auch schwierige Situationen zu meistern und eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Probleme des Individuums zur Geltung kommen. Führung übernimmt der, der die Fähigkeiten besitzt, bestimmte Anliegen zu verwirklichen und der gewisse Gemeinsamkeiten zeigt, die der Sache, den Überzeugungen, Normen und Zielen der Gruppe entsprechen. Dazu gehört:
  • neue Vorhaben zu planen und umzusetzen;
  • das als richtig und notwendig Erkannte festzuhalten und zu verteidigen;
  • auf verschieden angelegte Menschen einzugehen;
  • schwierige Mitglieder einfühlsam zu behandeln;
  • gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme zu fördern.
  • Aber die mit Führung verbundene "Macht fasziniert", macht süchtig, verführt. Sich in ihr auszuleben, entspricht zwar dem Wunsche, eigene Kräfte, Kenntnisse und Fähigkeiten einzubringen und zu erproben, aber auch dem Willen, sich voranzuschieben und eigene Absichten zur Geltung zu bringen.

    "Wer Absichten zur Geltung bringen will", schreibt Hofmann, "muß zunächst einmal selber etwas gelten. Und wer sich geltend machen will, muß präsent sein: stets dort, wo Vorentscheidungen fallen und nach den Entscheidungen Abrechnung gehalten wird... Das verlangt gute Witterung, wachsame Vorarbeit, hohe zeitliche und psychische Beanspruchung, also äußeren und inneren Streß."

    Dabei wird offenbar, daß sich die Widersacher in den eigenen Reihen befinden. Und die Angst davor, Konkurrenten und Neider nicht mehr abwehren zu können, bestimmte Funktionen nicht zu erreichen, auf der sozialen Leiter abzusteigen und die Erkenntnis, daß es keine oder kaum Freunde auf dem Weg nach oben gibt, sondern mehr Stolperdrähte und Fallen, sind Befürchtungen und Erfahrungen, die zu verarbeiten und zu ertragen der einzelne mühsam lernen muß.

    Aber die darin liegende "Liebe zur Macht ist die Liebe zu uns selbst", sagt Harlitt, ist die Eitelkeit, Positionen nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen ihrer Wirkung nach außen hin anzustreben. "Eitelkeit", definiert Max Weber, "ist die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz. Gerade weil Macht und Machtstreben unvermeidliche Mittel der Politik sind, gibt es keine verderblichere Verzerrung der politischen Kraft, als die eitle Selbstbespiegelung. Sie ist Produkt einer höchst dürftigen und oberflächlichen Blasiertheit gegenüber dem Sinn menschlichen Handelns, welche keinerlei Verwandtschaft hat mit dem Wissen um die Tragik, in die alles Tun ... in Wahrheit verflochten ist." Die Affäre Barschel zeigte deutlich den Unterschied zwischen falsch verstandener Machtausübung und Augenmaß, zwischen Geltungssucht und ethischer Einsicht, zwischen Überheblichkeit und dem Dienst an einer Sache. Aber Dienst an einer Sache heißt auch, sich jagenden Sitzungen und Konferenzen auszuliefern und mit dem "Mißtrauen" zurechtzukommen, das man notgedrungen entwickeln muß. Weil eine Karriere von den Zielsetzungen und den daraus erwünschten Erfolgen abhängt, aber duch Mißgunst oder durch eine bessere Machtkonstellation eines anderen geradezu vernichtet werden kann, entstehen in allen Gruppierungen Gegensätze und Frustrationen, deren Ursache in Enttäuschungen liegen, die der einzelne schon erlebt hat.

    Für uns Freimaurer ergibt sich die Frage, ob Macht und Machtgebrauch so verwirklicht werden müssen, oder ob es nicht Möglichkeiten gibt, in den Wettstreit um die jeweilige Führung mit mehr Fairneß und Toleranz einzutreten: Konflikte emotionsloser, sachbezogener und verständnisvoller auszutragen. "Wenn am Verhalten der Personen zueinander nicht auch der gegenseitige Respekt erkennbar bleibt", sagte Bischof Dr. Wilckens in der Trauerfeier für Uwe Barschel, "den in einem freien Gemeinwesen einer dem anderen schuldet, wird es nicht glaubhaft sein, daß das politische Gegeneinander dem Wohl aller, nämlich dem Schutz und Förderung der Menschlichkeit des Menschen dient."

    Mit Max Weber können wir überdenken, "daß alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen Maximen stehen kann", nämlich "gesinnungsethisch" oder "verantwortungsethisch" ausgerichtet zu sein. Das bedeutet, sich nicht nur nach seinen Überzeugungen und Wertvorstellungen zu orientieren, sondern auch die Folgen seines Tuns weitsichtig zu überlegen. Denn nicht die "Dummheit" der Mitmenschen, nicht die anders denkende Gruppe und auch nicht der vielzitierte "Wille Gottes" ist verantwortlich für das jeweilige Tun und Lassen, nein, der einzelne ist es, der mit allen Konsequenzen dafür einzustehen hat, was er duch seinen Willen, durch seinen Einfluß durchzusetzen fähig war.

    Als Vernunftwesen ist der Mensch in der Lage, sich zu seinem gesellschaftlichen und politischen Umfeld in Beziehung zu setzen, seine persönliche Entwicklung zu reflektieren, seine Neigungen und Fähigkeiten, Wünsche und Begierden zu überprüfen, zu steuern und zu verantworten. "Wachsam auf sich selbst" zu sein heißt, sich "mit seinesgleichen in einem nie abgeschlossenen Prozeß der Erziehung, Bildung, Selbstfindung und des Selbstentwurfs näher zu definieren" (Höffe) und die Entfaltung seines Lebens als Aufgabe zu begreifen.

    Dabei geht es auch darum, Gräben zu beseitigen, die uns hindern, behutsamer miteinander umzugehen und Wege aufzuzeigen, die im öffentlichen Umgang Verhaltensweisen entwickeln helfen, die durch Vernunft, Gerechtigkeit und Gespräch geprägt sind.

    Doch ist zu bedenken, daß sich politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln auch in einem "Spannungsfeld von Macht und Moral" bewegt. "Aus diesem Spannungsverhältnis", führt Graf von Bellestrem aus, "lassen sich zwei Konsequenzen ziehen:

  • Einmal die Forderung nach einer Moralisierung der Macht, d. h. jegliches Handeln so zu gestalten, daß es mit Moral und Recht übereinstimmt;
  • Zum anderen die Forderung, zwischen Fragen der Macht und Fragen der Moral scharf zu trennen."
  • Eine Ethik, die in der Politik verbindlich sein soll, muß die realen Verhältnisse berücksichtigen und hat zu beachten, daß politisches Handeln nicht blockiert werden darf. Denn "keine Ethik der Welt kommt um die Tatsache herum", betont Max Weber, "daß die Erreichung 'guter' Zwecke in zahlreichen Fällen daran gebunden ist, daß man sittlich bedenkliche oder mindestens gefährliche Mittel in Kauf nimmt."

    Das ist besonders für jene gültig, die in kritischen Situationen schnelle und weitreichende Entschlüsse fassen müssen und gegenüber dem Wahlvolk zu verantworten haben. Von einem "Mißbrauch ihrer Macht" zu sprechen, ist nur sinnvoll, wenn wir ihnen vorwerfen können, daß sie leichtfertig gehandelt haben, eigene Interessen in den Vordergrund stellten oder eine ihnen gemäße Gruppe bevorzugten.

    Alle rechtstaatlichen Versuche, Machtmißbrauch zu verhindern, täuschen aber nicht darüber hinweg, daß es durch Verfilzung der Machtstruktur, falsch verstandenen Parlamentarismus, Verschränkung von Organisationen, unkontrollierte Machtpositionen, Karrieresucht und Untergebenheit angepaßter, unkritischer Menschen immer wieder dazu kommen kann, sich Überprüfungen zu entziehen

    Es wäre falsch, die mit Macht ausgestatteten Menschen unmoralischer als andere Mitbürger zu sehen. "Denn Unmoral und Rechtsbrüche", erkennt Bellestrem, "sind weit verbreitet und werden kaum geahndet. Wir alle sind, in verschiedenem Maße, Fälscher und Betrüger. Eine Spendenquittung hier, eine Spesenrechnung dort u. a, schaffen eine Atmosphäre, in der der Schwindel gedeiht." So wachsen in unserer Gesellschaft auch die Führungskräfte heran, die durch Erziehung und Beispiel gelernt haben, weitgehend sich selbst zu sehen und abzuschotten.

    Sich deshalb selbst zu erkennen und aufzubrechen unter einem brüderlichen Anspruch, hilt uns allen voran. Der Gedanke, daß in der Anerkennung unserer ethischen Tradition die Möglichkeit liegt, eine Übereinstimmung mit den moralischen Maximen anzustreben, bedeutet, ein auf das Wohl des Menschen ausgerichtetes Leben zu wagen. Diesen Zusammenhang zu begreifen, sich selbst als "homo humanus" auf den Weg zu bringen, scheint mir die rechte Art, Macht zu relativieren und ihrem verderblichen Einfluß zu entgehen.



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