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F.-L. B.

Das Tagebuch als Spiegel des Lebens

Ein Buch, in dem chronologische Ereignisse aufgezeichnet werden, ist ein "Tagebuch". Dabei denken wir an die Aufzeichnung individueller Lebenserinnerungen, d. h. an autobiographische Zeugnisse. Meistens dient es zur Reflexion des täglichen Lebensablaufes. Schon die Formulierung der Niederschrift hilft uns, unsere Probleme, Erlebnisse und Gedanken schärfer zu umreißen und damit verständlicher zu machen.

Es geht letztlich immer um Fragen der Identitätssuche, um die Fragen des sich seiner Selbst bewussst gewordenen Menschen "Wer bin ich?" und "Was sind meine Aufgaben auf dieser Welt?" und "Warum muss ich so oft scheitern und leiden?". Fragen, die mit warum beginnen und zumeist nicht klar und endgültig zu beantworten sind. Fragen, denen wir uns immer wieder stellen müssen.

meint Prof. J. v. Troschke auf den Internetseiten des Deutschen Tagebucharchivs und ergänzt dann:

Tagebücher sind der Versuch bei Tage, wenn es wieder hell geworden ist, das was man in der Dunkelheit erlebt hat, aufzuarbeiten oder auch Ausdruck des Lichtanzündens, um der Dunkelheit der Nacht zu entfliehen und im Aufschreiben Distanz zu gewinnen, neuen Mut und neue Zuversicht.

Wir haben mit dem Tagebuch also ein hervorragendes Hilfsmittel für unsere Selbstvervollkommnung zur Hand, d. h. für die freimaurerische "Arbeit am rauhen Stein". Tagebuchähnliche Aufzeichnungen sind seit der Antike bekannt. Das seit dem späten 17. Jahrhundert zunehmend angelegte Tagebuch wurde seit Mitte des 18.Jahrhunderts wichtiger Bestandteil des literarischen und kulturellen Lebens. Der Engländer Samuel Pepys hinterließ z. B. ein zehnbändiges, in Kurzschrift geschriebenes Tagebuch, das mit dem 1. Januar 1660 beginnt. Es wird ihm dabei ein Spiegel für seinen täglichen Kampf mit seiner Eitelkeit und Prunksucht, aber auch für seine Ängste vor Strafen, Krankheiten und Tod.

Wird ein Tagebuch bevorzugt als persönliches Nachschlagewerk genutzt, wird es uns zum "Journal". Als chronologisches Betriebsprotokoll erhält es die Bezeichnung "Logbuch" (abgekürzt Log). Der Begriff "Logbuch" kommt vom Messgerät Log (auch Logge), welches in der Seefahrt zur Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit benutzt wurde. Im Internet begegnet uns eine moderne Form des Tagebuchs als "weblog".

Als Quelle für die Geschichts- und Kulturforschung lassen Tagebücher vergangenes Geschehen wieder lebendig werden. Die nachstehenden Auszüge aus historischen meteorologischen Segelschiffstagebüchern geben ein plastisches Beispiel.

*

In historischen meteorologischen Schiffstagebüchern geblättert

O Maximum, ob Minimum?
Ich weiß es nicht, - es ist zu dumm.
Wär'n wir doch dümmer, als wir sind,
stets hätten wir nur guten Wind,
die dümmsten Bauern, wie bekannt,
besitzen stets das beste Land;
Kartoffel wie 'ne Faust so groß,
die fallen ihnen in den Schoß.---
Drum Mensch, versuch die Götter nie
und treibe ja - Meteorologie
braß vierkant - wenn der Wind ist "fair"
und "bei dem Wind" - schralt er nach her!

Dieses Gedicht schrieb Kapitän F. C. Mayerheine an Bord der hölzernen Bark "Hugo" (950 R.T.) am 23. Dezember 1884 bei den Azoren in sein Wettertagebuch, nachdem er einleitend vermerkt hatte: "Seit 03 Uhr steife Böen mit Regen; Barometer fällt auch wieder, doch bleibt die Windrichtung dieselbe; ich bin mit meiner Wissenschaft am Ende".

Die Wettertagebücher wurden früher von den Kapitänen zum breiten Dialog mit der Deutschen Seewarte benutzt, wobei man nicht nur meteorologische Informationen weiter gab, sondern die Deutsche Seewarte als allgemeines "Drehkreuz" für wissenswerte Erfahrungen aus dem Bereich der Seefahrt ansah. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Erfahrungsbericht von Kapitän C. Meyer, der von ihm an Bord des Vollschiffes "Adelaide" (1201 R.T.) im April 1895 in das Wetterjournal eingetragen wurde.

Ich erlaube mir hier Einiges über die Bay und den Hafen von Callao zu bemerken. Trotzdem die Insel San Lorenzo vor groben Seegang schützt, so steht doch fortwährend etwas Dünung, so daß die Schiffe stets etwas schlingern und arbeiten, namentlich bei Springfluth sehr, und kommt es sehr auf Ketten, Boller und Trossen an. Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser ist 3 bis 4 Fuß, doch treten die Hochwasser sehr unregelmäßig ein, da sie nur vom Winde abhängig sind. In der Bay liegen die Schiffe meist auf dem Winde, wenn es aber stille ist, in allen Richtungen, während der 6 Wochen, daß ich hier lag, war der Wind vorherrschend aus südlicher Richtung. Vormittags still oder flau und um etwa 12 Uhr mittags spätestens 3 Uhr nachmittags setzte Brise ein, die gegen 10 Uhr abends meist wieder abflaute.

Die Dockanlagen gehören einer franz. Gesellschaft und besorgt dieselbe das Löschen und Laden der Schiffe mittels Dampfkrähne, die Leute an Deck und im Raum muß man selber stellen. Auch holt sie durch Schlepper und Lotsen die Schiffe in und aus dem Dock, liefert die Trossen zum Festmachen der Schiffe und läßt dabei Wache gehen, falls etwas brechen sollte. Ich halte es jedoch für ratsam, selber noch einige Trossen zu befestigen, da die der Gesellschaft nicht immer die Besten sind. Alles dies ist im Dockgeld mit einbegriffen, doch muß auch jedes Schiff, welches nicht ins Dock geht, dafür bezahlen, da die meisten Güter im Dock gelandet worden. Die Dock(gesellschaft) verpflichtet sich, täglich 60 Tons zu löschen oder zu laden, doch habe ich bis zu 90 Tons Kohlen durchschnittlich gelöscht. In der Bay liegt ein großes Schwimmdock, welches Schiffe von ca. 400 Fuß Länge aufnimmt. Auch ist ein Seelotse da, den man aber nicht zu nehmen braucht, da er kein Zwang ist; derselbe steckte jedoch mit dem von der jetzigen Regierung entlassenen Hafenkapitän unter einer Decke, da die Beiden sich die Einnahmen theilten. Engagierte man den Lotsen nicht, so wurde man von dem Hafenkapitän auf alle mögliche Art und Weise chacaniert, entweder lag man zu weit hinaus, oder zu weit hinein in den Bayhafen, mußte also wieder Anker lichten etc.. Im ersteren Falle kam der Hafenkapitän und Zollbeamte gar nicht an Bord und der Kapitän durfte weder an Land noch durften seine Agenten das Schiff betreten.

Die Außenlinie des Hafens ist markiert durch eine gerade Linie von dem großen Schwimmdock in der Bay nach einem großen weißen Hause, dem Schlachthause nördlich von der Stadt, welches weit sichtbar ist. Südlich von dem Schwimmdock liegen viele alte Hulks (Anmerkung: Hulk: altes abgetakeltes zu Lagerzwecken benutztes Segelschiff) und gewöhnlich einige Kriegsschiffe, die Segelschiffe und Kauffahrtteidampfer sollen nördlich vom Dock innerhalb genannter Linie liegen.

Es scheint aber, als wenn der Lotse von dem neuen Hafenkapitän noch nicht wieder eingesetzt worden ist, er ging in letzter Zeit in Civilanzug. Ein englisches Schiff hatte Dynamit geladen, aber keinen Lotsen genommen, bekam sofort Order, weiter ab zu segeln, um dort zu löschen; der Kapitän verstand sich aber dazu, das Lotsgeld zu zahlen und löschte nun sein Dynamit, wo er lag. Wäre er weiter abgesegelt, hätte er später auch wieder herein müssen, ehe er an die andere Ladung gehen konnte und vielleicht dafür 5 Pfund Dampfergeld zahlen müssen, den Zeitverlust nicht gerechnet. Das Lotsgeld beträgt für Schiffe bis zu 500 Tons Register 3 Pfund, bis 1000 Tons 4 Pfund, über 1000 Tons 5 Pfund. Ich engagierte den Lotsen und stand mich gut dabei.

Die Hafenkosten betragen im Ganzen außer Kleinigkeiten 38 Cent per Registertonne, und zwar zahlt an
Ankergeld 20 Cent per Registertonne
Dockgeld 12 Cent per Registertonne
Hospitalgeld 4 Cent per Registertonne
Leuchtfeuergeld 2 Cent per Registertonne
Doktorvisite 9,50 Dollar einkommend, auch wenn der Arzt gar nicht an Bord kommt,
Ladungsinspection 10.00 Dollar
Hafenkapitän etc. im Ganzen 20.00 Dollar
Ballast kostet frei ins Schiff 2,05 Dollar per Spanische Tonne, von der Dockering geliefert.

Die Desertion der Mannschaften blüht hier noch immer, wenngleich nicht in dem Maaße wie früher als die Guanofahrt in der Blüthe stand. Von gewissenlosen Leuten wird der Mannschaft zugeredet zu desertieren, da sie hier mehr verdienen können und sobald das Schiff weg ist, werden sie bei einem anderen wieder an Bord geschickt und haben Geld und Gut im Stich gelassen. Auch das Hospital trägt viel dazu bei, daß man hier Leute zurück läßt, da die Ärzte die Kranken nicht genügend untersuchen. Geht man einige Tage vor dem Abgang des Schiffes hin, um sich zu erkundigen, ob die Leute mitkönnen, so haben dieselben noch solche Schmerzen, daß sie unmöglich zu der Zeit entlassen werden können, da sie nicht gesund sind. Kaum ist das Schiff aber aus dem Hafen, (der Kapitän hat natürlich zu höherer Heuer Leute angenommen), so verlassen die Herren Matrosen das Hospital und sind kreuzfidel. Kohlenlöschen oder sonstige Arbeit ist ja nicht so schön, aber in einem Hospital, wo man Pfeifen rauchen kann und gut gefüttert wird, zu sein, wenn der Arzt sich nur so wenig um Einen bekümmert. Dies erzählen sich die Leute von Schiff zu Schiff und da meldet sich alle paar Tage ein Kranker.

Zum Schluß ein Beispiel meiner eigenen Erfahrung. Ich hatte hier, als das Schiff entlöscht und geballastet war, 4 Matrosen im Hospital, wovon 2 nach meiner festen Überzeugung Simulanten waren, zwei jedoch noch krank sein konnten. Zwei Tage vorher, ehe das Schiff entlöscht war, bat ich den Herrn Consulats Secretär, der in der Nähe des Hospitals wohnte, sich zu erkundigen, ob die Leute in einigen Tagen wieder hergestellt wären, um an Bord zu kommen; er sagte mir, er solle in 48 Stunden Bescheid haben. Nach Verlauf dieser Frist ging er wieder hin, und (es) wurde ihm gesagt, die Leute könnten nicht mitgehen; ich mußte also Hals über Kopf die nötigen Leute engagieren, bekam die letzten 2 aber erst nach vieler Mühe. Nun sollte ich am Dienstag, 3 Tage nachdem ich den letzten Bescheid vom Hospital erhalten hatte und was der Herr Secretär dort auch gesagt hatte, segeln, konnte aber wegen Frachtdifferenzen erst vom Donnerstag Mittag wegkommen und fand nun am Mittwoch, also Tags darauf, wo ich anfänglich segeln wollte, meine Kranken munter und wohlauf in der Stadt. Sie hatten geglaubt, ich sei schon weg, als sie mich aber da noch fanden, sagten sie, sie wünschen wieder an Bord zu gehen, woran natürlich nicht zu denken war, da ich meine Besatzung ja wieder completiert hatte. Sie empfingen auf dem deutschen Consulat die dort von mir deponierte Abrechnung sowie ihre wenigen Effekten und wurden abgemustert. Dies alles hätte nicht passieren können, wenn die Leute im Hospital richtig behandelt wären, dem Rheder wären die Kosten, mir viel Ärger gespart worden. Sollte ich hier wieder kommen, werde ich womöglich einen Arzt annehmen und die Leute von demselben erst untersuchen lassen, ehe ich sie ins Hospital schicke, wenngleich die Ärzte hier ziemlich theuer sind.

Vielleicht findet die hochgeehrte Direction der Deutschen Seewarte einiges Nützliche in vorstehenden Zeilen, um es im Interesse meiner werthen Kollegen zu veröffentlichen.

Hochachtungsvoll
C. Meyer

P.S.: Noch möchte ich bemerken, daß das Leuchtfeuer auf San Lorenzo Inseln nur selten zu sehen ist, da es fast stets seiner Höhe wegen in Dunstwolken liegt; in der ganzen Zeit, daß ich in der Bay lag, war es nur zeitweilig sichtbar, d. h. wenn die Luft über der Insel ganz klar war. Auch bei Tage ist der Leuchtturm sehr häufig in Wolken eingeschlossen, doch ist die Insel von Süden kommend dann selbst eine gute Landmarke. Die Hafenfeuer sind unbedeutend, Nachts werden weder Schiffe ein noch ausgeholt. Wenn die Postdampfer ein und ausgehen, müssen Segelschiffe liegen bleiben. Es geht alles recht spanisch zu, d. h. im großen ganzen langsam. An Sonn- und Festtagen werden auch die Postdampfer nicht ein oder aus dem Dock geholt.

Viel weniger Glück mit der Mannschaft scheint Kapitän Beitzenstein an Bord des hölzernen Vollschiffes "Salisbury" (1016 R.T.) gehabt zu haben, als er am 4. April 1887 auf der Position 42 N 133 W dem Wettertagebuch anvertraute :

Mannschaft bestehend in Deutschen, Engländern, Irländern, Franzosen, verlangten Schiff solle Nothafen anlaufen, verweigere sonst alle Arbeit. Erlaubte mir hierüber anderer Meinung zu sein. Einige hatten wirklich Furcht, andere gedachten so am schnellsten ihr Handgeld zu verdienen. War genötigt, den Herren jetzt eine etwas rauhe Seite zu zeigen und schloß 4 Mann mit Fußeisen an verschiedene Stellen des Decks fest. Zu essen gab es nichts.

Hatte nur 10 Mann zur Arbeit, führe daher nur wenig Segel.

Diese doch wohl sehr antiquierte Methode der Menschenführung war dann von schnellem Erfolg gekrönt. Eintragung am 5. April 1887 nachmittags 16 Uhr:

Drei Mann bereits mürbe geworden, wollen wieder arbeiten.

und dann am 6. April 1887 mittags 12 Uhr:

Wieder alle Mann bei der Arbeit.

Diese Reise des Kapitän Beitzenstein scheint unter einem schlechten Stern gestanden zu haben. An anderer Stelle des Journals kann man wie folgt entnehmen:

Am 12. Februar 1888 auf der Fahrt von Port Discovery nach Montevideo herrschte um 08 Uhr morgens völlige Windstille; um 08.30 Uhr, also eine halbe Stunde später, geriet das Schiff in einen vollen Orkan aus West. Das Schiff wurde leck, bei der furchtbaren See maß man 4 bzw. 6 Fuß Wasser im Schiff. Pumpen waren verstopft.

Am 13. Februar verließen der Capitän und seine Mannschaft das Schiff morgens um 08 Uhr in sinkendem Zustand. Wurden von der engl. Bark "Seiriol Wyn" aufgenommen und am 18. Februar in Port Townsend gelandet.

Mit der Deutschen Seewarte wurde so zu sagen "Freud und Leid" geteilt. So kam es auch hin und wieder vor, daß ein Kapitän an Bord verstarb. In dem Wettertagebuch des eisernen Vollschiffes "Udine" kann man für den 19. Oktober 1890 auf der Position 14 Nord 28 West folgende Eintragung nachlesen:

Wegen Ableben des Capitän Bielenberg und schwerer Krankheit des 1. Steuermanns und der über der hälften Mannschaft ist das Journal geschlossen. Alle krank an derselben Krankheit, sogenannte Beriberi-Krankheit, von Rangoon mitgenommen.

Traulsen, 2. Steuermann

Für den 20. 10. 1890 liest man dann zu guter letzt :

Waschen den Capitän und kleiden denselben an und nähen denselben nach Seemannsgebrauch ein, mit Eisen beschwert und versenken denselben am Nachmittag um 3:30 Uhr. Die achtersche Back gebrasst Flagge halbmast unter Gebet des Steuermanns.



Literatur

Franz-Ludwig Bruhns, In historischen meteorologischen Schiffstagebüchern geblättert. In: Der Wetterlotse, maritim-meteorologische Mitteilungen, Deutscher Wettterdienst, Seewetteramt, Nr. 395/396, Jahrgang 31, Hamburg, November/Dezember 1979.