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Walter Schulz
Die Zauberflöte - die Freimaureroper
Gemeinhin wird die "Zauberflöte" als eine Verherrlichung der Ideale des Freimaurerbundes angesehen. So ist in ihr eine Fülle von freimaurerischem Gedankengut enthalten, und es lohnt schon der Mühe, sich einmal damit zu beschäftigen und zu untersuchen, inwieweit das zutrifft. Wir wissen, daß Mozart Freimaurer war. Aber ein Mann, der entscheidend an der Gestaltung der Oper mitgewirkt hat, ja, der eigentlich der Urheber am Entstehen der Zauberflöte war, muß in unsere Betrachtungen einbezogen werden, nämlich der Schauspieler und Theaterdirektor Emanuel Schikaneder. Auch er war Freimaurer. So ist also die Zauberflöte durch zwei Brüder entstanden. Und bei der Ausarbeitung meiner Zeichnung kam mir der Gedanke, daß meine ursprünglich gewählte Überschrift "Mozart und seine Zauberflöte" nicht richtig ist. Ich habe also meine Arbeit überschrieben "Die Zauberflöte - die Freimaureroper". Das paßt, so glaube ich, besser zum Thema. Wenn es wohl primär erscheint, daß die Zauberflöte ihre Prägung durch den Textdichter, eben den Emanuel Schikaneder, erhalten hat, so hat aber doch Mozart durch sein Mitwirken und durch die von ihm geschriebene Musik entscheidend die Oper mitgestaltet.
Schikaneder wurde 1751 geboren, er starb im Jahre 1812. Mozarts Geburtstag war der 27.1.1756, sein Sterbetag der 5.12.1791. Im März 1791 begann Mozart mit der Arbeit an der Musik der Zauberflöte. Sie wurde uraufgeführt am 30. September 1791 in Wien in Schikaneders Theater auf der Wieden. Entstehung und Uraufführung liegen also in Mozarts Sterbejahr. Es war seine letzte Oper, die er vollendet hat. Sein bekanntes Requiem wurde von ihm nicht vollendet. Er starb darüber hinweg.
Schikaneder trat im Jahre 1788 in eine Regensburger Loge ein. Mozart wurde am 14. Dezember 1784 als Lehrling in die Loge "Zur Wohltätigkeit" aufgenommen. Am 24. Dezember 1784 besuchte er vor seiner Beförderung zum Gesellen die Loge "Zur wahren Eintracht", der Ignaz Born, das Urbild des Sarastro, vorstand. In der 343. Arbeit dieser Loge, wie es aus alten Aufzeichnungen hervorgeht, wurde er dort per delegationem für die Loge "Zur Wohltätigkeit" am 7. Januar 1785 in den zweiten Grad befördert. Die kurze Zeit zwischen seinem Lehrlings- und Gesellengrad ist auffallend, weil früher sonst ein Zeitabstand von mindestens 8 Monaten vorgesehen war. Seine Erhebung erfolgte am 22. April 1785.
Dies, meine Brüder, sei kurz bemerkt zu den allgemein interessierenden Daten der beiden Brüder, welche uns unsere Zauberflöte geschaffen haben.
Wie kam es nun zur Entstehung der Zauberflöte?
Emanuel Schikaneder, nach seiner Umsiedlung von Regensburg nach Wien im Jahre 1786, übernahm das von dem Schauspieler Rossbach kurz zuvor erbaute Theater "Im großen Hof" des fürstlichen Starhembergischen Freihaus auf der Wieden vor den Toren Wiens, weil infolge seiner kostspieligen Ausstattungstücke Rossbach in Schulden geriet und das Theater nicht weiter führen konnte. Schikaneder, nebendies auch ein tüchtiger Theatergeschäftsmann, fand in einem Logenbruder, dem Offizier Josef von Bauernfeld, einen Geldgeber für die Weiterführung des Theaters. Ferner wurde das Theater unter seiner Leitung auch finanziell und moralisch aus den Kreisen der Freimaurer, denen damals viele hohe Beamte, Adlige, Künstler, Gelehrte und reiche Kaufleute angehörten, nachhaltig gefördert. Das Theater wurde dann umgebaut und im Juli 1789 neu eröffnet. Es mag interessieren: Das Freihaustheater an der Wieden war ein zweistöckiges Gebäude, hatte eine zwölf Meter breite und tiefe Bühne und bot über 1000 Menschen Platz.
Mit Hilfe eines kaiserlichen Privilegs hatte der geniale Theaterdirektor Karl Marinelli im Jahre 1781 ein neues Theater in der Leopoldsvorstadt gebaut. Es war die erste ständige Volksbühne der Wiener Vorstadt, auf welcher Schau- und Lustspiele und vor allem Zauberstücke aufgeführt wurden. Sein Theater hatte starken Zulauf und stellte für die Bühne Schikaneders eine große und lästige Konkurrenz dar. Um durch sie nicht um seinen Erfolg gebracht zu werden, mußte Schikaneder danach trachten, Marinelli immer erneut zu überbieten. Gegenseitig suchten sich die beiden Theaterdirektoren, beide tüchtige Vertreter ihres Faches, den Erfolg abzujagen. Sie waren also gezwungen, die Qualität ihrer Aufführungen und Stücke immer mehr zu steigern. Unter anderem führte dieser Theaterwettkampf zur Planung und Entstehung der Zauberflöte. Schikaneder, inzwischen aus der Logentätigkeit mit Mozart bekannt geworden, war von seiner Begabung ebenso überzeugt wie er von seinen misslichen Geldverhältnissen wusste, suchte Mozart, wohl nicht nur für einmal, für sich zu gewinnen. Durch die Zusammenarbeit mit Mozart hoffte Schikaneder seine bisherigen Erfolgsserien fortsetzen und Marinelli endgültig überbieten zu können.
Schikaneder nahm eine neue Gattung von Stücken, um eben mit Marinelli konkurrieren zu können, in seinen Spielplan auf, nämlich Zauberopern. Eine sei nur genannt: 1790 aufgeführt die komische Oper "Der Stein der Weisen oder die Zauberinsel". Weiter war Anregung für die Zauberflöte unter anderem das in der Märchensammlung Wielands "Dschinnistan" enthaltene Märchen "Lulu oder die Zauberflöte". Eine weitere Quelle war ein Roman "Sethos" des Abbe Terrason.
Die Handlung der Zauberflöte spielt in ägyptischer Umwelt, was dadurch mitbedingt ist, daß der Orient im allgemeinen und Ägypten im besonderen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts große Mode war. In der Zauberflöte werden Pyramiden und Palmen, ein Weisheitstempel der großen Göttin und ägyptische Türen genannt. Die Namen haben dagegen italienischen Klang und stammen aus einer noch nicht aufgefundenen italienischen Quelle.
Die Zauberflöte wurde, wie Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail", in der Sprache des Volkes geschrieben. Sein Eintritt in den Bund der Freimaurer bedeutete für Mozart eine Wendung in seiner Produktion. Er war zu alledem ein guter, aber freimütiger Katholik. Deshalb beinhaltete ihm die Maurerische Lehre der Humanität keinen Widerspruch zum Katholizismus, sondern eine Erweiterung des Anwendungsgebietes des christlichen Ethos vom engen Kreis der Gläubigen auf die ganze Menschheit. Nur so ist es auch zu erklären, daß mit dem März 1785 seine Tätigkeit als Kirchenmusiker für lange Zeit beendet ist und an der Stelle der religiösen Kompositionen Maurermusiken treten. Daß es Mozart gelang, auf eine lebendige und schöpferisch fruchtbare Weise das christliche und freimaurerische Geistesgut in sich zu vereinen, daß er das Divine und das Humane zu einer neuen Gestalt weltdurchdringenden Glaubens zu verschmelzen vermochte, war freilich in seiner Zeit nichts Ungewöhnliches. Schon die Entstehung der Freimaurerei in Oesterreich weist auf solche Möglichkeit und Zielsetzung hin; denn diese wurde auf Wunsch des Erzbischofs von Breslau, Graf Schaffgotsch, in Wien, eingeführt.An spezifisch freimaurerischen Kompositionen seien hier noch angeführt: Maurerische Trauermusik, Freimaurer-Kantate mit unserem Lied "Brüder reicht die Hand zum Bunde", ferner das Lied "Gesellenreise" und die Kantate "Maurerfreude".
Diese zusammengefasste Darstellung soll uns, liebe Brüder, einen kleinen Überblick über die beiden Brüder, die uns die Zauberflöte schufen und die Entstehungsgeschichte der Oper geben. Freilich, man hat den Zauberflötentext, teils aus Unkenntnis, teils aus Absicht, schon die verschiedensten Deutungen zuteil werden lassen - richtig ist allein die freimaurerische. Denn es besteht kein Zweifel, daß der freimaurerische Gedanke Mozarts innerstem Wesen so vollkommen entsprach, wie selten bei einem Menschen, und daß Mozart, wie schon anfangs gesagt, entscheidenden Einfluß auf die freimaurerische Gestaltung der Zauberflöte genommen hat. Nur so ist z. B, der Bruch der Handlung zu erklären, der durch die Umwandlung der Gestalt des Sarastro vom bösen Zauberer zum edlen Weisen entsteht. Nur so werden die mancherlei Ungereimtheiten, wird vor allem auch die Figur des Papageno verständlich als die "zweite Seele", die mit ihren menschlichen Schwächen in der Brust des nach Weisheit, Stärke und Schönheit suchenden Tamino wohnt. Mozart war gleich vieler seiner Zeitgenossen von dem Gedanken beseelt, daß der Sieg der Weisheit, Schönheit und Stärke nahe, eine glückliche Zukunft für alle Menschen durch Einsicht und Verständigkeit - durch Aufklärung - zu erreichen sei. Diese Hoffnung ist vor allem durch die Regierungsepoche Josef's II. (1780 bis 1790) genährt worden, in der in Oesterreich verschieden bürgerlich- demokratische Forderungen aufgegriffen und verwirklicht wurden. Diese Errungenschaften wurden allerdings von Josef II. Nachfolgern wieder rückgängig gemacht (1793), was Mozart nicht mehr erlebte.
Nun noch einige Gedanken zum Inhalt der Zauberflöte.
In der Oper verkörpert der Bund der Eingeweihten die Ziele der Freimaurerei: Humanität, sittliche Läuterung des Menschen, Wohltätigkeit. Der Kult der Götter "Isis und Osiris", wie wir ihn auf der Bühne sehen, entspricht im Prinzip den Ritualen der Freimaurer, sein Inhalt aber ist der Dienst an der Erziehung des Menschgeschlechts, ohne Unterschied des Standes oder der Hautfarbe, seine Heranbildung zu den höchsten Tugenden, zu Weisheit, Schönheit und Stärke.
Erst künden die feierlichen Akkorde der Ouvertüre von den Zielen der Geweihten. Der schnelle, vielfach fugierte Mittelteil scheint von ihrem unermüdlichen Streben und tatkräftigen Wirken zu erzählen. Tamino, ein Prinz, wurde von einem Ungeheuer bedroht. Drei Damen der "Königin der Nacht", der unheilvollen Gegenspielerin der Geweihten, haben ihm das Leben gerettet. Doch in böser Absicht: Tamino soll Pamina, die Tochter der Königin, aus der Gewalt der Geweihten befreien. Sie haben das Mädchen entführen lassen, um es dem unheilvollen Einfluß der nächtlichen Fürstin zu entziehen. Die Damen der Königin betören Tamino durch ein Bildnis Paminas. Doch Tamino ist sofort von echter Zuneigung entflammt: "Arie: Dies Bildnis ist bezaubernd schön"! Seine Liebe erwacht und wird ihn alle Prüfungen bestehen lassen, die seiner erwarten. Die Königin greift selbst in das Geschehen ein und sucht durch vorgetäuschten Mutterschmerz wie durch prahlerischen Glanz Tamino für ihr Vorhaben zu gewinnen. Mozart bedient sich hier zur Charakterisierung der herzlosen Kälte der Königin der gleißenden Arien der opera - sera.
Eine andere musikalische Welt bringt Papageno mit sich, der lustige Gefährte Taminos, der seinen Lebensunterhalt durch Vogelfängerei bestreitet. Er stammt unmittelbar aus der altwiener Volkskomödie. Papageno ist ein Nachfahre der alten Hanswurst- und Kasperltradition; zugleich ist er herausgewachsen aus der Anschauung des 18. Jahrhunderts von der Gesundheit und der Vorbildlichkeit des Natürlichen, dem "Urzustand" gemäßen. Mit seinem Volksliedchen " Ein Vogelfänger bin ich ja" stellt er sich dem Publikum vor.
Bedeutungsvoll und herausgehoben ist die Musik der "Geweihten", zu denen Tamino und Pamina nach Bestehen der schweren drei Prüfungen ebenfalls zählen werden. Das großartige, kraftvolle Es-dur und das festliche C-dur sind zumeist ihre Tonarten. Ihr Rhythmus ist der eines starken, zielbewußten Schreitens oder ruhigen, natürlichen Wandelns. Die Vereinigung dieser beiden inhaltlichen Elemente, die man als Kraft und Güte, als Stärke und Weisheit bezeichnen könnte, bestimmen auch die Arien des Sarastro, des Hauptes der Geweihten: - O Isis und Osiris - In diesen heilgen Hallen -.
Eine der für das Werk und operngeschichtlich überhaupt bedeutungsvollsten Stelle der Zauberflöte ist die sogenannte Sprecherszene des ersten Aktes, die Taminos erste Begegnung mit dem Lebenskreis der Eingeweihten schildert. Mozart verwendet hier die Form des Rezitativs, dessen Aussagemöglichkeiten er bis ins letzte ausschöpft, wobei auch der Chor eingeschaltet wird. Jedes Verweilen auf einem Ton, jedes Hoch oder Tief, jedes Laut oder Leise, aber auch jeder Wandel der Tonart, jede Tempoabstufung hat hier besonderen Sinn. An anderer Stelle, da, wo der entscheidende, schwerste Abschnitt der Prüfungen für Tamino und Pamina bevorsteht, vor der Feuer- und Wasserprobe nämlich, greift Mozart zu einem für seine Zeit besonderen musikalischen Mittel, um dem Augenblick Gewicht zu geben: er schreibt ein instrumentales Fugato, zu der die beiden geharnischten Wächter eine alte, feierliche Choralmelodie singen. Handelt es sich hier auch nicht um eine wirkliche Fuge, so kommt doch ein wesentlicher Sinn dieser musikalischen Form zum Ausdruck, nämlich die Bedeutung des Entschlossenen, Sicheren, Unbeirrbaren; und damit ist die Größe des Augenblicks, von den Geweihten wie von Tamino aus gesehen, treffend erfaßt. Noch einmal sucht die Königin der Nacht mit ihren Verbündeten - den drei Damen und Monostatos - den Lauf Taminos und Paminas aufzuhalten: Vergebens! Freudig empfangen die Geweihten das siegreiche Paar: Echtes Gemeinschaftsgefühl, getragen von der Freude jedes einzelnen über den errrungenen Sieg, spricht aus der Musik dieses Schlußteiles der Oper. Feierlich bewegt, im Vollklang der Harmonien, ertönt der Dank. Dann aber, zunächst leise, dann immer gewisser und jubelnder: Es siegte die Stärke, und krönet zum Lohn die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron'.
Damit schließt die Oper. Nun erlaubt mir meine Brüder, noch etwas sehr Interessantes anzuführen:
Die Symbolik der Zahlen und insbesondere der uns heiligen Zahl "Drei".
Musik und Text der Zauberflöte sind ein überaus komplexes Gebilde. In diesem Werk sind das Mysterienspiel und die Hanswurstkomödie, die Tradition der Wiener Zauberstücke, mit der Erinnerung an ägyptische und vorderasiatische Weisheit miteinander verschmolzen. Sie ist - so dramatisch bewegt, so wechselnd erheiternd und erhaben auch ihre Handlung ist, ein auf ein symbolisches Zahlengebäude gegründetes Kunstwerk.
Beschränken wir uns bei dieser Betrachtrung auf die Zahl "Drei". Sie ist die Schlüsselzahl sowohl der Musik wie des Textes der Zauberflöte. Es ist naheliegend, die "Drei" als Grundprinzip der Oper auf den Einfluß der freimaurerischen Symbolik zurückzuführen, mit der Mozart und Schikaneder vertraut waren. Das Ritual unseres Freimaurer Bundes ist grundlegend durch die Dreiheit bestimmt. Um nur einiges anzuführen: Drei freimaurerische Grade hben wir und durch drei Säulen werden unsere Ideale versinnbildlicht. Über drei bewegliche und drei unbewegliche Kleinodien verfügen wir: Winkelwaage, Winkelmaß und Senkblei. Das Reißbrett, der unbehauene und der behauene Stein. Die drei großen und die drei kleinen Lichter, drei Wanderungen des Suchenden usw. usw.
Die vielfältigen Dreiergruppen sind kennzeichnend für den Aufbau der Oper. So stehen "drei Damen" im Dienste der Königin der Nacht, dreimaliger Donner und der Ruf "Sie kommt - sie kommt - sie kommt - ", künden ihr Nahen an. Dreimal tritt die Königin der Nacht in Erscheinung: am Anfang der Handlung als die der Tochter beraubte Mutter, in der Mitte (Rache-Arie) und am Schluß (um Sarastro und die Geweihten zu töten. Auch ihre drei Damen greifen dreimal in die Handlung ein (Zu beginn des 1. Aktes und in den beiden Quintetten). Die Prüflinge werden begleitet und behütet von den drei Genien oder Knaben, die geistig und handlungsmäßig den Gegenpol zu den drei verführerischen Damen bilden. Als Luftgeister erscheinen sie dreimal dem Trio der Prüflinge Tamino, Pamina und Papageno.
Mit noch größerer Bedeutsamkeit herrscht die Drei im Lichtreich des Sarastro vor. Dreimal wirkt dieser als Hoherprieser des Weisheitsbundes im Kreise der achtzehn (will bedeuten 3 x 6) Eingeweihten: Zu Beginn des zweiten Aufzuges mit der Arie "O Isis und Osiris", wenn er die Aufnahme von Tamino und Pamina als Prüflinge vorschlägt, bevor beide zur letzten Prüfung zugelassen werden und beim Empfang der Geweihten im Sonnentempel. Außerdem tritt er noch dreimal, nicht als Repräsentant der lichten Gottheit, sondern als Freund und Ratgeber hervor: Im ersten Finale, in der Arie der Vergebung ("In diesen Heiligen Hallen") und im Abschiedsterzett. Entsprechend der Dreizahl haben die Fremdlinge drei Prüfungen zu bestehen. Die erste ist gekennzeichnet durch das Gebot, nicht mit Weibern zu sprechen - was hier bedeutet, sich standhaft und getreu zu erweisen -, die zweite durch das Gebot des vollkommenen Stillschweigens, auch dem liebsten Menschen gegenüber, die dritte durch die mit Todesgefahr verbundene Feuer- und Wasserprobe. Ferner zeigt die Bühne am Ende des ersten Aktes drei Tempel, deren Pforten mit "Vernunft", "Weisheit" und "Natur" überschrieben sind. Dreimal versucht Tamino vergebens, durch Anklopfen zu diesen Tempeln zu gelangen. In Sarastros Reich herrschen Klugheit, Arbeit und Künste; seine Priester fordern von Tamino "Sei standhaft, duldsam und verschwiegen". Durch drei Posaunenstöße geben die Geweihten ihre Zustimmung zu Sarastros Vorschlag, Tamino zu den Prüfungen zuzulassen - dreimal erklingen zudem diese drei "mystischen" Posaunenakkorde: In der Mitte der Ouvertüre in der Priesterversammlung, welche über das Geschick der "Fremdlinge" zu entscheiden hat.
Ferner sind es drei Musikinstrumente, welche die Handlung der Zauberflöte mitbestimmen: Die Flöte, das Glöckchenspiel und Papagenos Faunenflötchen. Jedes dieser drei Instrumente wird dreimal gespielt. Die Flöte im ersten Finale, in der zweiten Prüfungsszene und während der Feuer und Wasserprobe. Das Glöckchenspiel ertönt ebenfalls im ersten Finale, dann in seinem zweiten Liedchen ("Ein Mädchen oder Weibchen") und zuletzt, wenn er nach seinem verhinderten Selbstmord seine ersehnte Papagena herbeiruft. Auch die Faunenflöte spielt Papageno dreimal.
Aber nicht nur die einzelnen Teile der Handlung und Musik der Zauberflöte sind durch das Prinzip der Dreiheit geprägt. Diese bildet zudem auch die Grundstruktur der ganzen Handlung. Zwar ist die Zauberflöte durch Schikaneder - Mozart in zwei Aufzüge (Akte) eingeteilt. Unterscheidet man aber die Handlung nach ihrem Sinnzusammenhang, so ergeben sich zwanglos drei Teile, die durch deutliche Zäsuren voneinander abgehoben sind. Der erste Teil - nach dem alten Textbuch - mit der Einführung von Tamino und Papageno in den Prüfungstempel und mit dem Schlußchor der Priester, der als Ziel der Prüfung die Vergottung der Geweihten verkündet. Der zweite Teil endet mit dem Priesterchor, der das "neue Leben" des "edlen Jünglings" im Dienste des Weisheitsbundes voraussagt. Aber mit dem 21. Auftritt zeigt sich im Grund ein neuer Aspekt. Hier wird Tamino nicht mehr alleine geprüft, sondern das Paar; Tamino und Pamina müssen sich, wenn auch auf verschiedene Weise der sie erwartenden Vergottung würdig, zugleich aber auch einander würdig erweisen. Das aber bedeutet, daß in diesem "dritten Teil" ein neues Mysterium angekündigt wird, das Mysterium des Paares: Das irdische Paar soll zum Ebenbild des göttlichen Paares Osiris und Isis werden.
Schließlich wird durch Tamino und Pamina das Ziel des vielschichtigen Mysterienspiels, die Vergöttlichung des Menschen, für immer errungen durch die Vereinigung der
drei Grundprinzipien der Schöpfung,
die in den letzten Worten der Zauberflöte genannt werden:
Es siegte die Stärke und krönet zum Lohn
die Schönheit und Weisheit mit ewiger Kron'.
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