internetloge.de - internetloge.org - Hamburg, Deutschland -
Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer





Der Philosoph Karl Christian Friedrich Krause

Krause und die Verständlichkeit seiner Werke

Dr. Siegfried Pflegerl, Breitenfurt

Wenn ein Philosoph Erkenntnisse fasst, die in ihrer Neuartigkeit und Evolutionstiefe zu weit von den Wissenschaftshorizonten seiner Zeit entfernt sind, ist er primär einer beachtlichen Isolation ausgesetzt. Er ist aber trotzdem gezwungen, seine Erkenntnisse, die auch die bisherigen Sprachtheorien übersteigen, in einer neuen Sprache zu formulieren. Er muss neue Wörter, Präfixe erfinden, um seine Begriffe, seine Deduktionen und seine Logik inklusive der neuen Sprachtheorie seinen Erkenntnissen entsprechend auszudrücken. Dieser Schwierigkeit sah sich Krause ausgesetzt. Er hat sich zwar bemüht, viele seiner Werke "volksverständlich" abzufassen, womit er sich eigentlich der höchsten seiner Erkenntnisbereiche begab, aber beim Studium dieser Werke muss immer im Hintergrund die metaphysische Begründung und Rechtfertigung der vereinfachten Darlegungen mitberücksichtigt werden, um nicht von diesen popularwissenschaftliche Werken her das Gesamtwerk und seine metaphysische Tiefe zu vernachlässigen. Die Beurteilung der neuen Sprache Krauses, der Wesensprache, kann aber selbst wiederum nur dann adäquat erfolgen, wenn man ihre Begründungen in der Grundwissenschaft erkennt. Die häufige Kritik der Neologismen und der unverständlichen Sprache Krauses zeugt daher nur von einem oberflächlichen Studium seiner Hauptwerke.


Wesensprache in einer Landessprache

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Wesenlehre Erkenntnisse enthält, die in dieser Klarheit vorher nicht erkannt wurden. Es kann daher auch in keiner derzeit sozial etablierten Sprache Bezeichnungen für diese Erkenntnisse geben. Krause war sich der Mängel der bestehenden Sprachen - auch des Deutschen - bewusst, und es war ihm auch klar, dass die Einführung der neuen Sprache, der Wesensprache, die Verbreitung der Wesenlehre schon einmal in den deutschsprachigen Ländern erschweren würde und dass er als Mensch seiner Zeit damit einer maßgeblichen Isolation ausgesetzt sein würde. Hier einige Zitate aus Krauses Werken, die bestimmte Aspekte der Frage beleuchten:

"Ganz besonders aber im obersten Teile der Wissenschaft, der sogenannten Metaphysik, ist es erforderlich, dass der Gebrauch der Wörter und die ganze Rede sachgemäßer, reiner, edler, kürzer, und überhaupt gliedbaulicher (organischer) werden. Insonderheit sind in diesem Teile der Wissenschaft mehre zusammengesetzte Wörter erforderlich, als bisher angewandt zu werden pflegen. Es ist ein günstiger Umstand für die vollkommenere, kürzere und übersichtlichere Darstellung der obersten Grundgedanken, dass die deutsche Sprache es vermag, angemessene zusammengesetzte Wörter aus ihren Wurzelwörtern und Stammwörtern zu bilden, und darin die ältere Schwester, die Sanskrit-Sprache, zu erreichen und zu übertreffen, die es ihr in ihrer Wissenschaftssprache hierin bis jetzt vortut. - Selbst wesensprachliche (pasigraphische und pasilalische) Scheme, und übersichtliche Tafeln werden in der Grundwissenschaft unentbehrlich, und immer dringender gefordert, je weiter sich der Geist in den Reichtum der Wissenschaft vertieft, die seinem Blicke nach allen Seiten hin eine innere Unendlichkeit eröffnet: damit der Gliedbau ihrer Erkenntnisse übersichtlich werde. Solche Scheme und Tafeln, wovon dieses Werk bereits einige enthält, stellen ganze Reihen, und Reihen der Reihen, von Lehrsätzen vor, welche ins Einzelne zu entfalten oftmals dem Leser überlassen werden kann" (19, Seite XII).

Krause hat für diese neuen Erkenntnisse des synthetischen Teils

  1. zum Teil in der deutschen Sprache Neuschöpfungen benutzt (Formheit, Fassheit, Grenzheit usw.),
  2. zum Teil aber überhaupt neue Präfixe wie Or, Ant, Om usw.
geschaffen, die es in keiner Sprache bisher gibt.

Will man nun in einer anderen Sprache die Grundwissenschaft sachlich angemessen (also im Verhältnis 1:1) sprachlich darstellen oder abbilden, so ist grundsätzlich zu beachten, dass es sachlich unmöglich ist, mit dem bestehenden Wortschatz einer Sprache (etwa des Spanischen) in der Lage zu sein, die völlig neuen Erkenntnisse adäquat zu bezeichnen. Wird die "Übersetzung" der wesensprachlichen Ausdrücke der Grundwissenschaft ausschließlich mit bestehenden Begriffen des Spanischen (oder einer anderen Sprache) versucht, muss dies sachliche Mängel zur Folge haben.

Folgende Schritte wären erforderlich:

  1. Es muss zumindest einen Denker geben, der die Grundwissenschaft (19, 2. Teil) in deutscher Sprache lesen kann.

  2. In der anderen Sprache (z. B. dem Spanischen) müssten für alle Schaunisse, die es in der bisherigen Philosophie in dieser Beziehung und in diesen organischen Zusammenhängen nicht gegeben hat, wie im Deutschen durch Krause neue sprachliche Begriffe geschaffen werden (z. B. Fassheit, Grenzheit usw.). Im Weiteren müssten auf jeden Fall die Präfixe or, ur, ant, mäl, om entweder in der gleichen Form eingeführt oder andere sprachliche Präfixe erfunden werden. Neologismen wären zu erzeugen. Bei anders strukturierten Sprachen, die keine Präfixe kennen, sind entsprechende zusätzliche Probleme zu berücksichtigen.

Die sachliche Fundierung der neuen Sprachtheorie erfolgt in der Grundwissenschaft:

"Im Innern der Wissenschaft (der Wesenlehre) selbst wird auch der Wesenbegriff (die Teilwesenschauung) der Sprache erkannt (19, S. 441 f.), und insbesondere der reinwissenschaftgemässen Sprache (19, S. 446 f.), und zwar darin weiter sowohl der Laut-Wesensprache, als der Gestalt-Wesensprache, die unter dem Namen der Pasilalie und der Pasigraphie geahnt worden sind. Diese Wesenbegriffe habe ich seit dem Jahre 1803 zu vollziehen mich bemüht und darin die Bezeichnungen der Grundwesenheiten gefunden" (45, S. 78).

Hinsichtlich des universellen Geltungsanspruches:

"Die wesensprachliche Darstellung macht Anspruch auf allgemein menschliche Annahme und hat ormenschheitwesentliche Gültigkeit, d.h. für die ganze Menschheit des Weltalls, indem sie im Lebenalter der Reife von jeder Teilmenschheit auf eigenschöne Weise gefunden und ausgebildet wird. Es wird in höherer Stufe die oromheitlich gebildete deutsche Sprache für die wesenlebende Menschheit werden, was die hebräische, die griechische und die lateinische Sprache für die christlichen Völker geworden ist" (45, S. 79).

Ablehnung und Verweigerung der Annahme seiner Sprachschöpfungen hat Krause selbst vorausgesehen und auf sich genommen, weil eine Nichtbenutzung der Wesensprache auch einen Verlust der neuen und innersten Erkenntnisse zur Folge gehabt hätte.

"Meine Wissenschaftsausdrücke mögen den an den herrschenden Sprachgebrauch Gewöhnten auffallen und von denen, welche die Wichtigkeit einer kurzen, sachgemäßen Bezeichnung der Grundwahrheiten der Wissenschaft und des Lebens nicht ahnen, geschweige einsehen, als geschmacklos und als pedantisch verlacht und verspottet werden; sie werden aber gleichwohl von Kennern verstanden und weil sie an sich reinschön und zugleich erziehungskunstgemäß und lehrkunstgemäß (lehrkunstlich) sind, auch angenommen werden" (45, S. 80).

"Ich gehe in der Ausbildung der deutschen Sprache und deren geistfreier Anwendung zur Darstellung der Wissenschaft als Wesenlehre meinen Zeitgenossen weit voraus und übernehme mithin, selbstverzichtend, alle die beschwerlichen Folgen dieser kühnen Tat. (...) Da die meisten Einzelmenschen, ja die meisten Völker stückelhaft (atomistisch) denken, indem selbst die meisten Wissenschaftssysteme stückelhaft sind, so haben auch die meisten Volkssprachen atomistischen Charakter. Die Worte sind mehr ausserneben, nicht in, mit, durch einander. Aber der Wissenschaftsgliedbau fordert eine gliedbauige (organische) von ähnlichem Charakter. Wortbau und Satzbau soll organisch, involutorisch sein. (...) Ist das Denken und Erkennen Stückwerk, so muss es auch die Sprache und die Rede in selbiger sein" (29a, S. XVIII f.).

Seit dem Erscheinen der Werke Krauses und seines Nachlasses bis heute findet sich eine Vielzahl von Rezipienten, welche die Unzugänglichkeit seiner Wesensprache, die den Zugang zum Werke erschwert und verstellt hätte, bemängelt. Viele Denker halten diese Konstrukte für unnötige Spekulation, manche sehen darin nichts Neues, sondern nur eine unzulässige Verstiegenheit, weil dem Menschen eine begriffliche Fassung des Göttlichen, auch wenn ihm eine Gottschau ermöglicht sein mag, nicht zukomme.

Wichtig ist auch, dass eine Vernächlässigung der geometrischen Figuren (Schemata) der Gestaltzeichensprache nicht erfolgen darf. Es müssen, um den organischen (Or-Om)-Charakter der Schaunisse in der sprachlichen Abbildung zu sichern, die Figuren in den Deduktionen unbedingt benutzt werden:

"Von dieser Vollwesenheit, Vollständigkeit und Wohlgeordnetheit des bisher erkannten Gliedbaus der Wesen und der Wesenheiten ist die im vorigen erklärte sinnbildliche Darstellung desselben in Kreisen, Vierecken und Dreiecken, sowie die gleichfalls erklärte lautsprachliche Darstellung durch Brustlaute und Grenzlaute (Vokale und Konsonanten) ein entsprechendes Gleichnisbild (Fußnote 1)" (19, S. 426; im Weiteren auch S. 446 f.).

"Es erhellt schon hieraus der eigenthümliche Vorzug der Gestaltzeichensprache (der Pasigraphie) vor der Tonzeichensprache; indem erstere alle Glieder des Ganzen zugleich als selbständige und als vereinte, in, mit und durch einander (involutorisch und evolutorisch), nach allen ihren Grundverhältnissen, wohlgeordnet, übersichtlich, unabhängig von Zeit, befasst (zur Beschauung in Einem Blicke), während die Lautzeichensprache alle Glieder des Ganzen zeitlich nacheinander ausspricht und nur auseinandersetzt" (45, S. 81).

Vergegenwärtigen wir uns hier Aspekte dieser Gestaltzeichensprache an untenstehender Grafik:

Die neuen Ausdrücke sind daher: Orheit, Antheit, Mälheit und Omheit, aber auch Abheit und Nebheit. Die Or-Omheit ist die Summe aller obigen formalen und inhaltlichen Beziehungen. Es sind Kunstwörter, wie sie auch in anderen Wissenschaften geschaffen werden. Wer sie befremdlich findet, könnte auch andere erfinden; diese müssten nur inhaltlich den hier dargelegten Erkenntnissen entsprechen. Der Schwierigkeitsgrad für ein Verständnis erscheint nicht hoch.

Das Verhältnis der sozial etablierten Sprache zur Wesensprache erwähnt Krause etwa in folgenden Überlegungen:

"Jedes Wort, jede Tonsprache bedarf also einer orwesentlichen Ergänzung; jeder Redesatz aber einer dreifachen: Wesen als s (Subjekt des Satzes) intheilwesend indurch Wesen als c (Copula oder Satzverhalt) intheilwesend indurch Wesen als p (Prädikat des Satzes) inteilwesend" (46, Anschauungen II, S. 153).


"Diese Art der Übersetzung jedes in der Volkssprache ausgedrückten Satzes in die Sprache der Wesenschauung (reine vollwesentliche Wissenschaftssprache) ist besonders nützlich, wenn ein Satz erst untersucht, sein möglicher wahrer Sinn gefunden, wenn er berichtigt, besser ausgedrückt werden soll" (46, Anschauungen II, S. 175).

Hier zeigt sich deutlich das Verhältnis einer Volkssprache zur Wesensprache. Es muss also zuerst eine Variante der Wesenprache in jener Volkssprache (z. B. dem Spanischen) erarbeitet werden. Dabei wird man sich von der allgemeinen Struktur dieser Sprache leiten lassen müssen, aber auch von ähnlichen Überlegungen wie in der Mathematik bei der Erfindung von Bezeichnungen bei der Einführung eines neuen Systems. Welche Zeichen soll man für die von Krause als Or, Ant, Mäl und Om bzw. Neb und Ab verwendeten Präfixe benutzen? Überdies müssen für viele Begriffe der Wesenlehre in der Volkssprache neue Begriffe geschaffen werden. Hat man diese Arbeit der Transformation der Wesensprache und der Begriffe der Grundwissenschaft geleistet, kann man jeden Satz einer Volkssprache in die reine Wissenschaftssprache übersetzen.

"Die zeitherigen Wortbücher enthalten nur Namen für Dinge, überhaupt für Ingeistnisse, die schon da sind, die das Volk schon darlebt (wesendarlebt und missdarlebt), die schon lebwirklich sind in dieser Menschheit; im Urworttum aber finden sich auch Wörter und Rednisse für Dinge und Ingeistnisse, die erst lebwirklich werden sollen. Daher auch die darin dargestellte Sprache, in ähnlicher Bestimmnis, nicht nur die lebwirkliche, sondern auch die ist (so ist), wie sie werden soll" (46, Anschauungen II, S. 182).

Wie schwer dies auch erscheint, lediglich mit dem bestehenden Sprachfundus einer Sprache kann diese Arbeit sachlich nicht korrekt erreicht werden.

Bei einer Übersetzung der Grundwissenschaft in eine andere Sprache müsste daher - sicher im Universitätsbereich auf demokratische Weise - nach entsprechenden Beratungen geeigneter Experten möglichst eine allgemein anerkannte Standardversion erstellt werden, die dann für alle Forscher, für Lehrbücher, Unterrichtsbehelfe und praktische Arbeiten in allen anderen Wissenschaften benutzt werden. Es wäre sicher bedauerlich, wenn in einem Sprachraum durch Streit, Profilierungssucht und Positionsdebatten mehrere, divergierende, einander über die Vertreter der Versionen bekämpfende Flügel entstünden, die verschiedene Übersetzungen der Wesensprache benutzen und sich dabei auch gegeneinander akademisch abgrenzen. Sicherlich unterliegt auch der akademische Betrieb in den Inhalten seiner Lehre und in der Organisation seiner Institutionen den allgemeinen Evolutionsgesetzen, die für den Wissenschaftsbetrieb prägend sind. Inkompatible und inkommensurable Pluralität ohne Integration in eine Einheit, wie sie in der Postmoderne gilt, wäre als Verfahren zwar auch bei der Etablierung der Wesenlehre denkbar. Damit wäre aber das Projekt sicherlich nicht zielführend.


Wesenprache in einer Weltsprache

Wenn man davon ausgeht, dass nach den Idealen der Wesenlehre einmal die gesamte Menschheit sich nach den Prinzipien der Grundwissenschaft in ihren wissenschaftlichen und sozialen Grundrissen gestalten soll, dann ergibt sich natürlich das weitere Problem, dass letztlich:

  1. die Wesensprache in jeder Sprache der Erde sachlich gleichwertig einzuführen ist und

  2. eine universale Version der wesensprachlichen Version der Grundwissenschaft in einer neuen Weltsprache abzufassen wäre.

Davon sind wir zwar noch weit entfernt, aber bereits für die Anfänge ist es nützlich, sich gewisse Strategien zu überlegen.

"Dem werdenden Menschheitbunde gleich bei seinem Entstehen mitzugeben:

  1. den gliedbauvollendeten Anfang der Wesensprache, und zwar der Wesentonsprache und der Wesenschriftsprache. Anm. Dieses kann ich; da meine urgeistig gefundene Wesenton-, und Wesenschriftsprache soweit gediehen ist;

  2. eine, und zwar die schicklichste, nach dem Urbegriffe und Urbilde der Wesensprache der wesenvereinlebigen und wesengliedbauschauigen Menschheit höhergebildete Volkssprache" (63, S. 168 f.).

* * *


Fußnote:

  1. Diese beiderlei sprachlichen Darstellungen konnten von mir erst erfunden werden, nachdem die Erkenntnis des Wesengliedbaues selbst gewonnen war; - dann wurden sie rein nach dem ganzen Begriffe der Sprache von mir gebildet; ohne dass dabei an frühere Versuche der Wesensprache gedacht worden wäre. Auch findet sich in keinem mir bekannten philosophischen Systeme diese sprachliche Bezeichnung des Wesengliedbaues, schon aus dem Grunde, weil die Entfaltung des Gliedbaues der Wesen und Wesenheiten an und in der Wesenschauung in keinem mir bekannten Systeme der Wissenschaft so wie hier geleistet ist.