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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel XXXVIII



Es finden sich in den Ritualen einzelner maurerischer Systeme nicht undeutliche Spuren, dass einstens der Bruderbund der Maurer symbolisch mit dem Blute besiegelt worden sei. Man schloss ein Bündniss bei den Scythen, indem die Anwesenden aus einer Wunde, die sie sich beigebracht, Blut in einen mit Wein gefüllten Kelch laufen liessen und mit dem Weine tranken. Lanze, Pfeil und Bogen ward nach Lucian darin eingetaucht, ohne das Bluttrinken. Beim Schwur wird der Brauch von andern Völkern berichtet, so bei den Griechen und Kariern, Römern und in neuerer Zeit bei den Magyaren. Den eigentlichen Sinn davon lässt Toxaris bei Lucian in einer schönen Stelle hervortreten. Wenn zwei Freunde werden und sich Treue angeloben, sagt er, schneiden sie sich in die Finger, lassen das Blut in den Becher laufen und trinken es; "von diesem Augenblicke an ist nichts mehr, was sie trennen kann; aber mehr als drei dürfen diesen Bund nicht beschwören." Es war der Bund der unauslöschlichen Freundschaft und des gegenseitigen Zusammenhaltens in Noth und Gefahr den man geschlossen hatte. Schon Tertullian erinnert daher daran, dass Catilina sich und seine Verschwornen durch einen solchen Blutweintrunk verpflichtet habe. 1) Salust. Catil. 22 sagt: fuere qui dicerent Catilinam, cum ad jusjurandum popularis sceleris sui adigeret, humani corporis sanguinem vino permixtum in pateris circumtulisse, inde cum post exsecrationem omnes degustavissent.




    1) Weimarisches Jahrbuch, II. S. 417; Grimm, Rechtsalterthümer, S. 194.



Im Psalm 16, 4 heisst es: "Aber Jene, die einem Andern nacheilen, werden grosses Herzeleid haben: ich will ihres Trankopfers mit dem Blute nicht opfern, noch ihren Namen in meinem Munde führen." Aus dieser Stelle des Psalmisten erhellt, dass Opfer von Wein und Blut gemischt dargebracht wurden, an welchen heidnischen Opfern der Psalmist keinen Antheil nehmen will. Nach dem Evangelium Matthäi 16, 27 u. 28 nahm bei dem letzten Abendessen mit seinen Jüngern Jesus, nachdem er das Brod gebrochen und seinen Jüngern zu essen gegeben hatte, auch den Kelch und gab ihnen denselben, damit sie alle daraus trinken möchten, mit den Worten: Das ist mein Blut des neuen Testamentes, welches vergossen wird, für Viele zur Vergebung der Sünden." - Die Heiden haben, indem sie die Christen des Kindermords und des Bluttrinkens anklagten, die Worte der Abendmahlslehre missverstanden und den Gebrauch des Blutes als eine Weihung der christlichen Brüderschaft ausgelegt. 1) Spätere gelehrte christliche Ausleger haben denselben alten Gebrauch im Sinne, wenn sie sagen, dass mit Bezug auf ihn Christus den Kelch erhoben und mit jenem Tranke den neuen Bund der Völker eingewiesen habe; er habe sich ihrer Sitte accommodirt: mori et captui accommodavit gentium in foedus exoptandarum.

Der tiefere Grund der altasiatischen Sitte, dass die als treue Freunde und Brüder im Leben und im Tod sich Verbündenden ihr Blut gegenseitig mischten und tranken, besteht wohl darin, dass das Blut als der Sitz des Lebens und der Seele galt, 2) so dass also Diejenigen, welche ihr Blut gemischt und getheilt hatten, auch das Leben und die Seelen ausgetauscht und zusammenverschmolzen hatten, nur noch Ein Leben und Eine Seele ausmachten. Freunde, Brüder im wahren und höchsten Sinne, im Sinne des Alterthums sind demnach Diejenigen, welche Herz und Seele getheilt haben, welche nur Ein Herz und Eine Seele ausmachen, gerade wie treue Ehe-




    1) Weimarisches Jahrbuch, a. a. O., Anm. 31.
    2) Vergl. auch Mülhause, Urreligion, S. 324.



gatten nur Einen Leib und Eine Seele haben sollen. 1) Ein Nachklang der uralten Sitte des heiligen, aus Wein und Blut gemischten Trankes ist es, dass noch heute die Brüderschaft, der Schmolles nach dem Studentenausdrueke getrunken und ein Trunk vielfach, namentlich auch in den Gesellenbrüderschaften, dem Fremdlinge dargebracht wird zum Zeichen des Willkommenseins, der Liebe und der Freundschaft. Das gemeinsame Essen und Trinken, die gemeinsamen Opfermahle, die Theilung des Tisches und des Glases sind und waren das Symbol der Freundschaft und der Liebe, der Verbrüderung - und bei Eheleuten, welche noch das Bett theilen, der Verehelichung. Die äussere Gemeinsamkeit kann und soll aber nur eine Folge und Wirkung der inneren Gemeinsamkeit und Einheit sein. Die maurerischen Tafellogen im reinen und höhern Sinne sind daher blosse Brudermahle, Mahle der Liebe und Freundschaft. Nach der Sage waren einst unter der Regierung des Maximianus zwei Ritter, von denen Einer zu dem Andern sagte: "Willst du mit mir einen Bund machen, so mag ein jeder von uns aus seinem rechten Arm Blut fliessen lassen: ich will dein Blut trinken und du magst mit dem meinen dasselbe thun, und so wird keiner von uns den andern weder in Glück noch Unglück verlassen und was einer von uns gewonnen haben wird, wird auch der andere haben." - Bei den Germanen scheint es nach Grimm, Lieder der ältern Edda S. 237, und in der Uebersetzung von Simrok S. 176, dass man bei dem Eidschwure sich verwundet und das Blut (mit Wein vermischt) statt es zu trinken in der Fussspur habe ineinanderlaufen und sich vermischen lassen, um dadurch auch die Herzen und die Seelen unauflöslich zu vereinen. Bei Saxo Gramm. I. heisst es: siquidem icturi foedus veteres vestigia sua mutui ganguinis aspersione perfundere consueverant, amicitiarum pignus alterni cruoris commercio firmaturi. Die das Blut in solcher Weise vereinigt haben, sind freiwillige förmliche Blutsverwandte geworden und sollen gegen einander dieselben Pflichten der Liebe und Treue üben wie die natürlichen Blutsverwandten und Blutsfreunde.




    1) Vergl. Weimarisches Jahrbuch, II. S. 419.



Gleich der Verwandtschaft soll auch die Freundschaft auf der Einheit des Blutes ruhen. Ganz denselben Gedanken drückt es auch aus, wenn Freunde und Verbündete sich Brüder und Schwestern nennen, ohne natürliche Brüder und Schwestern zu sein, oder wenn Freunde an Fremden die Stelle des Vaters und der Mutter vertreten. Das reine, von jeder Sinnlichkeit und Eigennutz freie Freundschaftsverhältniss zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts wissen wir auch nicht anders zu bezeichnen als, dass sie sich gleich Schwester und Bruder lieben oder geliebt haben. Selig Cassel im weimar. Jahrb., II. S. 420 ff., bezieht auch noch hierher, dass nach so vielen seit den Zeiten des christlichen Mittelalters aufgekommenen Sagen Diejenigen, welche mit dem Teufel ein Bündniss oder einen Vertrag abschlossen, sich mit einigen Tropfen (gewöhnlich mit drei) des eigenen Blutes verschreiben mussten; der sich Verschreibende gab mit seiner blutigen Unterschrift, mit seinem Blute sein Leben und seine Seele dem Teufel dahin, - er verfiel der Hölle, er wurde gleichsam selbst ein Teufel. Jedoch wird auch im guten Sinne noch heute gesagt: Jemandem sein Gut und Blut verschreiben, Weihen oder geloben. Eltern werden zum Mitleiden und zu Opfern für ihre Kinder durch die Erinnerung aufgefordert, dass dieselben ihr eigenes Fleisch und Blut seien. Selig Cassel und Simrock, Mythol. S. 502, zufolge entstammt derselben Idee von dem Blute als der Seele des Menschen auch die bekannte Ansicht, dass das Blut eines Erschlagenen zu fliessen anfange, wenn der Mörder die Wunde berühre, als wenn die Sage den Ausdruck der Schrift. "die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zum Himmel" wörtlich genommen hätte; 1) in dem Blute lebe noch die, erkennende Kraft Dessen, der gemordet ward; - eigenthümlich sei der Bericht von jenem Schmidt, dem, als er ein Messerheft aus Knochen arbeiten sollte, diese unter der Hand Blut zu schwitzen anfingen, weil es die Gebeine eines Menschen waren, den er erschlagen; so beantworte sich die Volkstradition die Frage des Zusammenhanges von




1) Grimm, Wörterbuch, II. S. 172.



Seele und Körper. So singt man auch von der ermordeten Braut in Schlesien:

Was wuchs aus ihrem Grabe?
Eine Lilie schön weiss und roth
Mit zweien Herzen.
Es konnte sehen Jedermann,
Junggesellen oder Herrn,
Thät sich nicht färben.

Als nun der Geselle kam
Und schaut die Lilie an
Mit zweien Herzen,
Da färbt' sich die weisse roth,
Färbte sich die weisse roth,
Fing an zu bluten. 1)

Auch möchten hierher gehören die sog. Blutkugeln, Freikugeln, welche in der heiligen Nacht gegossen werden und das Blut des Jagdthieres oder des Jägers fordern. 2)

Die äusserste Verkehrung des alten biblischen Satzes, dass das Blut die Seele alles Fleisches sei, worauf bei den Juden das so oft wiederholte Verbot beruht, Blut zu essen, aufzufassen, um den Uebergang des thierischen Charakters und der thierischen Wildheit auf die Blut Geniessenden zu verhindern, ist der uralte, namentlich auch schon bei den Aegyptern (da der Aussatz oder die Elephantiasis eine ursprüngliche ägyptische Krankheit war 3) erscheinende und noch in vielen deutschen Sagen, z. B. bei Rochholz, erhaltene Aberglaube, dass Aussätzige, Kranke und sittliche Schuldige, indem die körperliche Krankheit nur die äussere Wirkung der inneren Schuld ist, durch den Genuss von unschuldigem Blute, durch ein Bad in unschuldigem und reinem Blute die körperliche und sittliche Gesundheit wieder erlangen können. Es ist hierüber vorzüglich nachzulesen, was Selig Cassel im weimarischen Jahrbuche, I. S. 408 ff., über die Heilung des Aussatzes durch Menschenblut zum Armen Heinrich von Hartmann von Aue beigebracht und ausgeführt hat. Bei Rochholz findet sich z. B.




    1) Weimarisehes Jahrbuch, I. S. 81; Grimm, deutsche Rechtsalterthümer, S. 930 ff.
    2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 29.
    3) Uhlemann, ägyptische Alterthumskunde, II. S. 46 und 260.



eine Sage, dass einem Unholden das Blut von zwölf Jungfrauen Gesundheit und Erlösung bringin solle; schon hat er eilf Jungfrauen getödtet und ihre Leichname im Walde aufgehangen, aber, als er die letzte und zwölfte rauben will, naht die Stunde der Strafe. Auch gehört ganz in diesen Sagenkreis die alte jüdische Sage, dass Noah der Erfinder des Weinstocks, den Wein, welchen er bitter fand, mit dem Blute von vier Thieren, eines Löwen, Lammes, Schweines und Affen vermischt habe, woraus denn natürlich ist, dass die Menschen, welche ihn bis zum Rausche geniessen, leicht die Naturen dieser Thiere annahmen. Das Blut des unschuldigen Lammes reinigt aber in dem alten und neuen Testamente vorzüglich von der Schuld und Sünde. So wurde auch im Mittelalter der Pelican, welcher solche Liebe zu seinen Jungen trägt, dass er sich selbst die Brust aufreisst und mit seinem Blute seine Jungen nährt, zu einem Symbol Cbristi, der mit seinem Blute die Welt ernährt und zugleich heilt. 1) So ist auch Christus auf einem sehr alten Holzbilde dargestellt, welches ehemals den Erfurter Rathsaal schmückte. Im heiligen Graal wird das Blut eines Mädchens verlangt, das Tochter eines Königs und einer Königin sei. 2) Das Blut Hingerichteter wurde früher mit Gier aufgefangen und genossen, weil man es zur Heilung nützlich hielt; 3) bis zum J. 1848 hat sich dieser Aberglaube in einzelnen Beispielen erhalten. Das Blut der Hingerichteten wurde für heilkräftig gehalten, weil sie durch den erlittenen Straftod gesühnt und gereinigt worden waren, ihr Blut also dem Blute eines unschuldigen Kindes sich gleichstellte.

Dem deutschen Worte Blut liegt bekanntlich die Wurzel blühen zu Grunde und das Blut berührt sich mit der Blume, 4) weshalb wir mit Hinsicht auf die alte Bluttheilung der Freunde sagen dürfen, dass die treuen Freunde, die Blutsfreunde gleich den Blumen in Liebe und Freude erblühen sollen; die Freundschaft sei ein reiches Blumen-




    1) Weimarisches Jahrbuch, I. S. 439.
    2) Vergl. Grimm, der arme Heinrich, Berlin 1815, S. 187 ff.
    3) Weimarisches Jahrbuch, 1. S. 441.
    4) Vergl. Grimm, Wörterbuch unter Blut.



und Blüthenleben, das niemals welken möge. Die Freundschaft ist das reinste und geistigste Gefühl, daher auch Gott selbst vielfach als der Freund der Menschen bezeichnet wird; so Mithra bei den Baktrern, Indra bei den Indern und Asklepios bei den Griechen. Als die Heiden den Asklepios als einen Heiler und Heiland Christus entgegenzusetzen versuchten, nannten sie den Asklepios auch den Menschenfreund ( 1) und machten ihn zu einem Solne des Zeus statt des Apollo. Ein altes deutsches Sprichwort sagt:

Lieber todt als freundelos. 2)

Oder:

Tod ist besser als leben ohne Freunde.

Ferner:

Alte Freund und alte Schwert,
Sind in der Noth ihres Geldes werth.

Schiller sang:

Wem der grosse Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja - wer auch nur Eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Nach Grimm, Rechtsalterthümer, S. 192, liessen bei der Eingebung der Brüderschaft beide Freunde ihr Blut in eine Grube (spor) zusammenrinnen, dass es sich mit der Erde vermischte. Das hiess blanda bôdi saman oder bôdi î spor renna. S. 118 beschreibt Grimm dies näher dahin: "In Scandinavien wurde aber nicht sowohl auf die Erde, als unter der Erde geschworen. Das Stück Erde hiess torfa oder iardar men (Erdstreife von men, ahd. mani, monile, lingula); schwörende Bundesbrüder schnitten einen langen Streif grasbewachsener Erde auf, doch so, daas er an beiden Enden am Grunde hängen blieb. In




    1) Weimar. Jahrbuch, I. S. 433.
 "  2) Verg.Hoffmann von Fallersleben; die ältesten deutschen Sprichwörtersammlungen im weimarischen Jahrbuch, II. S. 173 ff.



der Mitte wurde durch einen untergestellten Spiess der Wasen in die Höhe gehoben. Unter diesen Wasen traten sie, jeder stach oder schnitt sich in die Fusssohlen oder inwendige Hand, das herausfliessende und zusammenlaufende Blut mischte sich mit der Erde. Dann fielen sie zu Knie und riefen die Götter an, dass sie einer des andern Tod, wie Brüder, rächen wollten. Die feierliche Handlung hiess: unter den Rasen gehen (gânga undir iardar men) oder Rasen schneiden (iardar men skerda), war aber auch noch für andere Gelegenheiten gebräuchlich." - Es war hibernische Sitte: cum Hiberni foedera jungunt, sanguinem sponte ad hoc fusum uterque alterius bibit; ebenso eine armenisch-iberische nach Tatitus ann. 12, 47 u. s. w. Auch die Komanen liessen bei ihren Bündnissen Blut aus den Adern in einen Becher rinnen und tranken es gegenseitig. Bei den Bewohnern der schottischen Inseln kommt ein blosses Eintauchen der Hände in Blut vor. Auch erwähnt Grimm hierbei noch des altnordischen Symbols, beim Friedensschluss nicht das Blut, sondern den Speichel zu mischen. Wenn bei den Griechen der feierliche, bindende Eid an geweihter Stätte vor dem Altare oder dem Götterbilde vollzogen wurde, indem der Schwörende diese berührte oder die Hand in das Blut des Opferthiers eintauchte,1) so lag bei dem letztern Gebrauche der Gedanke zu Grunde, dass das Blut des etwaigen Meineidigen vergossen werden solle, gleichwie jetzt das Blut des Opferthieres vergossen worden sei. In einem ähnlichen Sinne wurde auch bei dem Beschwören von Bündnissen das Opferthier bei den Römern erschlagen oder gar zerschnitten und dabei der künftige Bundbrüchige mit der Formel verflucht, dass, wie der Schwörende jetzt das Opferschwein erschlagen, so möge Jupiter den Bundbrilchigen erschlagen. 2) Ebenso ist mit dem uralten heiligsten römischen Eidschwur beim Jupiter Stein, beim Steine und Blitze schleudernden Jupiter ursprünglich der Fluch verbunden zu denken, dass den Meineidigen Jupiter mit dem Steine oder Blitze erschlagen möge, gerade wie im




    1) Guhl und Koner, a. a. O., S. 312.
    2) Lasaulx, Studien, S. 216.



Volksleben noch mit dem Fluche geschworen wird, dass den Meineidigen der Teufel holen solle. Bei den Römern wurde dieser Eid vor dem Kriegsspeere, dem Bilde des Jupiter geschworen, indem der stehende Schwörende einen Stein in der Rechten hielt, und nachdem er damit das Opferthier niedergeschlagen, die Worte sprach: wenn ich wissentlich betrüge, so möge der Lichtvater, wohlbewahrend Burg und Stadt, mich von Haus und Hof auswerfen, wie ich diesen Stein. 1) - Auch bei den Juden wurde in der Weise der Bund beschworen, dass ein Opferthier in Stücke zerschnitten wurde und dann die Schwörenden zwischen den Stücken hindurchgingen mit dem Gelöbnisse und in dem Sinne, dass es den Eidbrüchigen ergehen solle, wie es dem Opferthiere ergangen sei. So heisst es bei Jeremia 34, 18: "Und die Männer, die meinen Bund übertreten, die nicht gehalten haben die Worte des Bundes, den sie vor mir geschlossen, will ich dem Kalbe gleich machen, welches sie entzwei geschnitten und zwischen dessen Stücken sie hindurchgingen: die Obersten von Juda und die Obersten von Jerusalem, die Kämmerer und die Priester und alles Volk des Landes, die hindurchgegangen zwischen den Stücken des Kalbes, die will ich geben in die Hand ihrer Feinde und in die Hand Derer, die ihnen nach dem Leben trachten, dass ihre Leichname ein Frass seien für die Vögel des Himmels und die Thiere der Erde." Derselbe Gebrauch wird schon in der Genesis 15, 10 und 17 erwähnt und dort von Abraham geübt, ist somit ein uralter und aus dem Stammsitze hergebrachter.

Mit der Sitte, den Bundes- und Freundschaftsbund und den Schwur mit dem Blute als dem Sitze der Seele und der Gefühle zu besiegeln, hängt es auch zusammen, bei seinem eigenen Blute oder auch beim Blute Gottes und des Heilandes zu betheuren, zu schwören und selbst zu fluchen. 2) Ebenso gehören hierher die Redensarten: Jemanden mit warmem Blute oder wie sein eigenes Blut lieben, - für Etwas Gut und Blut einsetzen, mit Gut und




    1) Lasaulx. Studien, S. 215, oben; Preller, röm. Mythologie, S. 220 ff.
    2) Sanders, Wörterbuch der deutschen Sprache, unter Blut.



Blut für Etwas stehen, den letzten Blutstropfen für Jemanden verspritzen, - mit treuem Blute anhängen. Mit dem Blute vererben sich die edlen Gesinnungen und die Geistesgaben, so dass die Reinheit und das Alter des Blutes der Prüfstein und der Massstab des Adels ist. Man sagt daher, von edlem Blute, vom Fürstenblute, vom Götterblute entsprossen und abstammend; selbst auf die Thiere, besonders auf die Pferde, wird dieses übertragen und die Araber erzählen die Stammbäume ihrer Pferde sorgfältiger und genauer als fast ihre eigenen. Schwab ruft:

"Ganz der Alte, das treue Heldenblut."

Ebenso wird das Bild von den Weinen gebraucht: Bringt mir Blut der edlen Reben, - der Traube süsses Sonnenblut, - des rothen Asmannhäusers Blut, - goldenes Muskatellerblut, - in der Traube goldenem Blut. Blutige Thränen sind die Thränen des bittersten Wehes und Schmerzes.

Mit dem Gedanken der Reinheit des Blutes steht die merkwürdige Bestimmung des öffentlichen Erbrechts vieler Staaten Mittelafrikas in Verbindung, dass die Regierung, der Thron nicht auf die Söhne des Herrschers selbst, sondern auf den ältesten Sohn seiner ältesten Schwester vererbt wird und dieser sonach als der Kronprinz gilt, weil man glaubt, dass das fürstliche Blut sich noch eher und gewisser bei den Söhnen der Schwester, als bei den eigenen Söhnen des Herrschers finde, welche leicht von einem Fremden bei der Unzuverlässigkeit der Frauen erzeugt sein können. 1)

Bei den Griechen waren die bis zum Tode getreuen und unzertrennlichen Dioskuren die Beschützer der Heldenbrüderschaft, der Bruderliebe und Freundestreue, 2) und insbesondere wurden ihnen die Göttergastmahle, die religiösen Freundes- und Liebesmahle, Theoxenien, gefeiert, welche Theoxenien an die germanischen Gilden oder Opfermahle erinnern. Das spartanische Symbol der Zusammen-




    1) Barth, a. a. O., I. S. 374.
    2) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 421 ff.



gehörigkeit und Unzertrennlichkeit der Zwillinge, nämlich zwei parallele, durch zwei querlaufende Hölzer verbundene Balken ( 1), ist schon berührt worden. 2) Die Göttermahle wurden innerhalb des Tempelperibolos begangen. 3) Die Mythe der beiden unzertrennlichen Brüder und Freunde ist darin sehr sinnreich und tiefsinnig, dass sie in dem unsterblichen Polydeukes die Bruderliebe und Freundschaft in das Geisterreich, in die Unsterblichkeit hinüberreichen lässt; der gleiche Gedanke wird auch durch das schwarze und weisse Ross, durch den abwärts und aufwärts gerichteten Kopf der Dioskuren u. s. w. ausgedrückt. Die Bruderliebe, die treue Freundschaft sind zugleich das St. Elmsfeuer, die beiden Sterne, welche rettend das sturmgepeitschte Schiff durch die schwersten Stürme hindurchgeleiten; 4) in der Sturmesgefahr, wo alle Hülfe und Rettung unmöglich erscheint, dauert die Bruderliebe und treue Freundschaft leuchtend fort und klammert an Mast und Segel sich an. Möge der Sturmbedrohte niemals vergeblich zu den Dioskuren, zu den Brüdern und Freunden um Hülfe und Rettung flehen!

Dem spartanischen Einigkeitssymbol schliesst sich au das Symbol der Einheit des Mannes und des Weibes in dem ehelichen Bunde bei den Indern. Ein Mannweib als Symbol des vereinigten oder zu vereinigenden Mannes und Weibes steht in dem vierbauchigen Weltbecken, aus welchem zwei Wasserstrahlen herabströmen und zwei Feuerflammen emporlodern, das also das männliche zeugende Feuer und das weibliche empfangende Wasser vereinigt enthält.5) Müller, S. 600, will die vier Bäuche des Weltbeckens auf die vier Weltgegenden beziehen, jedoch dürften dieselben eher auf die vier Elemente zu beziehen sein, aus welchen der Mensch geschaffen ist und unter welchen hier das Feuer und das Wasser besonders hervorgehoben werden. Das Weltbecken ist vorn mit einem Stier-




    1) Welker, a. a. O., II. S. 420.
    2 ) Oben I. S. 114.
    3) Guhl und Koner, a. a. O., S. 49.
    4) Vergl. Welker II. S. 429 ff.
    5) Müller, Taf. IV, Fig, 32.



kopfphallus bezeichnet, wobei vielleicht der Stier zugleich auf das Element der Erde hinweiset, in welchem das Feuer zeugend und das Wasser empfangend wirken; die Wolken, in welchen Maja über dem Mannweibe mit dem auf dasselbe herabgesenkten Schleier der Täuschung schwebt, könnte alsdann auf die Luft bezogen werden. Das Mannweib hat einen männlichen und einen weiblichen Kopf und vier Arme, von welchen zwei zum Gebete gefaltet und zwei den Verlobungs- und Verbindungsring um die beiden Köpfe auf dem einen Körper halten. Auf diese Weise stellt sich die Ehe dar als der innigste Bund, als die Einheit des Mannes und des Weibes, im physischen Sinne zur Zeugung und Fortpflanzung, im ethischen Sinne zur Verehrung Gottes; erst im Ethischen und Geistigen, nach Oben spaltet sich das Mannweib in Mann und Weib, welche beide gespaltene Wesen und Geister sich aber durch den freien Willen und die freie Zuneigung, durch den selbst gehaltenen Ring wieder zur Einheit verbinden. Nicht der Ring verbindet, sondern die liebenden Herzen der Menschen müssen zu einem unsichtbaren Ringe zusammenschmelzen. Auf den lnseln des Südmeeres ist es nach Forster, Geschichte der Seereisen, B. IV, eine ganz allgemeine Sitte, dass zwischen zwei Personen zum Zeichen des abgeschlossenen Preundschaftsbundes die Namen gegenseitig ausgetauscht und bleibend getragen werden (vergl. z. B. a. a. O., S. 316). Dieser Namenstausch kommt vollkommen mit dem Austausche und der Verbindung des Bluts überein.