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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d II. - Kapitel LII



Die Hirammythe im engern und eigentlichen Sinne ist die Personification, die personificirte Geschichte, die Mythe des Sonnenlebens von der Herbstnachtgleiche an, mit welcher die Sonne in den dreitägigen oder dreimonatlichen Schlaf und Tod des Winters versinkt, bis zur Wintersonnenwende, in welcher die Sonne aus ihrem Grabe neu geboren, wiedergeboren wird. Die Hirammythe ist die Mythe von dem Tode und der Wiedergeburt des Sonnengottes Hiram und hat ursprünglich blos eine astronomische, eine zodiakale Bedeutung, kann daher nur in den schon späteren Zeiten der Menschheit und der Menschengeschichte, bei einem Volke entstanden sein, welches die Astronomie und den Thierkreis, die Beobachtung und die Kenntniss des Sternenhimmels, das blaue Himmelszelt gefunden hatte und besass. Die Hirammythe ist die Vollendung und der





höhere wissenschaftliche Abschluss der Mythe von dem in allmächtigen Baumeister der Welt, - ist die Mythe von dem Weltleben des Weltenschöpfers, von dem Bauen des Baumeisters, indem sie das niemals endende und ewig sich erneuernde, das unsterbliche Leben und Bauen des Schöpfers und der Schöpfung in der unwandelbaren Bahn der Sterne vorgezeichnet und geschrieben erkannte. Das Volk, welches zuerst in den Sternen las und mass, hatte die Ewigkeit des Schöpfers und die Unsterblichkeit der Schöpfung, besonders aber des Menschengeistes, - das bisdahin verborgene höchste Mysterium gefunden. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und die Stiftung der Mysterien als eines religiösen Dienstes, in welchem jene Lehre vorgetragen und vorgestellt wurde, muss an die Sternkunde angeknüpft werden und ist deren schönste und reichste, Tochter, - ist die astronomische, astrale und zodiakale Mythologie, d. h. der höhere Gottesglaube, welchen man aus den Sternen schöpfte und auf sie gründete. In dem religiösen oder mythologischen Leben der einzelnen Völker des Alterthums, besonders der uns am nächsten liegenden und berührenden Römer, Griechen und Aegypter, sind die Mysterien, der Mysteriendienst die höchste und zugleich letzte Entwickelungsstufe, welche die heidnischen Völker nicht zu überschreiten vermögen, auf der sie untergeben und woraus und worüber das neue christliche Leben hervorgeht, indem es den unsterblichen Menschen den Einen Gott und die Eine Menschheit, den Gottmenschen Christus verkündet und bringt. Die alten Mysterien standen nicht ausserhalb der Volksreligion, sondern bildeten den innersten Mittelpunkt und die Spitze derselben, indem sie das höchste und tröstlichste Geheimniss, Symbol dieser Religion bewahrten, pflegten und allen aus dem Volke dafür Empfänglichen und dazu Geeigneten mittheilten. Bei den Aegyptern und Griechen wenigstens, nicht so bei den Römern, bildeten die Mysterien die eigentliche Staatskirche, waren förmliche Staatseinrichtungen und lehrten unter dem Schutze des Staates dessen höhern Glauben und Wissen; jedoch hatten schon die Griechen das ungetheilte ägyptiche Priestermysterium gelöst, und getheilt und in die eigentlichen religiösen Mygterien und die freien Künste





und Wissenschaften auseinander gelegt, wodurch an die Stelle der Alles wissenden und thuenden Staatspriester die Dichter, Philosophen, Künstler, Geschichtschreiber, Astronomen, Mathematiker, Aerzte, Naturforscher u. s. f. des Volkes traten und die schönere menschliche Kunst und Wissenschaft, das Menschen- und Volksleben emporblühte. Im Verhältniss zu den Griechen haben in gewissem beschränkten Sinne die Römer keine Mysterien, keine Kunst und keine Wissenschaft, nur das blutige Schwert und das kalte Recht, den geregelten und grundsätzlich betriebenen Krieg (Process) nach Aussen und im Innern. Die Germanen aber sind über die Griechen hinausgegangen und haben an der Schwelle der freien und allgemeinen christlichen Kirche die religiösen Mysterienanstalten zertrümmert und abgelegt; Eine Menschheit mit Einer Kirche und Einem Staate ist das ideale germanische Lebensziel.

Der maurerischen Meisterweihe liegt die Darstellung des letzten Viertheils der scheinbaren Sonnenbahn, des sterbenden und wiedererstehenden Sonnengottes zu Grunde und der neu aufzunehmende Meister ist der Darsteller, gleichsam ein astronomisches Symbol. Der neu aufzunehmende Meister soll ein Bild der Sonne in der Herbsttag- und Nachtgleiche und in der Wintersonnenwende sein und diesem Grundbild entsprechend sind die Gebräuche der Meisteraufnahme gestaltet und auch zu deuten:

1. Das Einführen des zum Meister zu befördernden, zu erhebenden Gesellen in die schwarz behangene und dunkle Meisterloge geschieht in Frankreich und nach dem rectifieirten schottischen Systeme rückwärts, um das Zurückweichen der Sonne, um ihr Versinken in das dunkele Wintergrab zu bezeichnen. 1) Wird dem rückwärts aufgestellten Gesellen unmittelbar nach seiner Ankunft in der Loge die weisse oder lichte Sehürze abgerissen, soll auch dieses nur andeuten, dass jetzt in der Herbsttag- und Nachtgleiche die Sonne ihre erleuchtende und erwärmende Kraft ganz verliere. Auf den sterbenden Sonnengott




    1) Clavel, histoire pittoresque de la Francmaçonnerie, avec 25 gravures représentant les réceptions et cérémonies maçonniques decrites dans le texte, Paris 1843; Berchtold-Beaupré, Isis ou L'initiatioin maçonnique, Fribourg en Suisse 1859, S. 34.



Osiris-Hiram wies auch hin der ihm geheiligte schwarze Stier Mnevis, welcher ein besonderes Tempelgemach zu Heliopolis hatte. 1) Osiris selbst als in der Unterwelt befindlich, als Gott der Unterwelt wurde bei den Aegyptern mit schwarzen Farben angemalt 2) und dem schwarzen Osiris soll der schwarz gekleidete Geselle gleichen, er soll ein vollkommenes Bild des Todes und seine Wohnung das dunkle und stumme Grab sein. Auch die deutsche Hel, die schwarze Greet, erscheint in schwarzem Kleide auf weissem Ross. 3) Ebenso werden Çiwa, seine Gattin Kali und Jama schwarz dargestellt als Todesmächte. Ehe die Sonne bei der Herbsttag- und Nachtgleiclie ankommt und diese überschreitet, legt sie drei Mal drei Schritte durch die drei ersten Quadranten des Thierkreises zurück und deshalb wandert auch deren Symbol, der neu aufzunehmende Meister in drei Mal drei Schritten über den Sarg, über den Aequator in das letzte Viertheil der Sonnenbahn. 4) Diese drei Schritte erinnern zugleich an die oben berührten drei Freudensprünge der Sonne am Ostermorgen oder am Auffahrtstage, 5) oder nach dem Volksglauben in Westphalen an der Pfingsten. 6) In Niedersachsen hat sich jetzt der diesfällige Volksglauben dahin umgestaltet, dass, wenn man am ersten Ostertage durch ein schwarzes seidenes Tuch gegen die Sonne sehe, man in ihr das Osterlamm tanzend erblicke. 7) Die neun letzten Aehren, welche nach beendigtem Kornschnitt auf dem Acker stehen bleiben, heissen im Kanton Aargau das Glückskorn; 8) auch die neun Schritte des Meisters sind seine letzten und sollen insofern seine glücklichen sein, als sie ihn durch seine eigenen Saaten und Früchte in das ewige Licht und Leben führen. Neun Tage lang sendet zufolge Homer II. 1. 53 Apollo auf die Bitte seines




    1) Uhlemann, ägypt. Alterthumsk., II. S. 169.
    2) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 8; oben I. S. 526, Anm. 5.
    3) Wolf, Beitr. I. S. 203.
    4) Berchtold, S. 36 und Clavel.
    5) Oben I. S. 481.
    6) Wolf, Zeitschr. I. S. 392, Anm. *.
    7) Wolf, a. a. O., I. S. 80.
    8) Wolf, I. S. 139 Anm.



Priesters Chryses Tod und Verderben auf die Achäer herab und 12 Jünglinge der Troer tödtet später Achilleus zum Sühnopfer für Patroklos, wie er auch 12 Tage lang den Leichnam des Hektor misshandelt und zu dessen Bestattung eine 12tägige Waffenruhe bewilligt. Neun Tage hindurch sammeln die Troer Holz für Hektors Scheiterhaufen. Neunfach umströmte nach der gewöhnlichen Vorstellung der Styx die Unterwelt 1) und hier richten die drei Todtenrichter Minos (der indische Manus und parsische Jima) Rhadamanthys (der indische Jama) und Aeakos. 2) Jedoch erscheinen in der Unterwelt auch 12 Herrscher, wenn die 12 Unterkönige der Phäaken (nach Hartung der Lichtelben gleichsam oder Hellen), mit welchen wieder die 12 Söhne und 12 Töchter des Aeolos vezwandt sind, als solche betrachtet werden wollen und können. Diese seelengeleitenden Pliäaken, die Winde, welche die luftigen oder ätherischen Seelen der Verstorbenen zunächst aufnehmen und zu ihrem weitern Aufenthaltsorte forttragen, wohnen in der Nähe des seelenrichtenden "blonden" Rhadamanthys, der Unterwelt, des Elysiums. 3) Den griechischen erklärt Hartung, S. 7, als identisch mit dem indischen Jama und dem parsischen Jima, Dschem-schid, d. h. für einen Gott der Unterwelt, womit auch Müller, Myth., II. S. 124 ff., übereinkommt. In einer Eifelsage 4) trägt der Schimmelreiter, Odhin oder Wuotan als Todtengott, einen dreieckigen Hut und wird 12' hoch; der heilige Christophorus, eine Gestalt Donars, ist wenigstens 12 Ellen hoch. 5) Vielleicht darf auch hierher gestellt werden, dass auf Starkenburg an der Bergstrasse in der Burgkapelle die 12 Bilder der Apostel aus reinem Silber begraben liegen;




    1) D. Müller, Mythol, der griechischen Stämme, II. S. 49 ff.; Preller, griech. Mythol., I. S. 29.
    2) Preller, II. S. 515; Windischmann, Ursagen der arischen Völker, S. 11. Von Renand ist Rhadamanthys als König des Amentes gedeutet worden und der Name wäre sonach ägyptischen Ursprungs.
    3) Vergl. Hartung, über die Dämonen, Schleusingen 1861, S. 16 und 17.
    4) Wolf, Zeitschr., I. S. 317.
    5) Wolf, Beiträge,I, S. 98, Anm. 1.



ebenso liegen auf dem Heiligenberg bei Heidelberg unter den Klostertrümmern und in einem unterirdischen Gange zu Friedberg 12 Apostelbilder. 1) - In Perigord werden am Allerseelentage neunerlei Speisen für die Seelen der Verstorbenen, welche zum Besuche erwartet werden, auf den Tisch gesetzt. In der Perchtnacht werden auch für die Bergmännchen, die gleichfalls Seelen der Verstorbenen sind, Tische mit Speisen gedeckt und dazu neun Messer aufgelegt. 2) Das Aufstellen der Speisen für die Geister der Verstorbenen erscheint bei den Indern als ein den Vorfahren dargebrachtes Opfer, Vighasa genannt, und entsprang dem arischen Glauben, dass das himmlische Leben nur eine schönere und reichere Fortsetzung und Wiederholung des irdischen sei; nach diesem Glauben wurde der Verstorbene schon bei seiner Beerdigung oder Verbrennung von den Indern, Kelten, Germanen u. s. w. und noch mehr seine künftige bleibende Wohnung ausgestattet. Es ist dieser Glaube an sich nicht ganz verwerflich, indem der Anfang dort an das hier, d. h. an das hier abgeschiedene moralische und geistige Wesen anknüpfen muss, wie es auch in der Traumwelt geschieht. - In einer chinesischen und deutschen Sage erscheinen neun Quellen der Unterwelt und Liebrecht fragt, 3) ob vielleicht auch ursprünglich die neun Quellen bei Athen, die früher Kalirrhoe und später Enneakrunos hiessen, unterweltliche gewesen seien? Eine Alp im Kanton Basellandschaft wird der Neunbrunnen genannt. Ein Neunkirchen, eine Neunkirche im Elsass hat daher seinen Namen und seine Entstehung, dass zu der Stelle, auf welcher die Kirche nachher erbauet wurde, ein fortgebrachtes Muttergottesbild neun Mal durch sich selbst zurückkehrte und dadurch zu erkennen gab, dass es auf dieser Stelle verehrt sein wolle. Die höchste Stelle des Kaiserstuhls im Badischen heisst Neunlinden, denn neun Töchter eines Ritters, welche wider das Verbot des Vaters die Bergspitze bestiegen hatten, wurden hier in neun Linden verwandelt. 4) Ein Bach im




    1) Wolf, hessische Sagen, Nro. 189 und S. 205.
    2) Mannhardt, germanische Mythen, S. 725, Anm. 4.
    3) Bei Benfey, Orient und Occident, I. S. 136.
    4) Schnetzler, badisches Sagenbuch, I. S. 76.



Münsterthal heisst Neunmagen. Ebenso möchten die neun Kegel, welches Spiel mit goldenen Kegeln und Kugeln die Götter im goldenen Himmel spielen, mythisch sein. 1) Der Sage der Ceylonesen gemäss ist Buddha von dem Pik Adam oder Salmala auf Ceylon nach 990 Seelenwanderungen zum Himmel aufgestiegen. 2) Die letztere Anzahl ist eine vermehrende blosse Umgestaltung der Neunzahl, wie sie so häufig begegnet und auch schon hier gelegentlich berührt wurde. Im Rig-V. I. 54, 6 zerstört Indra 99 Wolkenburgen und Rig-V. I. 53, 9 zermalmet er mit seinem schweren Wagenrade 20 feindliche Könige und ihre 60,099 Mann. Die Muhammedaner nehmen 99 Eigenschaften Gottes an, welche in arabischer Sprache besonders den Talismanen (Edelsteinen oder Metallplättchen) aufgeschrieben werden. 3) In Tyrol herrscht der Aberglaube, dass, wenn man sich in der Christnacht auf eine Bank von neunerlei Holz vor die Kirchthüre setze, man alle Hexen kenne, die ein- und ausgehen. 4 ) Nach dem Aberglauben in Franken kann man in der Christnacht den künftigen Bräutigam erschauen und man stellt alsdann neunerlei Essen auf den Tisch oder man schneidet neunerlei Holz und macht daraus ein Feuer. Neunerlei Gerichte werden auch zu Stendal am Neujahrstage gegessen und in Coburg bei der Bräutigamssehau. 5) Diese Neunzahlen scheinen auf den Sonnengott Frô Bezug zu haben. 6) - Ein Bauer, welcher die wilde Jagd einer Göttin gehöhnt hatte, fand nach einer Sage der Normandie am andern Morgen einen halben Menschenleib an seiner Thür aufgehängt, der fortgetragen stets wiederkehrte; erst am neunten Tage holte die Jägerin das Fleisch ab. 7) Die christliche Anschauung nimmt neun Chöre der Engel an und Wolf glaubt, es seien wohl neun Chöre der Licht-




    1) Wolf, Beitr. II. S. 118.
    2) Paulin, voyage aux Indes orientales, II. S. 492.
    3) Benfey, Orient und Occident, I. S. 315.
    4) Wolf, Zeitschr., I. S. 236.
    5) Wolf, Beiträge, I. S. 123; oben I. S. 120.
    6) Wolf, a. a. O. I. S. 127.
    7) Wolf, a. a. O., II. S. 166.



elben gewesen. 1) Nach einer Sage aus Pyrmont verspricht ein Graf einer wunderschönen Frau, einer Elbin, neun Tage mit ihr im Wasser zu wohnen und nur am zehnten auf die Erde heraufzukommen. 2) Es ist dieses eine Umbildung der Mythe von Njördr und Skadi, welche, abwechselnd neun Nächte auf den waldigen Höhen in Thrymheim und drei in Noatun, im Meere verbringen. In der schottischen Ballade wird jung Tamlan von der schönen Elbin mit in ihr Reich gezogen und erst im neunten Jahr reitet er zu seinem Oheim. 3) - Ein Knecht in Tyrol, welcher eine melkende Elbin mit seinem Bergstoek erschlug, wurde wahnsinnig; am folgenden Abend hörte er eine Stimme, die rief: "Alle neun Reiche auf! Elbe (?) ist todt!" Da stürzte er sich in den See. 4) - Vermuthlich hatte es auch einen religiösen oder symbolischen Grund, dass nach der dem König Numa zugeschriebenen Einführung und Eintheilung der römischen Zünfte neun Zünfte waren. 5)

An die Gebräuche der maurerischen Meisteraufnahme schliessen sich aus den heidnischen Zeiten noch erhaltene deutsche Volksgebräuche erläuternd an. Die Sonne kehrt sich nicht erst in der Herbsttag- und Nachtgleiche um, sondern hat sich schon in der Sommersonnenwende, am Johannistage gewendet, umgekehrt. In dem oberharzischen Bergdorfe Lerbach werden zu Johanni von den Kindern kleine Tannenbäume ausgeschmückt; diese drehen sie von der Linken zur Rechten (wie die Sonne geht) und singen dazu: "Die Jungfer (die Sonne) hat sich umgedreht." Aehnliche Umdrehungslieder, verbunden mit entsprechenden Kinderspielen, werden in andern Gegenden des Harzes gesungen, 6) wie die Sonnenwenden, besonders auch die heilige Julzeit, 7) nur von dem Umwenden




    1) Wolf, Il. S. 231.
    2) Wolf, II. S. 234.
    3) Wolf, II. S. 258.
    4) Wolf, II. S. 280.
    5) Vergl. H. Göll, Handwerker, Fabrikanten und Zünfte bei den Griechen und Römern, in Nro. 34 und 35 des Auslandes für 1861.
    6) Wolf, Zeitschr. für deutsche Mythologie, I. S. 81.
    7) Oben I. S. 193.



oder Umkehren den Namen führen. Ebenso wird am Tage der Sommersonnenwende häufig gesungen, dass die Sonne über den Rain, d. i. über die Grenze, über die Grenzscheide fliegen solle, um fortan wieder abwärts zu steigen. 1) Dieser Rain ist in der Hirammythe zu dem zu überschreitenden Sarge geworden. Auch möchte hierher bezogen werden, dass bei Wolf, hessische Sagen Nro. 42, das weisse Frauchen, in Gestalt einer Schlange mit einem Schlüsselbunde im Maule, klagt, sie könne jetzt nicht eher erlöst werden, bis das kleine Eichbäumchen am Niedernberg beim Rodenstein so gross geworden sei, dass ein Sarg (in vielen andern ähnlichen Sagen ist es eine Wiege) daraus gemacht werden könne. Im Scharfenstein in Hessen schläft eine schöne Jungfrau, welche nur nach sieben Jahren erwacht und das Grab des Felsens verlässt; dann niesst sie sieben Mal und wer ihr sieben Mal ein Gotthelf zuruft, wird sie erlösen. 2)

2. Drei Mal wird ausgesendet, um das Grab und den Leichnam des Hiram aufzusuchen, und das dritte Mal erst werden sie wirklich aufgefunden, weil die drei Monate des Winters von der Herbsttag- und Nachtgleiche bis zur Wintersonnenwende abgelaufen sein müssen, bevor das Grab sich zu öffnen und Hiram daraus hervorzugehen vermag. Drei Mal drei Meister, die neun verlassenen Lebensmonate, die neun Thränen weinende Mutter Erde suchen den verschwundenen und vermissten Hiram. Mit der Lebenszahl Fünf, durch die sog. fünf eigentlichen Punkte 3) wird Hiram von dem Meister zum neuen Leben geweckt. Nach einer andern und ursprünglicheren, noch nicht astronomischen Anschauung und Betrachtung wurde nämlich das 12monatliche Monds- oder Sonnenjahr blos eingetheilt in den siebenmonatlichen Winter und in den fünfmonatlichen Sommer, so dass allein die Ankunft des Sommers, das sommerliche Erfassen der erstarrten Wintererde diese neu beleben, - den allerfreuenden und erlösenden Licht- und Sonnengott aus dem kalten Norden, dem Lande der




    1) Oben I. S. 267.
    2) Wolf, hessische Sagen, Nro. 151.
    3) Krause, I. 2. S. 43 und 409 ff.; oben S. 391.



Hyperboreer, nach dem warmen Süden zurüekbringen konnte. Einzig sinnig gefasst, erscheint dieser Gedanke bei Wolf, hessische Sagen, Leipzig 1853, Nro. 2: "Die Höhle im Altkönig." Eine Frau gelangte mit ihrem Töchterchen auf dem Altkönig in eine vorher nie gesehene Höhle, worin sieben greise Männer 1) mit langen Bärten um einen Tisch sassen und die ganz voll Gold und Silber war. Die Frau füllte ihren Korb mit den Schätzen, vergisst aber beim Fortgehen ihr Kind mitzunehmen und dieses wird in den Berg eingeschlossen. Da auch die Frau in dem Korbe das Kraut nicht beachtet hatte, womit die Höhle hätte geöffnet werden können (der Blitz, die Springwurzel), muss das Kind sieben Jahre im Berg bleiben; da findet es die Mutter oben schlafend, noch eben so jung, frisch und blühend. - Die Astronomen in Folge der 4- und 12getheilten Sonnenbahn verkürzten das alte volksthümliche Winteralter um vier Monate, welche sie dem Sommer, dem Sonnenleben beifügten, - oder vielmehr anstatt blos zwei Jahreszeiten führten sie vier derselben ein. Auf diese Weise durchdringen sich in der Hirammythe, wie in den ähnlichen Mythen, die blosse Natur- und Volksanschauung und die astronomische Auffassung, und es treten zwei Zahlenreihen, 12, 7 und 5 als die älteren und natürlichen, und 12, 9, 3 und 4 als die jüngeren und astronomischen Zahlen des Jahres, neben einander, welche genau auseinander gehalten werden müssen, um nicht zu falschen Deutungen und Schlüssen verleitet zu werden. Nur in der zu theilenden Zwölfzahl stimmen beide Reihen zusammen, denn 12 Monate zählt das Monds- wie das dieses verbessernde und verdrängende Sonnenjahr von 360 und bald 365 Tagen; 12 Monate, 12 die Monate leitende Götter gehören somit der älte-




    1) Auch in der Burg Gottschee sieht ein Jäger sieben Greise, mit kahlen Häuptern, welche Siebenzahl der Götter Wolf, Beiträge, II. S. 70, für jünger hält als die Drei- und Zwölfzahl, denn der Götter seien 12 gewesen. Die sitzenden Männer haben oft ein Buch oder etwas Aehnliches vor sich, was Wolf auf das Buch des Schicksals oder des Gerichtes deutet. Das Buch wird übrigens auch bei bildlichen Darstellungen einer oder zweien der Nornen in die Hand gegeben, worüber Wolf, Beiträge, II. S. 171, zu vergleichen ist.



sten, noch ungetheilten Menschheit an, - tragen gleichsam als 12 Säulen oder Tragebalken das Jahr am Himmel und auf der Erde, - den Himmel und die Erde. Nach dem arabischen Massoudi, welcher sein Werk über die Universalgeschichte im zehnten Jahrhundert verfasste, wurde unter der Regierung Brahma's, des ersten mythischen Königs, ein Tempel mit 12 Thürmen gebaut, welche die 12 Zeichen des Thierkreises vorstellten, und in welchen alle Sterne eben so verzeichnet waren. 1) Die Oelbäume in der Ebene des Flusses Cephissus bei Athen, welche so heilig und unverletzlich waren, dass die absichtliche Entwurzelung eines derselben mit dem Tode bedroht war, sollten nach der Sage durch 12 Absenker vom heiligen Oelbaume der göttlichen Athene auf der Burg gepflanzt sein. 2) Nach der Lehre der Brahmanen soll ein König 36 (3 x 12) gute Eigenschaften haben. 3) Im Jahre 1246 lässt Jans Enenkel den Zauberer Virgilius von 72 (6 x 12) in einer Flasche verschlossenen Teufeln unterrichtet werden, 4) was an die 72 typhonisehen Gesellen erinnert. 72 Länder kennen schon Horapollo hierogl. 1, 14, p. 28, de Pauw und Recognitiones Clementis 2, 42, p. 519. 5) Den vierten Mysteriengrad der Brahmanen, denjenigen des Sannjâsin, konnte man nicht vor dem 72. Lebensjahre erlangen. 6) Der heilige Maternus, der Apostel des Elsasses, soll 72 Klöster gestiftet haben. 7) 72 Fäden zählt der parsische Kosti. 8) Nach einem Gesetze sollte innerhalb 10 Meilen von einer alten Cisterzienser Abtei keine neue errichtet werden und zu jeder neuen wenigstens die Zahl von 60 (5 x 12) Mönchen vorhanden sein, 9) wie eine Maurerloge regelmässig aus 60 Mitgliedern bestehen soll.




    1) G. Forster, Robertson's historische Untersuchungen Über die Kenntniss der Alten von Indien, Berlin 1792, S. 232.
    2) Schöll zu Herodot, VIII. 55.
    3) Paulin, voyage aux Indes orientales, II. (Paris 1808), S. 140 ff.
    4) Pfeiffer, Germania, IV. S. 277; oben I. S. 119.
    5) Vergl. auch Massmann zu Eraclius, p.482, über die Zahl 72.
    6) Oben I. S. 629.
    7) Stöber, Sagen des Elsasses, S. 145 unten.
    8) Oben S. 477.
    9) Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 406.



Die französischen Maurer scheinen die Loge von 12 Säulen getragen werden zu lassen, nämlich ausser den beiden Säulen Jakin und Boaz noch von 12 an den Seiten der Loge angebrachten. 1) Bei den mittelalterlichen Bauleuten wurden die Zahlen durch den sog. Achtort bestimmt, weleben im 13ten Jahrhundert Albertus Argentinus, ein Benedictinermönch zu Strassburg, erfunden haben soll. Die Zahlen des Achtorts sind 1, 3, 4, 5, 7, 9, 10 und 12, welche alle im Zirkel liegen. Aus 1 entspringt Drei und aus Drei Vier, der in fast allen Sprachen aus vier Buchstaben bestehende Name Gottes. 2)

3. 15 Lichter erleuchten die Meisterloge bei der Wiederauferstehung des Hiram, die drei Lichter des Meisters vom Stuhl und der beiden ersten Vorsteher und 12 Lichter an der nördlichen und südlichen Seite der Loge in vier Gruppen von je drei Lichtern. 3) Die leuchtende Fünfzehnzahl ist demnach unverkennbar zusammengesetzt aus 3 und 12 , d. h. um die 12 Monate und die vier Zeiten des Jahres neu beginnen und neu erleuchten zu können, muss Hiram in das dreimonatliche Grab hinabsteigen und wieder daraus hervorgehen. Mit 12 Jahren erscheint Jesus zum ersten Mal in der Welt, wird gleichsam für die Welt geboren; nach 30 Lebensjahren, vielleicht einer andern Gestaltung der drei Grabestage oder Monate beginnt er sein Lehramt. In einer hessischen Sage (bei Wolf Nro. 183) bedarf es, um einen Schatz zu heben, 12 kühner und unerschrockener Männer. Nach rheinischer Sage sind in der Christnacht um 12 Uhr alle Wasser Wein und alle Bäume Rosmarin. 4) Das Aufsuchen des Hiram in den maurerischen Mysterien ist ohne Zweifel dem Aufsuchen des Osiris durch die Isis, der Kore durch die Demeter u. s. w. nachgebildet und sein Wiederfinden ist das Finden eines Meisterwortes, eines neuen Lichtes und Jahres, so dass, was am Sarge des Osiris-Hiram als ein dunkles Trauerfest begonnen




    1) Berchtold, S. 11.
    2) Heideloff, die Bauhütte, S. 15 und 101 ff.
    3) Vergl. oben S. 339.
    4) Wolf, Beiträge, I. S. 230 und II. S. 124.



hatte, an der Wiege des neugebornen Sonnengottes Horus-Hiram als ein leuchtendes Freudenfest schliesst. Hiram stirbt, opfert sich selbst, wird geopfert und getödtet, um durch seinen Tod das neue Leben zu begründen, um sterbend den Tod siegreich zu überwinden. Der in der Herbsttag- und Nachtgleiche sterbende und getödtete Osiris-Dionysos-Hiram steht ganz gleich dem in der Frühlingsgleiche getödteten Mithrasstiere und dem geschlachteten Lamme (Widder) der Christen. 1) Der Mithrasstier und das christliche Lamm sind die Sonne, durch das Sternbild des Stieres oder des Lammes hindurchgehend und durch diesen Hindurchgang den Stier und das Lamm gleichsam tödtend, um auf der fortschreitenden Bahn noch grössere Kraft und Macht entfalten und mit neuen Blumen und Früchten die Erde bedecken zu können. Der hinsterbende Mithrasstier, dem das neue Erdleben entspringt, - das Grab, aus dem die Akazie neu emporblüht, - der Todtenschädel, auf dem ein Schmetterling sich fröhlich wiegt, - der Todtenschädel, aus welchem das leuchtende und belebende Feuer in mächtigen Flammen schlägt, sind die gleichen tröstlichen Symbole des Todes und der Unsterblichkeit, des dem Tode entspriessenden und durch diesen errungenen neuen und schönern Lebens, - des durch das ewige Leben besiegten Todes. Würde über die ursprüngliche und eigentliche Bedeutung des christlichen Oster- und Opferlammes irgend ein Zweifel herrschen, müsste derselbe durch die indischen Opfergebräuche gelöst werden. Nach Paulin, voyage, I. S. 397 und 398 und Il. S. 102, heisst auf der Küste von Malabar Yaga oder Jaga das Opfer eines rothen Ziegenbockes, im Sanskrit Menda (woher Paulin den ägyptischen Mendes ableiten will), welches der Sonne dargebracht wird, wenn dieselbe gegen den Anfang des Monats April in das Zeichen des Widders tritt und damit das astronomische Jahr neu beginnt. Sonst wird noch bezeichnender in Indien der in dem Sternbilde des Widders angekommenen Sonne ein Schaf, ein Lämmchen oder ein Widder geopfert, 2)




    1) Berchtold, S. 279.
    2) Paulin, I. S. 351 Anm., II. S 314 und III. S 239 und 257.



und alle diese Opferthiere sind nur ein Symbol der Sonne selbst. Liesse sich die Entstehungszeit des Jaga-Opfers mit auch nur einiger Zuverlässigkeit ermitteln, wäre damit das so bestrittene Alter des indischen Thierkreises entschieden und festgestellt. Den grossen Bären (Vachista), das Gestirn der sieben Rishi's, kennen die Inder seit sehr alten Zeiten und ebenso die 27 oder 28 Gestirnconstellationen, welche der Mond auf seiner Bahn durchläuft, da sie nach den letztern die Tage des Mondmonats zählen. 1) Zugleich ist die Bhagavadi, d. i. die glückspendende (Monds-) Göttin, die Gemahlin des Mithra und später des Çiwa (der Sonne), die erste und älteste Göttin des indischen Volkes, 2) weil oben der Anblick der stillen Sternennacht mit dem leuchtenden Monde, als der Königin der Nacht, die ersten Ahnungen und Gedanken der Gottheit erweckte. Jones und Paulin, II. S. 310, wollen daher den Thierkreis der Menschheit schon vor ihrer Trennung in verschiedene Völker zuschreiben und Abt Hervas betrachtet ihn wenigstens als vorsinfluthlich.

Dem Grabe Hiram's ertheilt die französische Maurersage 7' Länge, 5' Breite und 3' Tiefe, 3) offenbar, um die Fünfzehnzahl des Meistergrades zu erhalten, allein diese Zusammensetzung der Fünfzehn ist unzulässig und eben so willkührlich dürfte man sich darauf berufen, dass es im Sanskrit sieben, im Lateinischen fünf und im Griechischen drei Declinationen gebe. Aehnlich wird dem neu aufgenommenen Gesellen nach dem jetzigen englischen Gesellenritual 4) eine (jedenfalls doch erst in den Meistergrad gehörende) Wendeltreppe von 15 Stufen gezeigt, abgetheilt in 3, 5 und 7 Stufen, um daran die Symbolik der Zahlen 3, 5 und 7 anknüpfen zu können. Eher noch könnte die Fünfzehn als die Verdreifachung der Fünf dargestellt werden. Nach dem Mahâbhârata hat Bhisma, der grösste Held der Kuru's, in seiner Fahne, die von




    1) Paulin, I. S. 459 Anm.
    2) Paulin, I. S. 420.
    3) Berchtold, S. 4 oben; oben S. 682.
    4) Das Freimaurerthum in seinen sieben Graden, von einem Royal-Arch-Mason nach den Archiven der grossen Loge, Englands, Leipzig 1857, S. 67.



einem goldenen Palmenstamme herabwehte, fünf silberne Sterne. 1) Pandu, der Sonnensohn, hat in demselben epischen Gedichte fünf Söhne. Als ein fünffarbiger Lichtstrahl in Gestalt eines weissen Elephanten senkt sich Buddha aus dem vierten Götterhimmel in den jungfräulichen Leib seiner Mutter Mâjâdêvi herab. 2) Rama muss nach dem Râmâjana 15 Jahre in der Verbannung leben. Die Wehrwölfe müssen nach den schwedischen Sagen 15 Jahre gehen. 3) Eine durch die erbitterte Stiefmutter in eine Nachtigall verwandelte ägyptische Königstochter wird nach 15 Jahren erlöst. 4) Ein Jäger lebte mit einer Schwanjungfrau, der er das Schwanhemd weggenommen hatte, 15 Jahre lang, als sich ihr Schwanhemd wiederfand und sie davonflog. 5) Nach der kirchlichen Ueberlieferung des Mittelalters wird der jüngste Tag durch 15 Zeichen angekündigt werden. 6) In der alten römischen Kirche kommt auch ein ausserordentlicher, aus 15 benachbarten Bischöfen gebildeter Gerichtshof vor. 7) Damit Buddha vor seiner Verheirathung sich in den Künsten erprobe, wird auf den siebenten Tag ein grosses Kampfspiel angesetzt und Buddha ringt mit 500 Jünglingen siegreich in allen Künsten. 8) Indra heisst im Rig-Veda I. 7, 9 Beherrscher der fünf Wohnungen, d. i. zufolge der von Benfey seiner Uebersetzung im ersten Bande des Orients und Occidents beigefügten Erläuterung, der ganzen Welt. Bei Homer, II. II, 403 und VII, 315 wird dem starken Kronion ein fünfjähriger und feister Stier geopfert; ebenso wird nach Odyss. XIV, 419 ff. ein fünfjähriges Mastschwein zum Opfer für den Gast aus der Fremde und zur Speise geopfert; das bereitete der Sauhirt:

"Siebenfach nun Alles nach richtigem Mass zertheilt er."




    1) Dunker, a. a. O., II. S. 41 oben.
    2) Koeppen, a. a. O., S. 76.
    3) Mohnike, altschwed. Balladen, S. 264.
    4) Mohnike, Nro. 38.
    5) Wolf, Beiträge, II. S. 213.
    6) Simrock, Mythol., S. 162.
    7) Hüllmann, Grundzüge der Kirchenverfassung, S. 86.
    8) Koeppen, S. 80.



Neben dem östlichen Eingange der Todtenkirche zu Meiches in Hessen steht ein alter schönerTaufstein, auf dem ein Crucifix, St. Georg und ein fünfstrahliger Stern mit einem Eichelzweige ausgehauen ist. 1) An der Südseite der Kirche zu Battenfeld befindet sich ein sechsseitiger Stern mit zwei halben Monden, der Sage zufolge das Wappen einer mit einem Herrn von Biedenfeld verehlichten vornehmen Türkin. Die Drusen hoffen noch immer, es werde Hahim beamrihi in Begleitung der fünf edeln Endpunkte (Erzengel) zur Verkündigung der Einheit Gottes wiederkehren. 2) Nach Heideloff, die Bauhütte, S. 26, durften in eine mittelalterliche Bauhütte niemals mehr als fünf Candidaten zusammen aufgenommen werden, um zu ihrem ersten Unterricht hinlänglich Zeit zu haben; ebenso soll nach der gemeinen deutschen Steinmetzordnung von 1459 ein Meister nicht mehr als drei und höchstens fünf Lehrlinge (Diener) haben, je nachdem er einen oder mehrere Bauten auszuführen hat. Im Paradiese Indra's stehen fünf ewig blühende Bäume, in deren Schatten die Seligen ruhen, den Unsterblichkeitstrank trinken und den himmlischen Gesängen und Tänzen lauschen. 3) Körner riefen die fünf Eichen vor Dellwitz zu:

Alles Grosse muss im Tod bestehen! -
Deutsches Volk, du herrlichstes vor allen,
Deine Eichen steh'n, du bist gefallen!

Der Glaube, dass die letzte Stunde des ablaufenden Jahres die Gräber öffne, ist lebendig und sinnvoll in einer Sage des Münsters von Strassburg erhalten, welche Stöber, die Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, unter Nro. 356 mittheilt und die hier ihres maurerischen Inhaltes wegen nicht übergangen werden darf. Der Johannistag war von jeher auf und in dem Münster ein hoher Festtag, zumal da am Tage Johannis des Täufers im J. 1007 das alte Münster bis auf den Grund durch einschlagenden Blitz niedergebrannt und in der Woche des Täufers im J. 1439




    1) Wolf, hessische Sagen, Nro. 174.
    2) Menzel, Literaturblatt für 1861, Nro. 66.
    3) Wollheim, S. 15.



des Thurmes wundervolle Spitze durch Meister Johannes Hültz von Cöln vollendet und mit dem Marienbilde gekrönt worden war. 1) In der Johannisnacht nun, wenn es Mitternacht von dem Thurme niederhallet, erheben sich aus ihren Gräbern die alten Meister, welche das Münster erbauet haben, mit ihren Gesellen und Gehülfen; die den Grüften entsteigenden Meister tragen den Meisterstab und Zirkel, die Steinmetzen das Richtscheit in Händen und begrüssen sich mit traulichem Händedrucke, sich des minniglichen Wiedersehens freuend. Ein unendliches Geisterwogen erfüllet das Münster und strömt zum Portale hinaus, dort den Münsterbau umziehend und umschwebend. Eine Jungfrau (Sabina 2)) in weissem Gewande, den Meissel in der Linken und den Hammer in der Rechten, umkreiset Erwin's luftigen Vorderbau und erhebt sich auf- und niedersteigend bis zu dessen höchster Spitze. Doch wenn die erste Morgenstunde schlägt, kehren im Nu die Geister in das kühle Grab der Erde zurück, um darin wieder bis zur nächsten Johannisnacht zu schlafen. - Der Tag Johannis des Täufers hatte auch bei der Abtei Zürich insofern eine gewisse Bedeutung, als an ihm von den Tavernen der Aebtissin gezinset werden musste. 3) Im Elsass ist der Glaube nicht selten, dass gewisse Flüsse und Seen alljährlich am Johannistage einen Menschen zum Opfer verlangen und zwar meistens ein unschuldiges Kind, was




    1) Lübke, Gesch. der Architektur, S. 460.
    2) Sabina galt bisher stets als die ausgezeichnete Tochter des grossen Erwin von Steinbach: allein neuerlich hat Dr. Schneegans, Stadtarchivar zu Strassburg, diese Ueberlieferung als durchaus irrig angegriffen und behauptet, dass Erwin weder eine Tochter Sabina noch einen Sohn Johannes hatte, und dass die berühmte Bildhauerin Sabina 100 Jahre vor Erwin gelebt habe. Vergl. Stöber, a. a. O., S. 482 und 496; Klemm, die Frauen, V. (Dresden 1858) und die götting. gelehrt. Anzeigen für 1861 nennen noch die Sabina eine Tochter Erwin's von Steinbach. Heideloff in seiner in der maurerischen Literatur leider sehr wenig beachteten "Bauhütte des Mittelalters in Deutschland," Nürnberg 1844, S. 14 oben und 20, hat das Verhältniss nicht berührt und berichtet blos, dass Erwin im J. 1270 aus der berühmten Bauschule des Benediktinermönches Albertus Argentinus hervorgegangen sei und sich mit seiner Familie in Strassburg niedergelassen habe.
    3) Mittheilungen der antiq. Gesellsch. in Zürich, VIII. S. 56 oben.



auf wirkliche, in uralter Zeit dargebrachte Menschenopfer hinweist. 1) Derselbe Glaube findet sich in Rheinhessen. 2)

Die Dreizahl besonders steht auch in Volksbräuchen und in der Volkssage mit dem Tode und mit dem Geisterreiche in Verbindung. Nach dem Volksglauben in der Bretagne und in Hessen muss, wenn zwei Leute in einem Reviere oder in einer Woche sterben, noch ein Drittes sterben, damit die Zahl Drei voll werde. 3) Drei Leichen zugleich kommen in den altschwedischen Volksliedern nicht selten vor, z. B. bei Mohnike, altschwedische Balladen, S. 67, 71, 114:

Nun grub er ein Grab so tief und breit
Drinn legte er nieder die Leichen drei.

Das friesische Recht nimmt drei Hauptnöthe an, in welchen die Mutter des unmündigen Kindes Erbe verkaufen darf, um sein Leben zu fristen, nämlich Hunger, Naktheit, Obdachlosigkeit im Winter. 4) Der den Rosengarten der Grimhilde zu Worms mitbewachende Held Herwart trug an seinem Schilde drei goldene Rosen. 5) In dem altchristlichen von vier oder sechs Säulen getragenen Altare schwebte unter der Decke mit dem geschmückten und leuchtenden Crucifixe darauf (Ciborium) an drei goldenen Kettchen die weisse Taube, welche die heilige Eucharistie umschloss (columba eucharistica 6)). Wolf deutet schön diese Taube auf Maria, welche den Herrn in ihrem Schosse trug. Nach der Vorrede des von Ficker zu Innsbruck 1859 herausgegebenen Spiegels deutscher Leute, welcher dem Schwabenspiegel zur Grundlage diente, sollen nur drei christliche Patriarchen nach dem Vorbilde der drei jüdischen Patriarchen sein, nämlich zu Constantinopel, zu Antiochia und in Indien, wohin Thomas gegangen ist, welcher Gott in seine Wunden gegriffen hat. Die Bau-




    1) Stöber, S. 109.
    2) Wolf, hessische Sagen, Nr. 203.
    3) Wolf, Beiträge I. S. 213, Nro. 127.
    4) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 49.
    5) Pfeifer, Germania, IV. S. 25.
    6) Wolf, Beitr. II. S. 206.



hütten haben nicht selten drei Schutzpatrone, z. B. Claudius, Christerius und Significanus als gekrönte Märtyrer, - Claudius, Castorius und Simblicus als Gekrönte, - eben so St. Rolandus, Wunibaldus und Modualdus, 1) deren Häupter stets Heiligenscheine umgeben . Die thüringisch sächsische Steinmetzordnung vom Jahre 1462 spricht sogar von dem "alden Haubtenrechte, das do haben gemacht die Hegligen wirdigen gekrönten Mertern, genannt Claudius, Christorius, Singnificamus, der heiligen Dreyfaltigkeit vnd mariam der himmlischen Königin zu lobe und zu ehre." - Çiwa als Sonnengott steigt drei Monate zur Unterwelt nieder und kehrt alsdann, siegreich die Welt errettend und erlösend, zurück. 2) Auf Malabar darf nach dem Absterben eine Person aus dem königlichen Geschlechte oder von dem königlichen Hofe drei Tage lang in den Flüssen nicht gefischt werden, weil die Inder es für möglich halten, dass die Seele des Verstorbenen in einen Fisch ein gehen könne. 3) Zum Zeichen des Verbotenseins des Fischens wird ein Baumzweig im Flusse aufgesteckt, welcher 8 - 10 Tage stehen bleibt, während welcher Zeit die Seele ihre neue Wohnung gefunden hat. - Die indischen Wittwen pflegen drei Tage nach dem Tode ihres Mannes sich mit seinem Leichname verbrennen zu lassen, wobei sie weiss gekleidet und mit Blumen geschmückt sind, auch ihren ganzen Schmuck am Halse und in den Ohren tragen, welchen letzteren sie jedoch vor dem Verbrennen an ihre Verwandten und Freunde verschenken. Die deutsche Sage lässt Denjenigen, welchem Frau Hulda sich gezeigt hat, nach drei oder nach dreimal drei Tagen versterben. 4 ) Auch dürfen die dreibeinigen Geisterthiere der deutschen Sagen, z. B. die oft erscheinenden dreibeinigen Hasen hieher bezogen werden, 5) sowie die drei, die verwünschten Jungfrauen erlösenden Küsse. 6) In der




    1) Heideloff, die Bauhütte, S. 24.
    2) Renand, nouvelle symbolique, S. 253.
    3) Paulin, I. S. 237 und 454.
    4) Wolf, Zeitschrift, I. S.27 und 28; derselbe, hessische Sagen, Nro 37.
    5) Oben I. S. 302 und 508; Stöber Nro. 247.
    6) Stöber, Nr. 277 und S. 357; Wolf, Beitr. II. S. 246.



schottischen Romanze: der Kämpen (Kempion) bei Walter Scott, III. Seite 27, heisst es:

Ich wandle dich um in ein feurig Thier,
Und nimmer wirst du werden erlöst,
Als bis der Ritter, der Königssohn,
Dich umhalset und dreimal küsst.

Bei Wolf, hessische Sagen, Nr. 44, kann das Edelfräulein von Rodenstein nur dadurch erlöst werden, dass sie drei Tage hinter einander in drei verschiedenen Gestalten, von Jemand dreimal auf die beiden Augen und den Mund geküsst wird. Ein Hirte, welcher sie erlösen wollte, brachte es blos zu sechs Küssen und jetzt kann sie nicht anders erlöst werden als durch einen Knaben, der in einer Wiege liegt, die aus dem Holze eines Nussbaumes gemacht worden ist, welcher aus einer Nuss von dem auf dem Schlosshofe stehenden Nussbaume gewachsen ist. 1) - Wenn dem Adler vor Alter die Flügel schwer und die Augen trüb geworden, sucht er - nach der deutschen und nach der syrischen Sage - eine lautere Quelle, fleugt hoch empor der Sonne zu, verbrennt sich die Fittige und der Augen Umhüllung, stürzt hinab in den hellen Brunnen und wird, nachdem er sich dreimal gebadet, wieder jung und erneut. 2) Drei Tage nach der Hochzeit stirbt in einer hessischen Sage zur Strafe ein Müller, welcher geschworen hatte, sich mit dieser Person nicht zu verehelichen. 3) Die Seele eines Verstorbenen verbringt die erste Nacht bei der h. Gertrude (Freyja), die zweite bei den Erzengeln und gelangt erst in der dritten an ihren Bestimmungsort. 4) Ehe Hektor durch Achilleus getödtet wird, treibt ihn dieser dreimal um die Mauern von Troja herum; aus der Schlacht




    1) Aehnlich ist die Sage Nro. 46 und 49 bei Wolf. Seltener vorkommend sind die bei Wolf Nro. 64 und 65 erscheinenden weissen Männer. Ueber den Baum vergl. noch Wolf, Beitr. II. Seite 247 ff. Durch den Baum soll nur die schwer zu erfüllende Bedingung der Erlösung bezeichnet werden und zugleich ist es der Baum, den die Jungfrau bewohnt und woran ihr Leben geknüpft ist.
    2) Wolf, Zeitschrift für die deutsche Mythol., I. S. 320.
    3) Wolf, hessische Sagen, Nro. 156.
    4) Wolf, Beitr., II. S. 108.



zurückgekehrt, lässt Achilleus seine Myrmidonen dreimal den Leichnam des Patroklos, welchen Hektor getödtet hatte, umfahren und beklagen. Ferner möchte zu berühren sein Homer Od. VII 154:

"Dreimal selig dein Vater fürwahr und die würdige Mutter,
Dreimal selig die Brüder zugleich."

und Od. V, 306:

"Dreimal selig und viermal, o Danaer, die ihr in Troja's
Weitem Gefild' umkamt, für Atreus Söhne euch beeifrend. 1)

Nach Homer II. VI, 173 ff. gab dem als Gast ankommenden Bellerofontes der weiten Lykia König einen neuntägigen Schmaus und schlachtete ihm neun Stiere zum Opfer. Das Açinpaar, mit dreisitzigem Gespanne, oder dreimal des Tages zum Opfer kommend, wird im Rig.-V. I. 34 angerufen, mit den dreimal eilf Göttern zum Honig- oder Somatrinken zu kommen. Agni wird im Rig-V. I. 42, 2 gleichfalls gebeten, die 33 Götter herbeizubringen, deren König Indra ist. Mit Hindeutung auf ihre Trimurti gebrauchen die Inder drei Finger, wenn sie bei ihren Reinigungen sich mit Wasser besprengen. 2) Nachdem bei der Taufe in Indien der dienstthuende Brahmane dem Vater den Namen des Kindes genannt hat, ruft dieser den Namen dreimal dem Kinde zu, 3) was an den christlichen Taufgebrauch erinnert, unter Anrufung der drei göttlichen Personen und mit Beifügung des Kreuzzeichens dem Kinde den Namen zu ertheilen. Der Kindsbrunnen bei Darmstadt heisst der Dreibrunnen. 4) Am Harze werden den Kindern drei Kreuze auf die Wiege gemacht, damit der Stepke (Teufel) nicht komme und ihnen die Augen aussauge. Ganz besonders aber möchten wir die Mythe von den drei grossen goldenen Haaren, welche dem an ödem und dunklem Orte weilenden Teufel (Loki) zu seiner Ueberwältigung ausgezogen werden müssen 5) und




    1) Vergl. oben S. 544.
    2) Paulin, I. S. 20 Anm.
    3) Vergl. oben S. 372.
    4) Wolf, Beitr., I. S. 164.
    5) Wolf, Beitr., I. S. 137.



die an das wallende Lockenhaar der Lichtgötter erinnern, 1) hervorheben und fragen, ob die Dreizahl der Haare nicht die drei Wintermonate sein möchten, welche der kommende Frühlingsgott verdrängt und vernichtet. Wie die göttliche Weltherrschaft unter drei Personen, wird auch häufig die Herrschaft eines irdischen Reiches oder eines Volkes unter drei Brüder getheilt. 2) Nach Arrians indischen Nachrichten cap. 11 soll demjenigen Brahmanen, welcher dreimal falsch weissagte, ewiges Stillschweigen auferlegt werden.

In ähnlicher Weise wird auch die Siebenzahl angewandt: Im Kastenwald bei Andolsheim im Elsass liegen sieben Hügel, welche einem ungeheuren Riesen zur Gruft dienen. 3) Dass die Zahl Sieben bei Hünengräbern öfters vorkommt, hat Nork, die Sitten und Gebräuche der Deutschen, Stuttgart 1848, S. 766, nachgewiesen. Milton in dem verlorenen Paradiese XII, 255 ff., lässt das Paradies durch sieben Lampen erleuchtet werden,

die, Sternen gleich, den Thron umfünkeln, und
im Himmelsfeuer, wie der Thierkreis, schimmern.

Schneiders Buchonia IV. 1. 127, nennt eine Höhe über sieben Brunnen den Helleberg, den Berg der Unterweltgöttin Hel. Vielleicht dürfen auch die 14 heiligen Nothhelfer hierher bezogen werden. In einer hessischen Sage, bei Wolf Nr. 23, wird zur Erlösung des Geistes gebraucht ein Sack, gesponnen von einem Mädchen unter sieben Jahren, 4) eine neue Hacke und ein noch ungebrauchtes Grabscheit. Nach hessischem Glauben soll man zu Säetüchern und Säcken Leinwand nehmen, welche ein Mädeben unter sieben Jahren gesponnen hat. 5) Die ersten Halme lässt man bei der Ernte von einem Kinde unter fünf Jahren schneiden, das erste Strohseil zu den Garben von einem Kinde unter sieben Jahren winden. In bedenklichen Krankheiten ist es nach hessischem Glauben




    1) Oben I. S. 261 und II. S. 196.
    2) Renand, nouvelle symbolique, S. 66.
    3) Stöber, a. a. O., S. 88.
    4) Oben I. S. 346.
    5) Wolf, Beitr., I. S. 218.



gut, Wasser zu trinken, welches ein Kind unter sieben Jahren schöpfte. 1) Nach einer dänischen Sage, Herzog Freudenburg, bei Mohnike S. 227, heisst es:

In sieben Stücke schneiden sie ihm das Herz,
Und auf jedwedem Stücke der Name Jesus steht.

Die Mädchen von fünf und sieben Jahren verwandeln sich in den deutschen Sagen auch in fünf und sieben Jungfrauen, wie noch häufiger drei Jungfrauen erscheinen. 2) In einem altschwedischen Volksliede trifft nach sieben Jahren den treulosen Ritter die Strafe der Wiedervergeltung, indem er auf dem Hofe der verstossenen Geliebten als Bettler um Brod bitten muss, welches ihm seine eigenen zwei Söhne reichen. 3) Nach einem andern dunklen schwedischen Volksliede wird eine Jungfrau in ein fernes Land über das Meer zu sieben glänzenden Goldbergen zu einer andern Jungfrau entführt und 12 kleine Mädchen werden ihr zum Dienste bestimmt (Mohnike Nr. 31). In einer schwedischen Ballade 4) verwandelt eine feindliche Stiefmutter den Stiefsohn in einen Bären, als sie nach sieben Jahren einmal im Rosenhain sich ergeht, trifft sie der Bär, tödtet sie, trinkt ihr Herzblut und wird wieder zum Menschen. Eine Kröte (nach dem Volksglauben sind Kröten büssende Seelen) brauchte sieben Jahre, um von Leifers nach Weissenstein zu kommen, wo ein berühmtes Marienbild verehrt wird; als die Kröte das Ziel der Wallfahrt erreicht hatte, war sie erlöst und flog in Gestalt einer weissen Taube gegen Himmel. 5) Auf dem Höllacker zwischen Melbach und Steinfurt in Hessen brennt alle sieben oder nach Andern alle neun Jahre ein Feuerchen. 6) In einem Mährchen aus Schlesien erlöst ein wandernder und suchender Jüngling (der Sonnengott) 14 in 14 Betten schlafende Mädchen, worunter seine Schwester sich be-




    1) Wolf, Beitr., I. S. 219.
    2) Wolf, Beitr., II. S. 35.
    3) Mohnike, altschwedische Balladen, Nr. 29.
    4) Mohnike, S. 158.
    5) Wolf, Zeitschr., I. S. 9.
    6) Wolf, hessische Sagen, Nr. 181.



findet, aus der finstern Welt. 1) Die am Grabe des Anchises bei Vrgil Aen. V. 84 erscheinende Schlange machte sieben Windungen:

Dixerat haec, adytis quum lubricus anguis ab imis
Septem ingens gyros, septena volamina traxit.

Im Rig-Veda I. 32 lässt Indra, nachdem er mit dem Blitze den Wolkendämon Vritra erschlagen hat, die sieben Ströme los fliessen. Zu den Ribhus wird Rig-V. I. 20, 6 gebetet:

"Spendet ihr uns Kleinodien! dreimal sieben
dem (Soma-) Pressenden hintereinander ob schönen Lobs."

Nach der Legende ist der h. Maternus, der Apostel des Elsasses, 30 Tage lang im Grabe gelegen, als er durch den Stab und das Gebet des h. Petrus daraus erweckt wird. 2) Als man 30 Jahre nach der Beerdigung der treuen Amme der heiligen Odilia im Elsass zufällig deren Grab öffnete, fand man ihren Leib ganz verwest und nur die rechte Brust, womit sie die heilige Odilia gepflegt hatte, war unversehrt geblieben. 3) In dem von Simrok in dem kleinen Heldenbuche, Stuttgart und Tübingen 1844, S. 3 bis 79 aus dem Lateinischen des Mönchs Eckhart übersetzten, wahrscheinlich von einem Elsässer verfassten Gedichte: "Walther und Hildegunde", in zwölf Abenteuern, kämpft der mythische Held Walther auf dem Wasgenstein im Elsass mit den 12 Helden, mit denen ihm der habsüchtige König Gunther von Worms nachgeeilt ist, um ihm seine Schätze, den Hort aus dem Hunenlande zu rauben. Eilf der Helden und Verfolger tödtet Walther, im siegreichen Kampfe, da naht sein Freund Hagen zum zwölften und letzten Kampfe. Neunmal greifen diese Helden hintereinander sich heftig an, bevor ein verwundender und entscheidender Streich fällt; nun verwunden sich die Streitenden gegenseitig hart, schliessen dann aber Frieden und Hildegunde, die liebende Braut Walthers, verbindet sie mit Linnentüchern und credenzt ihnen den




    1) Wolf, Zeitschr., I. S. 310 ff.
    2) Stöber, Nr. 122.
    3) Stöber, S. 172 oben.



Labewein. 1) In der Nibelungennoth 2304 ff. (nach Lachmann) erscheint Hagen insofern mit Hiram vergleichbar, als er stirbt, weil er an Kriemhilde nicht verrathen wollte, wo der Nibelungenhort verborgen sei. 2) Auch gehört es mit in unsern Mythenkreis, dass Kriemhilde im siebenten Jahre dem König Etzel den Sohn Ortlieb gebar. - Nach Homer Od. VIII, 59 gibt Alkinoos, der König der Phäaken, 12 weidliche Schafe zum Opfer und zufolge II. VI, 93 sollen in dem Tempel der Athene 12 untadige, jährige und ungezähmte Kühe zu heiligen gelobt werden. In einem Petersberge bei Sylbitz sitzt eine goldene Gans über 12 goldenen Eiern. 3) In einer altschwedischen Sage bei Mohnike, altschwedische Balladen, Mährchen und Schwänke, Stuttgart 1836, S. 69, stirbt nach einer schon als Jungfrau erhaltenen Weissagung die treue Gattin, welche in eilf vollen Jahren eilf kleine Kinder dem Gatten geboren, bei der Niederkunft mit dem zwölften Kinde und es folgten ihr der Gatte und die älteste Tochter vor QuaI in den Sarg. Die h. Ursula mit den 11,000 Jungfrauen, welche auch auf Helgoland vorkommt, ist nur die zwölf getheilte Jahresgöttin Holda, Freyja. 4) In einem altschwedischen Volksliede 5) entführt der Räuber Brun auf seinem blauen Mantel eine zwölfte Jungfrau durch die Lüfte, nachdem er schon 11 Jungfrauen ähnlich entführt und getödtet hatte; als er auf dem Schosse der letzten Jungfrau entschlafen, tödtet ihn diese mit ihrem Goldmesserlein, denn am, sie will bewahren ihren Jungfrauenschatz und noch tragen ihren Jungfrauenschuh. Dieses Lied dient zugleich den am Rheine noch heute vorkommenden Hochzeitsgebrauch, dass der Braut der Schuh ausgezogen und daraus getrunken wird, 6) zu erläutern. In einem Odenwälder Mährchen tödtet ein göttlicher Bärensohn in drei Schlössern 6,




    1) Stöber, Nr. 159.
    2) Kurz, Leitfaden der Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 62.
    3) Wolf, Beitr. zur deut. Mythol., I. S. 84.
    4) Vergl. Wolf, Beitr. II. S. 38 und 203.
    5) Mohnike, Nro. 33.
    6) Wolf, Beitr., I. S. 211, Nr. 98.



12 und 18 Riesen und erlöst drei Königstöchter, deren eine er endlich durch drei Eier erlangt. 1) Die drei Königstöchter sind vielleicht eine Umgestaltung der drei Nornen, wie die h. Ursula mit ihren 11,000 Jungfrauen der Freyja, Valfreyja mit den 11 Valkyrien, welche den Einherien in Walhalla Oel kredenzen, die gefallenen Helden auf Allvaters Geheiss vom Schlachtfeld abholen oder auch selbst mit ihnen kämpfen. Die 12 Valkyrien waren 12 weibliche Zodiakalgottheiten, wie die 12 Asen und wie ihre 12 im Grimnismal genannten Burgen 2) von Finn Magnusen und von Leinburg 3) als die 12 Zeichen des Thierkreises gedeutet werden, welche Deutung auch Simrok nicht verwirft.

Obwohl Hiram, d. h. der später also umgenannte heidnische Gott, wesentlich der Sonnen- und Jahresgott, der das Jahr und die Zeit beherrschende und theilende Gott ist, wird er in der Hirammythe doch vorzugsweise als eine sogenannte chthonische, 4) unterweltliche oder Todesgottheit, - als die dunkele Nacht des Todes in der Natur wie in der Menschenwelt aufgefasst und sein Dienst ist daher ein klagender Todtendienst mit der Hoffnung der Wiederauferstehung und der Erlösung von dem Tode. Das Grab des Hiram, die Unterwelt als sein Reich, wurde auch bei den Maurern, wie bei den Aegyptern und bei den Griechen, im Westen, im dunkelen Abend oder in der Nacht gedacht, und und , unterweltlich und nächtlich, dunkel sind gleichbedeutende Eigenschaften, - die Todten schlafen im dunkelen Schoss der Erde, in der Finsterniss, im , in der Tiefe, in der mittelalterlichen Krypta. 5) Der Unterwelt, der Meisterloge steht die Oberwelt, die Loge mit dem blauen Himnielszelte, mit dem lichten Himmel entgegen; die Todten, die Unterweltlichen, die Westlichen sollen wieder aufer-




    1) Wolf, Beitr., II. S. 67.
    2) Simrok, Mythol., S. 46 ff.
    3) Hausschatz der schwedischen Poesie, III (Leipzig 1860) S. 353.
    4) Vergl. über den Begriff des Chthonischen Müller, a. a. O., II. S. 34 ff.
    5) Vergl. oben I. S. 70.



stehen zu dem Lichte des Ostens zurückkehren und dann unsterblich in ihm wohnen. Die Unterwelt und der Todtenrichter sind ein so nothwendiger Bestandtheil jedes alterthümlichen Gottglaubens, eines jeden Mysteriendienstes, dass sie auch bei den alten Bauleuten nicht gefehlt haben können und es als eine wirklich gedankenlose, völlig ungeschichtliche Behauptung erscheint, es sei die chthosche Mythe erst im 17. Jahrhundert in England der Maurerei zur Verschleierung politischer Pläne und Umtriebe aufgepfropft worden. Das gewaltsame Erschlagen des Hiram (des Lebenden) symbolisirt nur die alles bezwingende Macht des Todes, den der Griechen; alle Menschen, die grossen wie die kleinen, die reichen wie die armen, die alten wie die jungen werden einst die Beute des Todes. Sadi spricht:

Der stolze Fürst, der Nationen fesselt,
Der Derwisch, der sein täglich Brod erbettelt, -
Sie werden, wenn die Todesstund' wird schlagen,
Aus dieser Welt nichts als das Leintuch tragen.
Gilt es zu wandern in das Todtenreich,
Ist Armuth besser als ein Königreich. 1)

Die dramatische Darstellung des Leidens und Sterbens des Hiram ist durchaus alterthümlich und war in verwandter Weise namentlich einstens auch an dem ennaeterischen oder neunjährigen, zur Zeit des Sommersolstitiums gefeierten Hauptfeste des Zeus bei dem achäischen Stamme gebräuchlich. 1) Dem verwandt ist der Dionysos Zagreus (der Jäger 3)) und die Persephone Thera (Jägerin), wie der Ares Thereitas (Jäger 4)), indem die jagenden Todesgottheiten nur ein Bild des alleserjagenden und erreichenden Todes sind; selbst die allesrächenden Eumeniden erscheinen bei Aeschylos Eum. 69 ff. als Jägerinnen. Diese jagenden Todesgottheiten, denen auch die Walküren beigesellt werden dürfen, sind die jagenden und heulenden Stürme der Lüfte, die Sturmeswinde, daher




    1) Wolf, Sadi's Rosengarten, Stuttgart 1841. S. 142.
    2) Müller, II. S. 191 ff.
    3) Preller, griech. Mythol., 1. S. 499 Anm.
    4) Müller, III. S. 113 ff.



auch die heulenden und lärmenden Hunde in ihrer Begleitung zu sein pflegen, wie bei Indra, bei Wodan und Frau Holla oder Frigga.

Mit der Zwölfzahl als Zahl der Jahresmonate berühren sich die Zahl 50 als runde Zahl der Monate des uranfänglichen Mondjahres und 360 als Zahl der Tage des älteren Sonnenjahres, welches später durch fünf Zusatztage ergänzt und verbessert wird. In der ältesten ägyptischen Geschichte nach den Zauber- und Wunderzählungen der Araber wird erzählt, dass Joseph in der Gegend von el-Fajjûm 360 Dörfer angelegt habe, so dass jedes Dorf an einem Tage des Jahres für die Stadt Miçr den Bedarf an Frucht liefern konnte. 1) Die Fünfzigzahl, welche öfter in der griechischen und auch in der indischen Mythologie vorkommt und namentlich den ganzen Danaïdemythus durchdringt, da Danaos 50 Töchter hat, 50 Jahre regiert und fünfjährige Spiele gründet, 2) - möchte durchgehends oder überall auf die runde Zahl der Mondwochen des Jahres zu deuten sein, jedoch worden gewöhnlich die 50 Hunde des Aktaion auf die 50 Tage, wo der Hundsstern, gr. , lat. canicula herrschte, 3) und die 50 Wolfssöhne oder Wölfe des Lykaon gleichfalls auf die 50 Canicular- oder Hundstage gedeutet. 4) Die Winterstürme, die heulenden Hunde tödten jährlich, also in der Fünfzigzahl, die Frühlings- und Sommervegetation und die als solche personificirten Gottheiten; jene sind das eigentliche wilde Heer Wodans. Wenn nun aber auch ein Frühlings und Sommergott nicht gerade im Herbste oder bei dem beginnenden Winter starb, sondern schon im Frühling oder Sommer, dachte man ihn doch durch die fünfzig tödtlichen (winterlichen) Jahreshunde getödtet, während z. B. die Gluthhitze, die Hundstage kaum als wüthende und heulende Hunde vorgestellt werden konnten; Preller, I. S. 308 , lässt zwar die Hunde des Aktaion von der Hundswuth ergriffen werden. In unserem Sinne erscheint




    1) Benfey, Orient und Occident, I. S. 337.
    2) Bachofen, Mutterrecht, §. LXXI.
    3) Müller, II. S. 110 ff.
    4) Müller, II. S. 121.



auch die Fünfzigzahl in einem von Rochholz bei Wolf, Zeitschrift, I. S. 146, mitgetheilten Räthsel über das Jahr:

E lange, lange Baum
mit zweue feufzig Näst,
uf jede Nast es Nest,
i jede siben eier,
i jedem ei es gel's
mit vierezwänzig dottre.

Nach Reinmar von Zweter ist das Jahr ein zwölfrädriger Wagen mit 52 Frauen besetzt, von 14 halb weissen, halb schwarzen Rossen gezogen. Cleobulus von Lindus soll das verwandte Räthsel aufgegeben haben : Ein Vater hat 12 Kinder, jedes Kind hat 30 Töchter, deren eine Hälfte weiss, deren andere Hälfte schwarz ist, - die alle sterben und dennoch fortwährend am Leben bleiben. - Die 49 Marut's, welche nach Sâyana die Inder zählen, 1) dürfen auch hierher gestellt werden, da wohl Indra, der Gebieter der Marut's, der fünfzigste ist. Indra ist auch der Fürst der 33 Götter, und gewiss selbst einer dieser 33. Vielleicht auch sind die 540 Thore, welche nach Grimnismal 23 dem Walhalla zugeschrieben werden, eigentlich nur 54 Thore oder die Zahl der Jahreswochen, verwandt den 12 Himmelsburgen und 12 Stühlen der 12 Götterrichter als den 12 Monaten des Jahres. Der in die Mithramysterien Aufzunehmende soll 50 Tage im strengen Fasten haben zubringen müssen. 2) Der christliche Presbyter, d. i. Aelteste, sollte ursprünglich das Alter von 50 Jahren haben, welche aber bald auf 30 herabgesetzt werden mussten. 3)

4. Hiram, das Licht stirbt und geht unter, wenn und weil die Finsterniss, das Böse im physischen und auch, im ethischen Sinne die Uebermacht erlangt hat, und der Tod des Hiram soll der Welt, sie von der Finsterniss und der Sünde erlösend, das Licht und die Tugend wieder bringen. Die ethische, die sittlich erlösende Natur des Hiram tritt jedoch wenig bemerkbar hervor und des-




    1) Benfey, Orient und Occident, I. S. 390, Anm. 253.
    2) Renand, S. 255.
    3) Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, S. 20.



halb wird sie auch leichter übersehen: aber sie ist unverkennbar vorhanden, indem der Aufzunehmende sich von der Schuld reinigen und ein neues Meisterwort, an dem die Guten und die Getreuen sich erkennen sollen, gefunden werden muss. Die bösen Gesellen kehren nicht wieder und verrathen durch ihr böses Gewissen sich selbst dem forschenden und strafenden Richter; eine neue bessere Zeit soll beginnen. Dass das Ethische in der Hirammythe so wenig und unmittelbar gar nicht hervortritt, ist der sicherste und unangreifbarste Beweis für das hohe Alter und die erhaltene Reinheit der Mythe, indem es der allgemeine Entwickelungsgang der alten Mythologien und Religionen, besonders der indogermanischen gewesen, von dem blos Natürlichen, von der Himmels- und Erdbetrachtung auszugehen und von diesem zu dem rein Geistigen, zu dem Ethischen aufzusteigen, so dass das Christenthum als die Religion des reinen und freien Geistes seine Herrschaft entfaltete und entfalten konnte, nachdem der Zersetzungsprozess der ältern Naturreligionen vollendet war, obgleich selbst das Christenthum sich anfänglich noch in das mythische Naturgewand kleiden musste und der hergebrachten Sprache, Bilder und Gebräuche nicht völlig entbehren konnte. In einer soeben zu Brüssel von Paul Renand herausgegebenen Schrift: Christianisme et paganisme. Identité de leurs origines ou nouvelle symbolique, ist dieser geschichtliche Satz gleichfalls zu erweisen gesucht worden, wenngleich der Verfasser die astronomische Erklärung der Mythen in der französischen, auch auf dem Gebiete der Maurerei nicht unbekannten Weise allzusehr übertreibt, z. B. bei der Heraklesmythe, bei der Mythe der Geburt Christi von einer unbefleckten (verehelichten) Jungfrau, und man deshalb in vielem Einzelnen ihm nicht beistimmen kann. Renand stützt sich vorzüglich auf die ältere Schrift von Dupuis: Origine de tous les cultes, worin alle Religionen und religiösen Symbole auf ein Naturprinzip (un principe purement naturaliste) zurückgeführt werden und dem schon Volney in seinen Ruinen gefolgt war. Renand nennt das Christenthum: la dernière et suprême forme que revêtirent les anciennes





mythologies. 1) Die 12 Arbeiten des Herakles sind nur 12 verschiedene Stellungen der Sonne zu den Sternbildern des Himmels auf ihrer jährlichen Bahn. 2)

Im ethischen Sinne ist das verlorene und wiederzufindende Meisterwort das Recht und die Wahrheit, die Reinheit und Unschuld. Das rechte und noch zu suchende Wort erscheint übrigens auch in einer Moselsage. Auf dem Tiefenthal an der Mosel sitzen nämlich drei alte Männer, in einem Saal, deren Bärte um den Tisch gewachsen sind und die erst dann erlöst werden können, wenn ihre Bärte neun Mal um den Tisch gewachsen; wer dann das rechte Wort findet, um dem bei ihnen auf einer Kiste liegenden Hunde den Schlüssel aus dem Maule zu nehmen, der erhält den Schatz und kann sie damit erlösen. 3) -

Auch die Hirammythe, die Dädalossage selbst 4) findet sich in höchst merkwürdiger Weise als deutsche Bausage bei Wolf, hessische Sagen, Nro. 224 unter der Aufschrift: "Das Fenster in Oppenheim." Die kurze Sage lautet: "In der Kirche zu Oppenheim ist ein prächtiges Fenster, welches sich vor den andern durch seine Schönheit auszeichnet. Man, erzählt von demselben, dass der Meister mit seinem Gesellen gewettet habe, er wolle das schönste aller Fenster in der Kirche machen. Jetzt ging's frisch an die Arbeit, aber als Beide fertig waren, zeigte sich, dass des Meisters Fenster wohl schön, das des Gesellen jedoch bei Weitem besser und künstlicher ausgearbeitet war. Das ärgerte den Meister so sehr, dass er den Gesellen vom Gerüste herunterstürzte." - Für die Geschichte der Baukunst und der Freimaurerei ist diese griechische Sage an den Ufern des deutschen Rheines von unschätzbarern aufhellenden Werthe und bestätigt als ein würdiger Schluss unsere Forschungen und Vermuthungen. Die Sage ist nicht auf dem todten Wege der Gelehrten und der Bücher an den Rhein getragen worden, sondern




    1) Renand, S. VII.
    2) Renand, S. 32.
    3) Wolf, Zeitschrift, I. S. 192.
    4) Preller, griech. Mythol., II. S. 346 oben.



durch den lebendigen Mund des Volkes, der Bauleute. - Ebenso ist als hierher gehörig zu betrachten der einzige Sohn einer Wittwe, welcher in einer durch Hocker veröffentlichten Eifelsage erscheint, mit drei Böcken reitet und an einem ihm um den Leib gebundenen seidenen Faden in das Wasser von Thôrr hinabgelassen wird, um für diesen aus einer Kiste, - in der Erde den goldenen (Sonnen-) Becher mit andern Schätzen in der Mitternachtsstunde zu holen, d. h. Thôrr selbst befreiet mit dem Blitze die in den Winterwolken eingeschlossene goldene Sonne. 1) Beachtenswerth ist, dass der Sohn der Wittwe sich drei Mal oder bei drei Personen um den Weg nach seiner Heimath erkundigt, ehe er Jemanden, den Uralten, den Urgrossvater (Atli 2)) findet, der ihm denselben zeigt und ihn auf drei Böcken gegen Mitternacht in die Heimath bringt. Der Ring, den der Uralte dem Sohne der Wittwe an den Finger steckt, um den auf der Kiste liegenden zottigen Hund mit glühenden Augen zu berühren und zu vertreiben, ist ein anderes zauberndes Symbol des Blitzes, des seidenen Fadens oder vielleicht auch der Sonne selbst. Der Jüngling, nachdem er den goldenen Becher geholt und gebracht, trifft seine Mutter beim Frühstücke (im Frühling) und wird im Handel (im Sommer und Herbst) ein reicher Mann. Noch ein bedeutungsvoller Zug der Sage ist, dass der Jüngling beim Heraustritte aus der unterirdischen und schätzebergenden Höhle auf der Schwelle durch die zuschlagende eiserne Thüre an der Ferse verwundet wird, indem schon die Stunde abgelaufen ist, um die Schätze zu holen; doch der Uralte heilt schnell die verwundete Ferse. Diese Verwundung der Ferse, an welcher der Sonnengott wohl gleich dem Achilleus allein verwundbar war gewesen, vertritt die Stelle des Todes, welchen der Sonnengott im Winter und durch diesen erleidet.

Auf Thôrr als den den Blitz und die Frühlingssonne wiederbringenden Gott weist noch ein anderer deutscher Volksgebrauch hin, welcher in Westphalen als ein Ueber-




    1) Wolf, Zeitschrift I. S. 317.
    2) Mannhardt, germ. Mythen, S. 121; oben I. S. 249.



rest des am 22. Februar, am Tage von Petri Stuhlfeier (cathedra s. Petri Antiochiae) dort gefeierten Thunar- oder Frühlingsfestes sich erhalten hat. Die Hirtenbuben stellen an diesem Tage die Erschlagung des Winterriesen mit dem Hammer dar. Thôrr, der Sohn der im Winter verlassenen oder verwittweten Mutter Erde (Nerthus, Tamfana oder vielleicht Tamfa, Zampe oder Zimbe, Spurke, woher die Spurcalia in Februario, wie sie im indiculus superstitionum genannt werden), erschlägt mit seinem Hammer oder Blitze den Winterriesen, 1) wie in der maurerischen Sage der lichte Sonnen- und Sommergott von den Herbstgewittern erschlagen wird. Auch in der Mark wird am Petritage der Schluss und das Unterliegen des harten Winters dem siegreichen Thôrr, dem blitzenden Frühlingsgotte in Brauch und Sang gefeiert, namentlich am frühen Morgen, mit Hämmern an die Hausposten geklopft, um dieselben vor Getreideschaden und Viehkrankheiten durch den Hammergott bewahren zu lassen.

Selbst das Sonnenhaus, die maurerische Tapis, der sogenannte salomonische Tempel mit den drei lichten Thoren möchte nur der alten heidnischen deutschen Symbolik entlehnt sein. 2) So hat die durch ihre alten Cultusbilder merkwürdige Kapelle zu Belsen bei Rottenburg in Württemberg wohl nach der etruskisch-römischen Symbolik Thüren gegen Süden, Westen und Osten; nur gegen Norden, die unselige Gegend, hat sie keine. Wolf in den Beiträgen zur deutschen Mythologie, I. S. 108, scheint den Grund oder wenigstens eine Analogie darin finden zu wollen, dass der Hochsitz Wuotans mit der Rücklehne gegen Norden gestanden sei, indem Wuotan dem Lichte, dem Süden entgegenschaute, woher einst durch Surtr den Göttern der Untergang, aber auch die Wiederverjüngung gebracht werden sollte. 3) Die Nordseite ist die winterliche, die dunkle Seite der drei Wintermonate und somit nur ein anderes Bild der drei




    1) Wolf, Zeitschrift, I. S. 389, vergl. mit desselben Beiträge, I. S. 86 ff.
    2) Vergl. oben I. S. 514.
    3) Wolf, Beitr., I. S. 25.



bösen Gesellen, welche den Hiram-Frô erschlagen. 1) Wolf, S. 110, erblickt jedoch in der Form der Belsener Kirche nicht ein Symbol des Jahres-, sondern des Tageslaufes der Sonne, da die Kirche mit ihren Thüren nach Aufgang, nach Mittag und nach Untergang den ersten, den höchsten und den letzten Strahl des Gestirns empfange. Die drei lichten Thore oder vielmehr nur die drei Thore der zugleich mit zwei grösseren und drei kleineren Stierhäuptern geschmückten 2) Kirche zu Belsen sind ganz dasselbe Symbol wie das Rad mit neun Speichen auf dem goldenen Stierhaupte, welches man im Jahre 1653 in dem Grabe Childerichs zu Doornyk fand.

5. Der Schritt, mit welchem der Maurermeister dem Grabe und dem Tode entgegengeht, 3) beweiset, dass die Maurer in pythagoräischem Sinne den Tod als ein Gesundwerden, als die Erlangung des wahren Lebens betrachteten. Diese pythagoräische Lehre ist dem Pythagoras kaum eigenthümlich, sondern von ihm entweder den ägyptischen Mysterien oder einer andern orientalischen ältern Quelle entlehnt. Das Padmapurânam im Uttarakhandas, Kap. 1. V. 3, nennt den Tod bhavarogeikabheschadscha, d. i. das einzige Heilmittel der Lebenskrankheit. 4) Dennoch ist es sicherlich unbegründet, dass die indischen Mysterienanstalten die ältesten seien und von ihnen alle übrigen auf der Erde abstammen, wie dieses noch neuerlichst der gelehrte Br. Dr. Leutbecher 5) behauptet hat; selbst die Mythe des maurerischen Meistergrades 6) mit dem neuen Meisterworte, maka bak, d. i. das grosse Wort, 7) soll aus den indischen Mysterien herübergebracht sein. Die drei lichten Thore auf dem maurerischen Teppich deutet Leutbecher (S. 30) nach dem




    1) Vergl. oben I. S. 530.
    2) Vergl. die Abbildungen bei Wolf, Beiträge, I. Taf. II.-IV.
    3) Oben S. 77.
    4) Wollheim, S. 13.
    5) Der Teppich der Masonen, Amsterdam und Leipzig 1361, S. 4 ff.
    6) Leutbecher, S. 16.
    7) Leutbecher, S. 11.



Vorgange Polaks, dessen bekannte Ansichten und Schriften im Grunde nur kurz dargestellt und wiederholt werden, auf den Gang der menschlichen Bildung, welche von Osten ausgegangen und sich nach Süden und Westen verbreitet habe, während vom dunkeln Norden her keine Menschenbildung gekommen sei. Darin aber darf man Leutbecher und Polak unbedingt zustimmen, dass Gott sich einzig und allein durch seine Schöpfung dem menschlichen Geiste offenbart habe und offenbare, daher der Mensch Gott auch allein in sich und in der Welt zu erkennen vermöge.

Mit dem rückwärts schreitenden dunkelen Hiram, mit dem in das Wintergrab hinabsteigenden Sonnengotte sind auch verwandt die durch Hermes dem Apollo geraubten und rückwärts in die finstere Höhle eingetriebenen Rinder, - die Rinder des Geryoneus, welche der Riese Cacus an den Schwänzen rückwärts in seine Höhle zieht, um dieselben dem vorübertreibenden Herakles zu entwenden und verbergen, - die Rinder des Helios, an welche die Gefährten des Wintergottes Odysseus sich wagen. So weit es sich hier um ein Bild und Symbol des Herbstes und des Winters und nicht blos der Nacht handelt, werden die lichten Wolken durch die Herbststürme aus Osten nach Westen, an den dunkelen Abend, in die düstere Höhle zurückgetrieben gedacht. 1) Zugleich wird durch den Raub und durch das Abwenden von der gewohnten Bahn die Gewalt und Uebermacht des Todes angedeutet, welche erst in der Christnacht durch den neugebornen Sonnengott gebrochen und überwunden wird. Dieses versinnlicht eine elsässische Sage von dem in der Christnacht aufblühenden Rosenknopfe, 2) ähnlich der in der Christnacht sich öffnenden Rose von Jericho. In einem elsässischen Dorfe, unweit Mariastein, steht ein Rosenknopf, welcher nimmer verblüht; das Jahr über ist er geschlossen, aber in der Christnacht entfaltet er sich und wirft weithinduftend, einen lichten Schein um sich.




    1) Vergl. auch Schwartz, S. 185 und 186; Preller, griech, Mythol., II. S. 141 ff.
    2) Wolf, Zeitschrift, I. S. 402.



Er kommt von dem Rosenhurste her, an welchen die h. Maria die Windeln aufgehangen, bei der Flucht nach Aegypten. Je länger er blüht, um so fruchtbarer wird das Jahr. Auf Island wird erzählt, dass man früher den Vogelbeerbaum (reynir), welcher auch der heilige Baum genannt wird, in der Christnacht an allen Zweigen mit brennenden Lichtern besetzt gefunden habe, welche nicht erloschen, mochte der Wind auch noch so stark wehen. 1) Maurer will in diesem Baume, kaum begründet, das Vorbild des Christbaumes erkennen. In einer hessischen Sage bei Wolf, Nr. 214, steht bei dem Flecken Trebur in dem Mersheimer Feld ein Apfelbaum, welcher alle Jahr in der Christnacht Aepfel trug, die durch ihre verschiedene Grösse die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit des kommenden Jahres verkündeten. In einer Stunde hat der Baum Keime, Blüthen und Früchte bekommen. Eine elsässische Sage lässt auch den Hopfen in der Christnacht zwischen 11 und 12 also hervorsprossen. Eine solche Blüthe der Christnacht ist die maurerische Akazie über dem Grabe des Hiram; möge sie niemals verdorren und stets die schönsten und reichsten Zeiten bringen!!!




    1) Maurer, isländische Volkssagen, S. 148 ff.