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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
- Allgemeine innere und äussere Geschichte der Bauhütte -
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1863

B a n d III. - Kapitel V., Teil 5, Seiten 451 - 500

Die deutschen Bauhütten.

in der Abhandlung: "Zur Geschichte der Bildschnitzerei in Deutschland," Nr. 1 ff., die Bemerkung, dass die Bildhauer in Stein und die Bildschnitzer in Holz bis in das 16te Jahrh. ganz verschiedenen Zünften angehört haben; die Bildhauer werden zwar von den Steinmetzen öfters gesondert, waren aber mit den Steinmetzen und Maurern in den Bauhütten vereinigt, da an den grossen Kirchenarbeiten die Ausführung der architektonischen Glieder und Ornamente mit der Bearbeitung der dazwischen stehenden oder in Relief angebrachten Figuren auf das Genaueste verbunden war; die Bildschnitzer wurden dagegen sammt den Malern, Glasern und Kartenmalern zu der Kramer- oder auch zu der Schreinerzunft gerechnet, 1) welches Letztere insofern schicklich war, als sie bei Errichtung ihrer Werke sich der Tischler bedienen mussten; so nennt sich der berühmte Sürlin in Ulm in einem Verdingbriefe vom J. 1474 Schreiner und Bildschnitzer; 2) andererseits arbeiteten die Bildschnitzer nur selten ohne Bei- und Nachhülfe der Maler, denn mit Ausnahme der Chorstühle, deren geschnitzte Ornamente fast immer die Naturfarbe beibehielten, sieht man bis in die Mitte des 16ten Jahrh. nur wenige Schnitzwerke, die nicht eine kunstreiche Nachhülfe und sorgfältige Vergoldung zeigen; 3)




besonders der russischen Kirchenbilder von der und den byzaninischen vergegenwärtigt, wird es auch begreiflich finden, dass die noch ganz kunstlosen Griechen die jedenfalls eben so alte als vorangeschrittene Kunst und Kunstwerke der Aegypter aufnehmen konnten.
    1) Jäger, über die Steinmetzen, Bildhauer und Bildschnitzer Ulm's, im Kunstbl. für 1833, S. 407.
    2) Jäger, a. a. O., S. 410; Otte, Gesch. der deutschen Kunst des Mittelalters in auszewählten Beispielen, Leipzig 1862, S. 168.
    3) Ueber die Tafel- und Wandmalerei bei den Griechen vergleiche noch: Walz, im Kunstbl. für 1837, S. 142 ff.; Welker, alte Denkmäler, IV. S. 220 ff., und derselbe im rhein. Museum für 1862, S. 297 ff.; ferner über die Bemalung und Malerei an antiken Gebäuden und Bildwerken Schorn, im Kunstbl. für 1836, Nr. 66 ff.; Klenze, a. a. O., S. 234 ff. und S. 544 ff., und Semper, der Stil, I., sowie über einige neuerlich im Peiräus durch Professor Ross in Athen aufgefundene Grabsteine das Kunstblatt für 1838, Nr. 59, woselbst auch Abbildungen der Grabsteine gegeben sind; endlich über eine spätere diesfällige Schrift von Raoul-Rochette:



hieraus lasse sich schliessen, dass die Bildschnitzer nicht blos durch Zunftvereinigung den Malern weit näher gestanden als den Bildhauern und den Steinmetzen, sondern auch in Styl und Behandlung ihrer Werke von denselben abhängiger gewesen, ja meist unter ihrer Aufsicht gearbeitet haben, wenn es sich davon handelte, Kunstwerke, wie Altäre und Bildschreine aufzustellen, an welchen Malerei und Schnitzwerk vereinigt wurden; nehme man hinzu, dass wahrscheinlich viele Maler seIbst Bildschnitzer gewesen, wie man dieses von Albrecht Dürer wisse, so erkläre es sich, warum bei Werken der erwähnten Art immer nur die Maler, nicht aber die Bildschnitzer genannt werden. Diese Bemerkung von Schorn dürfte wenigstens hinsichtlich der Bildhauer nicht ganz das Richtige treffen. Der Grund, weshalb in den bürgerlichen und städti-




Walz, im Kunstbl. für 1842, Nr. 82. Letronne, mit dem hinsichtlich der Wandmalerei an sich Walz, Klenze und Welker zum grossen Theile übereinstimmen, hatte gegen Raoul-Rochette, der allein die Tafelmalerei gelten lassen wollte, die Idee vertheidigt, dass nach aus Aegypten ererbterTradition (indem Letronne die ägyptischen Einflüsse auf die griech. Kunst anerkennt, wie die phömocisch-ägyptischen Abeken und Brunn, im Kunstbl. von 1846, Nr. 24 und 25, auf die griechische und altetruskische) auch in Griechenland alle Tempel und Hallen bemalt gewesen seien. Dagegen richtete Raoul-Rochette zulezt seine Lettres archéologiques des Grecs, Paris 1840. Sind diese Ansichten über die ägyptischen Einwirkungen begründet, dann haben Diejenigen Recht, welche, wie z. B. auch Lepsius in einer Abhandlung in den Annali dell' Instituto di correspondenza archeologiea, vol. IX, die griechische Säule und manche andere architektonische Formen und die erste plastische Bildung der Griechen auf Aegypten zurückleiten. Klenze (S. 548) scheint es die ganze griech. Kunstgesch. zu beweisen, dass der Gebrauch gefärbter Architektur von den ägyptischen und phönicischen Kolonisten nach Griechenland gebracht worden sei; an die Kunstgebräuche dieser Kolonisten sind nach Klenze (S. 561) auch die alten Reliefvorstellungen anzuknüpfen, da alle altgriechische Malerei anfänglich von dem Gebrauche, die plastischen Reliefs zu koloriren, unmittelbar ausgegangen zu sein scheine und deshalb alle bekannten alten Vasengemälde reliefartig angeordnet und als Monochromen, d. h. mit einer oder höchstens zwei Farben ohne Schatten und Licht von dem ebenfalls farbigen Grunde abgesetzt seien. Namentlich soll nach Denon und Klenze (S: 618) auch die Malerei auf frischem Kalk aus Aegypten stammen.



schen Zünften des deutschen Mittelalters die Architekten sowohl, als die Bildhauer mit den eigentlichen Steinmetzen in der Bauhütte zu einem Ganzen (corpus, corporatio, universitas) vereinigt erscheinen, liegt in der Natur und Eigenthümlichkeit der gothischen oder germanischen Baukunst selbst, welche erst in den Städten und in den bürgerlichen oder städtischen Zünften selbst emporblühte. Die gothische Baukunst ist wesentlich zugleich oder als solche Steinmetzkunst, Bildhauerkunst, das Steinwerk überhaupt nach der sehr passenden Benennung der gemeinen deutschen Steinmetzordnung, indem kein gothisches Gebäude ohne die in Stein gehauenen Bildwerke ausgeführt zu werden vermag oder nur aus der Zusammensetzung derselben besteht und mit ihrer Ueberladung und Uebertreibung zu Grunde ging. Daher bildeten die Steinmetzen. die Steinkünstler, die Steinwerker, die Metzen und Masonen den nothwendigen Kern, den Mittelpunkt der gothischen oder städtischen Bauhütten, Steinmetzhütten, und die Steinmetzen waren von selbst oder ihrem innersten Berufe nach Steinmetzen im engern Sinne und (gothische) Baumeister und Bildhauer. Daraus begreift es sich weiter, dass die Bauhütten schon seit dem Ende des 14ten Jahrh. und jedenfalls während des 15ten und im Anfange des 16ten Jahrh. hier früher, dort später mit der gothischen Baukunst selbst zerfallen mussten und zerfielen, wogegen die alten Kunststiele wieder in dem Renaissance-Style auflebten. Der gothische Styl war zur Zeit seiner Blüthe der allgemeine und allbeherrschende Kunststyl und machte sich alle übrigen bildenden Künste, besonders aber die Bildhauerei, Holzschnitzerei und den Erzguss, ja selbst zu einem grossen Theile die Malerei dienstbar, 1) nahm diese als einen Bestandtheil, als eine Neben- und Hülfskunst in sich selbst auf, bis sie mit dem Aufkommen eines neuen Styles, des Renaissance-Styles die Selbstständigkeit errangen und sich von den Steinmetzen, den Steinwerkern oder Steinkünstlern sonderten. In der Geschichte der Zünfte im weitern Sinne, in den einzelnen Bestandtheilen derselben liegt




    1) Ueber mittelalterliche Bildhauerkunst und Bildhauer in England vergl. Kunstbl. für 1847, S. 10 ff.



mehr oder weniger auch die Kunstgeschichte eingeschlossen, indem daraus das gegenseitige Verhältniss der verschiedenen Künste mit grösserer oder geringerer Klarheit erkannt zu werden vermag. Man dürfte mit Wahrheit sagen, aus dem Untergange und Grabe der gpthischen Baukunst blühte die (selbstständigere) Malerei und Bildhauerkunst, wenn nicht gerade in Italien, doch in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland empor. 1) Die deutsche Malerei gelangte seit dem 14ten Jahrh., vornehmlich in den Malerschulen von Böhmen, Cöln und Westphalen zu höherer Ausbildung und Bedeutung. 2) In der ältern oder gothischen Cölner Malerschule zeichnen, sich besonders aus Meister Wilhelm um 1380, von dessen Lebensverhältnissen man aber freilich kaum mehr als dessen Namen weiss, und Stephan Lothener von Constanz (+ zu Cöln im J. 1451); von letzterm ist das berühmte sog. Cölner Dombild, die Anbetung der Könige, ehemals in der Rathhauskapelle, jetzt in der Agnetenkapelle des Domes. 3) Als eine Abzweigung der Cölner Malerschule erscheint die westphälische; derselben gehören mehrere in den Kirchen zu Dortmund und Bielefeld befindlichen Bilder an. 4) Die Umwandlung der gothischen oder älteren Malerei wurde in Flandern durch die Gebrüder Jan und Hubert van Eyck, 5) besonders durch die Einführung und allgemeinere Anwendung, wenn auch nicht Erfindung der (entweder schon im 9ten Jahrh. von einem Mönche im Kloster St. Gallen oder von Thomas de Mutina im 12ten oder 13ten Jahrh. erfundenen) 6) Oelmalerei herbeigeführt




    1) Otte, S. 155 ff.
    2) Vergl. Passavant, Beiträge zur Kenntniss der alten Malerschulen in Deutschland vom 13ten bis in das 16te Jahrh., - im Tüb. Kunstbl. für 1841, Nr. 87 ff., und derselbe im Kunstbl. für 1842, Nr. 41 ff.
    3) Otte, S. 160; P i p e r, I. 1. S. 60 und I. 2. S. 165, 538; Kunstbl. für 1841, S. 270 b. ff.
    4) Kunstbl. für 1841, Nr. 100 ff.
    5) Otte, S. 170; Kunstbl. für 1841, S. 215, für 1847, Nr. 41 und für 1849, Nr. 15; Carton, les trois frères van Eyck, Bruges 1848.
    6) Vergl. Klenze, S. 625.



und blieb nicht ohne Einfluss auf die zeichnenden und bildenden Künste in Deutsehland. Waagen vermuthet in Meister Josse van Eyck, welcher im J. 1391 als MitgIied der kirchlichen Brüderschaft Maria mit den Strahlen zu Brügge vorkommt, den Vater der berühmten Gebrüder van Eyck. In dem Verzeichniss der Mitglieder jener Bruderschaft wird später oder im J. 1412 Hubert van Eyck aufgeführt. 1) Am Tage der Messe des h. Bavo, d. h. am 1. October 1422, ward Hubert van Eyck zu Gent Gildebruder von der Gilde unserer lieben Frauen, auf Anrathen des Chors von St. Johannes zu Gent. In die Bruderschaft zu Brügge war im J. 1418 die Schwester Margaretha der van Eyck gleichfalls aufgenommen worden und bietet darin das seltene Beispiel eines weiblichen Mitgliedes. Jan van Eyck starb im Laufe des Monats Juli 1421 zu Brügge. Ein dritter, wenngleich weniger ausgezeichneter und berühmter Bruder van Eyck war Lambert van Eyck. Im J. 1523 trat Jan Cromste Corneliz in die Antwerpener Malergilde. 2) Im alten Augsburger Gerechtigkeitsbuche, welches im J. 1497 zu notiren angefangen wurde, wird von einem Meister Ludwig Schongauer, dem Maler, welcher indessen nicht der Vater des ausgezeichnetsten der deutschen Maler und Kupferstecher des 15ten Jahrh., des im J. 1488 zu Kolmar verstorbenen Martin Schongauer (welcher im J. 1442 die Kupferstecherkunst erfunden haben soll, deren Erfindung jedoch vermuthlich der flandrischen Malerschule angehört, nach Vasari dem Maso Finiquerra, einem Goldschmiede) 3) sein kann, gesagt, dass derselbe zwei Kinder, Martin und Susanna, gehabt habe, die der Zunft Gerechtigkeit besessen. 4) Ambrosius Holbein, Bru-




    1) Waagen, im Kunstblatt für 1849, S. 58.
    2) Kunstbl. für 1846, S. 41 a. Ausführliche Nachrichten über Maler-, Musik- und Baugilden oder Schulen Antwerpens findet man bei Eugène Gens, histoire d'Anvers, Anvers 1861. Namentlich sind die Musik- und Sängerzünfte, die Meistermusiker und Meistersänger nicht auf Deutschland beschränkt, sondern breiten sich auch nach den Niederlanden und Frankreich aus. Vergl. über den deutschen Meistergesang noch Gervinus, Gesch. der deutschen Dichtung, II. (Leipzig 1853) S. 230 ff.
    3) Kunstblatt für 1846, S. 168 a. oben.
    4) Kunstblatt für 1816, S. 167 a.



der des Hans Holbein, wurde im J. 1517 in die Malerzunft zu Basel aufgenommen. 1) Orcagna wurde im Jahr 1358 schon in der Pisaner Malerzunft immatriculirt und vorher durfte er nach den Statuten der Zunft keine Schüler, d. h. keine Gesellen und Lehrlinge annehmen, indem deren Annahme nach dem gemeinen Zunftrechte aller Länder oder Europa's nur dem zünftigen Meister zustand. 2) Der alte gothische Styl erhielt sich nur länger an Steinsculpturen, aus den vor angegebenen Gründen, und an Gusswerken, indem jene vorzüglich bei der Ausartung des gothischen Styles stehen blieben. In Italien findet man nur die eigentlichen, in Stein und Metall arbeitenden Bildhauer, wie Donato und Brunnellesco, auch nebenbei mit Schnitzwerken in Holz beschäftigt, und bemerkt in allen Werken dieser verschiedenen Materiale den gleichen Styl; die deutschen Bildner dagegen muss man auch dem Style ihrer Werke nach in zwei Klassen sondern: Bildhauer (in Stein), welchen die Bildgiesser sich anschlossen, und Bildschnitzer (in Holz). 3) In der deutschen Bildhauerei, welche sich, nach den ausgezeichneten Sculpturen in der Kirche zu Wechselburg, wahrscheinlich aus dem J. 1174 4) und nach der sog. goldenen Pforte zu Freiberg 5) zu urtheilen, vielleicht noch vor der italienischen entwickelte, blieb der Sculpturstyl, welcher sich durch seine Verbindung mit der Architektur charakterisirt, bis in das 16te Jahrh. herrschend, und das letzte vorzügliche Werk in diesem Styl ist ein Grabdenkmal, aus rothem Sandstein gehauen, im Chor der Stadtkirche zu Werthheim, welches für das Grabmal des im J. 1530, verstorbenen Grafen Georg von Werthheim gilt. Derselbe Styl erhielt sich in der Bildschnitzerei blos bis in die erste




    1) Kunstbl. für 1846, S. 185 b.
    2) Kunstbl. für 1847, S. 107 a; Ortloff, Recht der Handw., §. 76 und 77.
    3) Schorn, a. a. O., S. 2.
    4) Puttrich, Denkmale der Baukunst in Sachsen. 1te Abth., 2te Lief., Leipzig 1836; Kunstbl. von Schorn für 1837. S. 313 ff.; Piper, I. 1. S. 87.
    5) Puttrich, 1te Abth., 3te Lief., Leipzig 1838; Kunstbl. für1838, Nr. 78; Otte, S. 156.



Hälfte des 15ten Jahrh.; von hier zeigt sich der Einfluss der Malerschulen, von welchen nur die kölnische und die der van Eyck noch einige Uebereinstimmung mit den eigentlichen Sculpturstyl behielt. Die deutsche Bildschnitzerei verbreitete sich übrigens bis nach Polen und Oberungarn, besonders durch den Nürnberger Bildschnitzer Veit Stoss aus Krakau (+ 1542). 1) Dass nach Böhmen die Künste oder wenigstens die Malerei durch Deutsche unter Kaiser Karl IV. gebracht worden sei, beweiset schon, dass die Satzungen der Malerbruderschaft zu Prag im J. 1348 deutsch abgefasst, noch im J. 1380 ebenso durch Kaiser Wenzel bestätigt und erst im J. 1450 in das Böhmische übersetzt wurden. 2)

Dass die Maler und Bildhauer gewöhnlich keine besondern Zünfte ausmachten, sondern in andere Zünfte eingereiht wurden, hatte auch darin seinen Grund, dass sie, grössere Städte, wie z. B. Gent, Brügge, Antwerpen, Ulm, Colmar, Basel, Prag und Paris ausgenommen, in der Regel gewiss zu wenig zahlreich waren um nur eine eigene Zunft bilden und die hierfür nöthigen Ausgaben und Einrichtungen, besonders ein eigenes Zunft- oder Gildehaus, bestreiten zu können. Ohne Zweifel dienten übrigens auch hierin den Deutschen die französischen Einrichtungen mehr oder minder zum Vorbilde und kamen, mit dem nordfranzösischen oder sog. gothischen Baustyle selbst, zuerst in den Rheinlanden und in den Rheinstädten auf, da wir der von Einigen, z. B. von Hope und Wetter, 3) aufgestellten Ansicht, das Maurer- und Steinmetzenhandwerk habe sich gegen das Ende des 10ten Jahrh. aus der Lombardei hauptsächlich über Europa verbreitet und Jahrhunderte haben die aus der Lombardei aus und dahin,




1) Kunstbl. für 1837, S. 409 ff.; für 1847, Nr. 36 und 50. Im J. 1484 und 1489 erscheint Veit Stoss, Stuos als Zunftmeister, Cechmistrz zu Krakau, wie auch im J. 1491 und 1495 als Magister Mechanicarum; zwischen den J. 1484 - 1489 befand sich Veit Stoss in seiner Vaterstadt Nürnberg zur Anfertigung des Grabmals des h. Sebaldus.
    2) Kunstbl. für 1841, S. 362 a.
    3) Gesch. und Beschreibung des Domes zu Mainz, Mainz 1835, Anmerkung.



zurückwandernden Handwerker den lombardischen, romanischen oder vorgothischen Baustyl in allen europäischen Ländern ausgebildet, unmöglich zustimmen können, obwohl norditalienische Berührungen mit dem südlichen Deutschland in dem Städtewesen und zum Theil auel, in der Baukunst keineswegs bestritten werden sollen, nur waren dieselben nicht überwiegend und bestimmend. In der Lombardei selbst sollen sich nach Wetter vom Ende des 6ten Jahrh. an bis gegen das Ende des 8ten Jahrh. die meisten und besten Baumeister in der Gegend von Como befunden haben, so dass in den Gesetzen des Königs Rothar (um 650) magister comacinus, Meister von Como, als gleichbedeutend mit Baumeister und Maurer gebrauch werde (Leg. Rothar. Art. 144 und 145, bei Muratori, Script. rer. Ital. T. 1. P. II); sie seien mit ihren Gehülfen (collegis, consortibus suis) allenthalben hin zur Ausführung von Gebäuden berufen worden; um 1390 seien daher sehr ausgezeichnete Baumeister nach Mailand gekommen, um den dortigen Dom bauen zu helfen; zu gleichem Zwecke auch nach Pavia, Monza u. s. w.; Muratori mache hierzu die Bemerkung, dass noch seiner Zeit Maurer aus dem Mailändischen, besonders von den Ufern des Comer Sees und des Lago Maggiore durch ganz Italien gezogen seien; von daher und vom Garda-See seien noch gegen das Ende des 17ten Jahrh. viele nach Deutschland gekommen und haben sich da niedergelassen; dass dies im Mittelalter noch viel häufiger geschehen sei, lasse sich nicht bezweifeln; die Lombarden seien von jeher mit dem südlichen Deutschland in engem Verkehr gestanden und lombardische Kaufleute haben sich seit dem frühesten Mittelalter bis auf die neuere Zeit am Rheine und fast im ganzen südlichen Deutschland niedergelassen; vom 7ten bis zum 14ten Jahrh. habe sich fast der ganze Handel der Rheinländer in ihren Händen befunden (?) und sie haben Factorieen und Gildhäuser fast in allen Städten gehabt, welchen das Volk den Namen: Hof zum Lamparter gegeben; ein solcher Hof habe sich auch zu Oppenbeim befunden und Gutenberg erwähne ihn in einer Urkunde von 1434 als Eigenthum seiner Verwandten (bei Schöpflin, Vind. typ.); diese Lombardenhäuser seien in





früherer Zeit, ehe die Architektur in Deutschland eine eigenthümliche Richtung genommen hatte, ohne Zweifel (?) im lombardischen Styleerbaut worden; so sehr haben die Lombarden den Handel in Händen gehabt, dass der Name Lamparter gleichbedeutend mit Kaufmann geworden, wie z. B. Churfürst Adolf von Mainz in einer Urkunde von 1380 den italienischen Kaufmann Leo Ottini zu Bingen, welchem er 700 Gulden geschuldet, "unsern Lamperten" nenne; in Frankreich nenne man die Pfandhäuser noch heute Lombard, weil lombardische Kaufleute auch dort sich niedergelassen und die vornehmsten Gelddarleiher (Wechsler) gewesen; dieser enge Verkehr habe ohne Zweifel auch zur Verbreitung der lombardischen Bauart mit beigetragen, bis unter den Deutschen selbst sich tüchtige Baumeister bildeten und die Baukunst eine eigenthümliehe Richtung genommen, was endlich im 12ten und 13ten Jahrh. geschehen. - Alle diese Behauptungen und die denselben zu Grunde liegenden Thatsachen sind theils zu sehr ausgedehnt und verallgemeinert, theils offenbare blosse und falsche Vermuthungen, theils berühren sie gar nicht die in Frage stehende Hauptsache oder es sind die daraus gezogenen Folgerungen nicht zulässig. Wetter hätte z. B. auch anführen können, dass noch heute jeden Sommer zahlreiche italienische Strassen- und Maurerarbeiter nach der Schweiz kommen, die theilweise oder vereinzelt sich auch bleibend niederlassen; aber diese untergeordneten Arbeiter haben auf den Baustyl nicht die geringste Einwirkung, weil sie gleich den auch in ganzen grossen Haufen in die Schweiz einziehenden und im Herbst wieder zurückwandernden Tyroler Maurern blos auszuführen haben, was ihnen die inländischen Meister und Unternehmer vorschreiben und auftragen. 1) Auch zogen im 9ten Jahrh. n. Chr. 14,000 oder 30,000 Barderioten, ghebrische Perser oder Parsen, Ghebern nach Griechenland, welche einen erblichen Verein von Maurern () bilden und durch das ganze türkische Reich bei grossen Bauten berufen werden. 2) Albanien versieht noch jetzt den grössten




    1) Vergl. auch Kunstbl. von Schorn für 1837, S. 23 b.
    2) Böttiger, Amalthea, III. S. 109.



Theil der byzantinischen Halbinsel, einschliesslich des griechischen Königreichs, mit Maurern, und mehrere seiner östlichen Gebirgslandschaften sind fast ausschliesslich von den Familien solcher wandernder Maurer bewohnt. 1) Es ist überhaupt kaum möglich und widerspricht aller Geschichte, dass in einem Lande vereinzelte, wenn auch noch so zahlreiche, Einzüglinge, die noch überdem keine öffentliche mächtige und herrschende Stellung einnehmen, einen tiefergehenden Einfluss auf die Kultur und die Zustände eines Landes und Volkes ausüben, da man ja nur zu oft ganze erobernde und herrschende Völker der Sprache, Sitte und Kultur des eroberten und beherrschten Landes und Volkes unterliegen sieht, wie vorzüglich in China und in dem frühern römischen Reiche. Ein dem Lande ursprünglich fremdes Volk gleicht einer versetzten ausländischen Pflanze, welche sich den klimatischen und localen Einflüssen vergeblich zu entziehen strebt und daher bald ihre ursprüngliche und ausländische Natur verändert, sich acclimatisirt. Auch in unsern Tagen sind die in der deutschen Schweiz in grosser Zahl lebenden Deutschen bald belehrt worden, dass es eben so unvernünftig als unerreichbar sei, wenn der Ausländer seine Sitte und Ansichten dem fremden Lande auferlegen wolle, anstatt sich diesem Lande durch thunlichste Annahme seiner Sitte und seiner Ansichten freundlich zu nähern und zu verbinden. Nur Derjenige ist im fremden Lande beliebt oder wenigstens nicht verfolgt, welcher verbergen kann, dass er ein Fremder sei, und möglichst dem Inländischen sich füget. Die an die neu gegründete Hochschule zu Zürich im Jahr 1833 berufenen deutschen Professoren unternahmen zum Theil anfänglich einen gewaltigen Sturm auf die schweizerische Sitte, wussten nicht genug zu tadeln und anders oder deutsch zu verlangen, und waren mit ihren Beschwerden und Wünschen für den guten J. C. Orelli eine wahre Pein: aber freiwillig oder gezwungen verstummten sie endlich und wurden zürcherisch. Was man kaum glauben und vermuthen sollte, waren dabei die Süddeutschen, die stammverwandten Alemannen, die Heidel-




    1) Ausland für 1854, S. 339 a.



berger die schroffsten und die am schwersten zu behandelnden, was aber doch daraus sich erklärlich macht, dass die benachbarten Völker wegen ihrer häufigern feindlichen Berührungen sich hassen, wie in der deutschen Schweiz die Benennung der Schwaben für die Deutschen überhaupt nur in feindlichem oder auch verächtlichem Sinne gebraucht wird, was sich namentlich auch aus den Zeiten des allerdings für die Schwaben nicht ehren- und ruhmvollen Schwabenkrieges herschreibt. Die deutschen Schweizer und die eigentlichen Deutschen verhalten sich wie die feindlichen Brüder und jene ziehen nicht selten den Franzosen und Italiener dem ohnmächtigen deutschen Bruder und Stamm- und Sprachgenossen vor; indessen haben die Sprache, die Literatur und das Bedürfniss, selbst die Geschichte ein unauflösliches, jüngst so schön bewährtes Band um die deutschen Schweizer und das südliche Deutschland geschlungen, welche natürlichen Bande die feindlichen Menschen umsonst zu zerreissen sich bemühen. - Die von Wetter berührten Art. 144 und 145 des Edicti Rotharis lauten:

Art. 144: Si magister Comacinus cum collegis suis domum ad restaurandam vel fabricandam super se placito finito de mercede susceperit, et contigerit aliquem per ipsam domum, aut materiam, aut lapidem elapsum mori, aut quodlibet damnum fieri, non requiratur a domino, cujus domus fuerit: nisi magister Comacinus cum consortibus suis ipsum homicidium aut damnum componat. Qui postquam fabula firmata de mercede pro suo lucro susceperit, non immerito sustineat damnum.

Art. 145: Si quis Magistrum Comacinum unum aut plures rogaverit, aut conduxerit ad operam dictandum, aut solatium diurnum praestandum inter suos servos, ad domum aut casam sibi faciendam, et contigerit per ipsam casam aliquem ex ipsis Comacinis mori, non requiratur ab ipso, cujus casa est. Nam si cadens arbor, aut lapis ex ipsa fabrica occiderit aliquem extraneum, aut quodlibet damnum fecerit, non reputetur culpa Magistro; sed ille, qui conduxit, ipsum damnum sustineat. 1)




    1) Walter, corpus jur. Germ. ant., I. S. 700.



Auch Schorn hat sich in seinem Kunstblatte für 1837, S. 22 ff., entschieden gegen die Ausführungen von Wetter ausgesprochen, indem er namentlich hervorhebt, es bleibe völlig unerwiesen, dass erstlich die lombardischen Maurer und Steinmetzen eine förmlich organisirte Gilde ausgemacht, wie Hope behaupte, und dass sie zweitens eine eigenthümliche Kunstrichtung mit sich gebracht und aller Orten eingeführt hätten; die Verbrüderung der Steinmetzen scheine in England begonnen zu haben und die Urkunde von York sei noch immer das älteste darüber bekannte Document; von dort aus habe sie sich durch ganz Deutschland verbreitet oder sei hier nachgeahmt worden, und zwar finden sich deutliche Spuren davon erst im 13ten Jahrh., wo die spitzbogige Bauart beginnt; Lombarden aber haben auf diese deutschen Bauhütten bestimmt keinen Einfluss gehabt, sonst würden nicht deutsche Baumeister, wie Jakob der Deutsche zum Baue des Doms von Assisi, und Heinrich von Gemünd zu dem des Mailänder Doms berufen worden sein; so viel scheine gewiss, dass erst die grossen spitzbogigen Kirchenbauten in Deutschland, Frankreich und England hauptsächlich durch die Zunft der freien Maurer und Steinmetzen und ihre Bauordnungen gefördert worden; die Verbrüderungen italienischer Steinmetzen und Baumeister, wie aus den Statuten von Siena (Cicognara 3, 221) erhelle, unterscheiden sich wesentlich von den deutschen, indem sie hauptsächlich auf Feststellung und Sicherung der Rechte aller in der Stadt ansässigen Werkleute und auf Abwehrung fremden Zudranges gerichtet seien, während die deutschen Bauhütten jeden Fremden aufgenommen haben, durch alle Länder mit einander in Verbindung gestanden und keineswegs ausschliessende und provincielle, sondern gemeinsame kosmopolitische Rechte geübt. Es fällt sonach der lombardische Baustyl mit den lombardischen Bauhütten vollständig dahin , zumal wenn auch, wie es geschehen muss, in Betrachtung gezogen wird, dass einem häufigeren und innigeren, einem unmittelbaren Völkerverkehre zwischen Deutschland und Italien das hohe und schneebedeckte Alpengebirge ein fast unübersteigliches Hinderniss entgegensetzt. Wahrer äussert sich dagegen Wetter, S. 39 ff.,





über den nordfranzösischen Ursprung des gothischen Baustyls, obwohl S. 33 ff. Schorn auch diesem widerspricht und die Ehre und den Ruhm der Erfindung des gothischen Baustyls für die Deutschen in Anspruch nimmt. Wetter will die Façade von Notre-Dame zu Paris als Vorbild von der des Strassburger Münsters betrachten. Dass die Handwerke viel frühern und römischen oder gallischen Entstehens seien, zeigt auch z. B. die Lex Alamannorum Tit. 79. 7 (vergl. mit addita 44), wo es heisst: "Faber, aurifex aut spartarius, qui publice probati sunt, si occidantur, quadraginta solidis componantur." 1) In der Lex Burgundionum, Tit. 10, wird bestimmt:

"Qui aurificem lectum occiderit, CL sol. solvat.
Qui fabrum argentarium occiderit, C sol. solvat.
Qui fabrum ferrarium occiderit, L sol. inferat,
Qui carpentarium bonum occiderit, XL sol. solvat." 2)

An der Grösse der Composition ist hier der verschiedene Werth zu erkennen, den die Burgunder dem Gold-, Silber-, Eisen- und Holzarbeiter beilegten. Diese Handwerker waren natürlich überall servi. 3) - Die Lex Salica, Tit. 11, 6 verordnet:

"Si quis Majorem, Infestorem, Scantionem, Marisclalcum, Stratorem, Fabrum ferrarium, Aurificem, sive Carpentarium, Vinitorem, vel Porcarium, vel Ministerialem furaverit aut occiderit, vel vendiderit valentem sol. XXV (Malb. Theuca Texara) M. CCCC. den., qui faciunt sol. XXXV culpabilis judicetur, excepto capitale et delatura. 4)




    1) Walter, a. a. O., I. S. 224. Vergl. auch Dürrich und W. Menzel, die Heidengräber am Lugsee (bei Oberflacht aus der Zeit zwischen dem 4ten und 8ten Jahrh.), Stuttgart 1847. Nach dem Zeugnisse dieser Gräber erscheinen, bei den heidnischen Alemannen den römischen Handwerker, wie die Zimmerer, die Büttner, Tischler, Drechsler, Holzschnitzer und Metallarbeiter u. s. w. in mannichfacher und erfolgreicher Thätigkeit (Kunstbl. für 1847, S. 103).
    2) Walter, I. S. 310; Barkow, Lex romana Burgandionum, Greifswalde 1826. S. 11; Lex Angl. et Werin., V. 20.
    3) Vergl. Eichhorn, St.- und R.-esch., §. 84 b.
    4) Walter, I. S. 22: Schreiber, Taschenb., IV. S. 291 ff.



Es wird nicht entgehen, dass in den alemannischen, burgundischen und fränkischen Gesetzen der aurifex oder Geldarbeiter genannt wird, welche Industrie bei den germanischen Völkern jener Zeit unmöglich eine einheimische, sondern einzig eine fremde und römische gewesen sein kann. Wenn Gregor von Tours (+ 595), II. S. 32, von der Belagerung von Vienne berichtet: "Verum ubi minori populo alimenta deficere coeperunt, Godegisil jussit expelli minores ab urbe. Quo facto expulsus est inter ceteros artifex ille, cui de aquaducta cura manebat," ist die befestigte Stadt, die Wasserleitung und der sie beaufsehende Handwerker, vielleicht ein Baumeister, gleich römisch. Vor etwa 40 Jahren hat Pertz in einem Codex des Klosters der SS. Trinita zu La Cava ein kurzes Verzeichniss von Bestimmungen der longobardischen Könige über den Arbeitslohn der Bauleute, "Memoratorio de mercedes Commacinorum" aufgefunden, welches in jenem Codex wie in einer Wolfenbütteler Handschrift in die Regierunzszeit des Longobardenkönigs Liutprand (713 - 744) gestellt wird 1) und das zuerst zu Turin im J. 1846 unter dem Titel herausgegeben wurde: "Regum Longobardum leges, quas C. Baudius a Vesme primus edebat, Carolus Promis commentariis auxit." A. v. Reumont berichtet über diese Ausgabe der fraglichen Gesetze erläuternd in Nr. 30 des Tüb. Kunstblattes für 1847 wobei er die Bemerkung vorausschickt, dass die Magistri Comacini bis zum 14ten Jahrh. die meisten Bauwerke im grössern Theile Italiens aufführten; in derselben Weise wie vom Luganersee, aus Campione, eine ganze Schaar von Bildhauern und Steinmetzen im 13ten und 14ten Jahrh. hervorgingen, von denen Tiraboschi und Cicognara und neuerdings Defendente Sacchi in der Erläuterung der Arca di S. Agostino zu Pavia berichten; 2) wie endlich heute noch Carrara zugleich Werkstatt und Schule sei. Auch an die römischen Cosmaten und ihre Schule, deren Geschichte zuletzt von Promis und Gaye (Turin 1836) behandelten, 3) erinnert




    1) Vergl. Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, V. (Hannover 1824) S. 247 ff.
    2) Kunstbl. für 1834. Nr. 28 - 30.
    3) Kunstbl. für 1839, Nr. 61 - 64.



Reumont. Gleichzeitig mit jenen Gesetzen erschien: Fr. Osten, die Bauwerke in der Lombardei vom 7ten bis 14ten Jahrh., I. Lieferung, Darmstadt 1846, dessen oberstes Verdienst nach dem Urtheile G. Kinkel's darin besteht, dass Osten beweist, der Gewölbebau sei niemals untergegangen, sondern durch das Mittelglied der Longobarden ab römische Erbschaft gepflegt und dem nachkarolingischen Italien getreulich überliefert worden. Die longobardischen Verordnungen über den Lohn der Bauleute lauten:

  1. "Id est si sala (Hirtenwohnung und Stall, die Hallen der grössern Wohnungen, anfänglich mit dem Feuerheerde zu ebener Erde, dann im ersten Geschoss) fecerit, reputet tegulas (Ziegel) in solido uno (die zur Kaiserzeit etwa 1 Ducaten geltende, später aber bedeutend im Werthe gesunkene Goldmünze, deren Drittel, tremis, in diesen Verordnungen mehrmals vorkommt) numero sexcenti; si in solario (Söller, überhaupt oberes Geschoss der Wohnung, im Mittelalter auch das ganze zweistöckige Haus), tegulas quadringenti in solidum unum vestitum: quia quindecim tegulas viginti pedes lebant (nach Merkel: levant, nach Promis: libent)."

  2. "Item de muro. Si vero murum fecerit, qui usque ad pedem unum sit grossum, dupplicentur mercedes, et usque ad quinque pedes subquinetur; et de ipso muro vadant per solidum unum pedes ducenti viginti quinque. Si vero macinam (das Baugerüst, ponte da muratore der Italiener, bei Isidorus von Sevilla machiones, womit nach Reumont das französische maçon zusammenhängt) 1) mutaverit, det pedes centum octoginta in solidum unum, usque ad pedes quinque sursum; in longitudinem vero numerum ter quinos per tremisse. Similiter et si murum dealbayerit (unter dealbare muss man Reumont zufolge die gesammte Wandbekleidung mit der schliesslichen Uebertünchung verstehen), sexcenti pedes vadant per




    1) Vergl. Symbolik, II. S. 277; Rich, Wörterbuch, unter Machina () und Machinarius (jemand, der auf einem Gerüste arbeitet).



    solidum unum. Et si cum axes clauserit et opera gallica (wie Promis ausführt, ohne Zweifel eine Bretterwand oder eine Art Täfelung, wofür die Ausdrücke Opus romaniense, Opus saracenicum eine Analogie bieten) fecerit, mille quingenti pedes in solidum vestitum vadant. Et si arcum (gewölbten Bogen) volserit, pedes duodecim (nach Reumont's Vermuthung wohl Quadratfuss, indem der Kubikfuss bei den Longobarden nicht erwähnt werde) vadat in solidum unum. Si vero materias (Querbalken) 1) capellaverit majores minores, capita viginti per tremisse vadant; armaturae vero et brachiola (Speichen, ital. saettoni oder razzi) quinque ponantur pro uno materio."

  1. "De annonam. Tollant magistri annonam per tremisse unum segale moda tria, lardo libras decem, vino ornam unam, legumen sextaria quatuor, sale sextario uno, et in mercedes suas repotet."

  2. "De opera. Similiter romanense si fecerit, sic repotet sicut gallica opera, mille quingentos pedes in solidos uno. Et scias ubi una arcula (eine Wölbung, was Reumont aber sehr gewagt erscheint) 2) ponitur, viginti et quinque seindulas (Schindeln, bei Vitruv und Plinius seandula und scindula, 3) lebant; quia tegulas mille quingenta et sexmillia quingenta scindulas lebant. 4) Et si massas (Fundamente und die bei den Römern mit dem griechischen Wort Emplekton benannten Theile, bei denen der Raum zwischen den Stirmauern mit zerbrochenen Steinen und Mörtel ausgefüllt wurde) 5) fundederit, sexcenti pedes in solidum unum."




    1) Vergl. Rich, illustrirtes Wörterbuch der römischen Alterthümer, unter Materiarius (Bauholzhändler, Holzarbeiter, z. B. ein Zimmermann, Schiffbauer) und Materiatio (das Zimmerwerk eines Daches).
    2) Für arcula will Promis tegula emendiren.
    3) Rich, Wörterbuch, unter Scandula und Scandularius (Schindler).
    4) Hier soll nach Promis seiner angegebenen Emendation wegen gelesen werden: quia tegulae illae quinquaginta et sex, milia quatuorcenta scindulas lebant, was Reumont mit Grund verwirft.
    5) Rich unter Emplecton.



  1. "De caminata. Si magistros caminatam (= caminus, Kamin) 1) fecerit, tollat per unam tremissem unum. Et si, abietarii eancellas (Gitter von Tannenholz) fecerit, per solidos uno vadat pedes duodecim. Si vero peumas (= pegmas, Brettergerüste, worüber auch Rich unter pegma () wie unter cancelli zu vergleichen ist) fecerit, quantos pedes habent, tantas siliquas (der 24ste Theil des Solidus) lebant. Et si carolas (Gitter mit kleinen Steinpfeilern) fecerit cum gisso, det per tremisse carolas quattuor: annonas ei non repotetur."

  2. "De furnum. Si vero furnum 2) in pensele 3) cum caccabos (grösseres oder kleineres Töpfergeschirr zur Ausfüllung der Wände und namentlich zur Erleichterung der Gewölbe) fecerit, et postes (die grossen steinernen Posten) tres aut quattuor habuerit, et cunt pineam (Giebeltheil) suam levaverit caccabos ducenti quinquaginta ita ut pinea ipsa habeat caccabos vigintiquinque, exinde tollat tremissem unum; et si quingentos caccabos habuerit, habeat duos tremisses; et si mille fuerint caccabi, tollat exinde mereedes tremisses quattuor."




    1) Rieb unter Caminus (). Das altdeutsche Kemenate bildet die Parallele zu Caminata, sala caminata, d. i. die mit einem Feuerheerde versehene Halle, welche Carminata in diesen Verordnungen als das älteste Beispiel vorkommt. Rich glaubt, dass, wenn die Alten Schornsteine, Kamine kannten, sie dieselben sehr selten anwandten. Auch Reumont bekennt sich zur ähnlichen Ansicht, dass die regelmässigen, über das Dach sich emporhebenden Schornsteine erst seit dem 8ten Jahrh. in Italien entstanden und im 15ten Jahrh. allgemeiner geworden, oder auch zur Verhütung von Feuersbrünsten zuweilen einzuführen vorgeschrieben worden seien, wie man u. A. aus einer 1460 gemachten Aeusserung des Leon Batista Alberti's ersehe. Dass das deutsche Kemenâte, awhd. cheminâta, von dem lateinischen caminata abstamme und zunächst die Bedeutung eines heizbaren Gemaches habe, möchte kaum zu bezweifeln sein; vergl. jedoch die mittelhochdeutsehen Wörterbücher von Benecke und Ziemann, sowie Schmeller, bayerisches Wörterbuch, II. S. 295.
    2) Furnus bezeichnet nach Rich u. d. W. einen Ofen, um Brod oder jede andere Sache darin zu backen.
    3) Nach Reumont muss man bei pensele oder pisile, wie andere Handschriften lesen, wohl an jene Bedeutung von pisalis denken, welche Guerard hat: conclave vaporario vel fornacula calefactum, unde gallice poële.



  1. "De puteum. Si quis puteum (Brunnen) 1) fecerit ad pedes centum, tollat exinde solidos XX; annonas ei non repotetur. Puteus autem de pedes XXXV, solidos quattuor; puteus vero de pedes viginti sex, solidos tres; puteus autem de pedes duodecim, solidum unum: annonas ei non repotetur."

  2. "De marmorarios. Si quis axes marmoreas (Marmorplatten zur Bekleidung der Wände und zu sonstigem Gebrauch) 2) fecerit, det pro solido uno pedes XXV. Et si columnas (dünne Säulchen, die vielfach zu Bauwerken verwandt wurden) fecerit de pedes quaternos aut quinos, det per tremisse columnas quattuor: annonas ei non repotetur."

Die Einfügung dieses longobardischen 3) und vielleicht ältesten deutschen Baugesetzes möchte um so gerechtfertigter sein, als unter allen Wandervölkern die Longobarden zuerst und noch vor den Franken den Schritt zu derjenigen Form der Bedachung, zu dem gewölbten Dache gethan haben, welche die Seele der romanisch-gothischen oder romantischen Baukunst geworden ist. Wenngleich die Longobarden demnach als die nächsten und eigentlichen Vermittler zwischen der antiken und der mittelalterlichen, der romanisch-gothischen Baukunst erscheinen, haben dennoch die Baukunst nicht sie, sondern die Franken, oder vielmehr die Gallier nach Deutschland hinübergetragen, wie dieses wenigstens hinsichtlich der gothischen Baukunst stets mehr ausser Zweifel gestellt wird. 4) So wird 1263 bis 1278 die Stiftskirche zu Wimpfen im Thal durch einen aus Paris gekommenen Baumeister erbaut, und zwar auf Verlangen des Dechanten "opere francigeno," d. h. in gothischem Styl, wie im Jahr




    1) Rich unter Puteus.
    2) Vergl. auch Rich unter axis ().
    3) Auch von lombardischer Buchstabenschrift wird geredet; vergl. Mannert, I. S. 510.
    4) Vergl. Verneilh, origine française de l'architecture ogivale - der Architektur mit Strebepfeilern (ogives) -, bei Didron annales archéologiques, II. ff.; Otte, Uebarsiedelung des gothischen Baustyls aus Frankreich nach Deutschland, im Tüb. Kunstblatt für 1847, S. 115.



1287 Pierre Bonneuil mit 10 Gefährten von Paris nach Upsala reiste, um den dortigen Dom zu bauen, - 1343 Mathias von Arras den Dom zu Prag gründete, - 1386 Philipp Bonaventura aus Paris der erste Architekt des Domes von Mailand war, aber sammt seinen französischen Gehülfen einer Intrigue weichen musste, - der Franzose Hardouin 1390 San Petronio in Bologna begonnen haben soll u. s. w. 1) Ueber die zwischen 1263 - 1278 fallende Erbauung der frühgothischen Stiftskirche zu Wimpfen im Thal sagt das Chronicon ecclesiae Wimpensis des dortigen, 1300 verstorbenen Dechanten Burchard de Hallis: "Monasterium a R. P. Crudolfo constructum, praenimia vetustate ruinosum, ita ut jam in proximo ruinam minari putaretur, diruit accitoque peritissimo architecturae artis latomo, qui tunc noviter de villa Pariensi et partibus venerat Franciae, opere Francigeno Basilicam ex sectis lapidibus construi jussit (nämlich der Dechant Richard von Dietensheim). 2) Otte bemerkt noch, dass Deutschland wohl an dem im J. 1207 gegründeten Chor des Domes zu Magdeburg mit seinem Kapellenkranz das älteste Beispiel jenes primitiven französischen Kathedralstyls besitze: in der Weise jedoch, dass der Baumeister, welcher offenbar das neue französische System kannte, das altherkömmliche Einheimische in eigenthüinlicher Weise mit dem in der Fremde Neugeschaffenen zu verschmelzen gewusst habe, weshalb auch Kugler mit Recht den Magdeburger Domchor nicht den romanischen Bauwerken beizähle, sondern ein gothisches Gebäude, doch stark versetzt mit romanischen Formen, nenne.

Meiners, über die Wiederherstellung der Freiheit und des Standes der Freien in den Städten, in dem von ihm und Spittler herausgegebenen göttingischen historischen Magazin, VIII. S. 614 ff., betrachtet die italienischen Städte und besonders diejenigen des oberen Italiens als die Geburtsstätte der (jedoch schnell wieder verlornen) Freiheit. Die durch Handel und Manufacturen mächtigste und reichste Stadt in Italien war im 14ten und 15ten Jahrh. nach




    1) Kunstbl. für 1847, S. 42 b.
    2) Müller, Beiträge zur teutschen Kunst- und Geschichskunde, I. (1832) S. 73, und im Kunstbl. für 1847, S. 115 a.



Macchiavelli Florenz; denn nirgends waren die grossen und kleineren Zünfte oder Aemter (arti maggiori und minori) so stark und genau verhunden, nirgends die Kaufmannschaft begüterter und angesehener als in dieser Stadt. 1) Nachdem Florenz, wie Macchiavelli schreibt, die Gibellinen in so grosser Zahl aus seinen Mauern vertrieben hatte, dass Toskana und die Lombardei voll von ihnen waren, stellten die Guelfen und Die, welche in der Stadt blieben, im Kriege mit Arezzo, ein Jahr vor der Schlacht bei Campaldino, 1200 Gendarmen und 12000 Mann Fussvolk eigner Bürger in das Feld. Später im Kriege mit Philipp Visconti, Herzog von Mailand, als die Kraft des Kunstfleisses, nicht die eigenen Waffen - denn diese waren in jener Zeit vernichtet - zu erproben war, gaben die Florentiner in den 5 Jahren, die dieser Krieg dauerte, 5 Millionen Gulden aus, und nach beendigtem Kriege belagerten sie, missvergnügt über den Frieden, um die Macht ihrer Stadt besser zu beweisen, Lucca. Am Ende des 13ten Jahrh. zählte die Stadt Florenz 30000 und ihr Gebiet 70000 waffenfähige Bürger. Indessen sollen im 15ten und noch im 16ten Jahrh. auch in Lübeck 50 - 60000 wehrhafte Männer gewesen sein. In Nürnberg wurden zu den Zeiten von Conrad Celtes 4000 Kinder geboren und 52000 Bürger gezählt. 2) - Florenz entstand als Stadt unter der römischen Herrschaft und wird in den Zeiten der ersten Kaiser zuerst von den Schriftstellern erwähnt. 3) Florenz wurde sodann durch Totila, König der Ostgothen, zerstört, aber 250 Jahre später von Karl dem Grossen wieder auferbauet. Nach dem Tode Kaiser Friedrichs II. + 1250), welcher als König von Neapel auch Florenz be-




    1) Vergl. Macchiavelli, die florentinische Geschichte, übersetzt von Ziegler, Karlsruhe 1834, 8. VIII ff. (Bd. IV. der übersetzten sämmtlichen Werke); Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, V. S. 169 ff.
    2) Meiners und Spitller, Gött. histor. Mag., VIII. S. 673, Anm. a.
    3) Vergl. auch, was in dieser Hinsicht Benvenuto Cellini bei Göthe, Werke, XXIX. S. 5 ff., sagt, indem er die Gründung der Stadt Julius Caesar zuschreibt und ihren Namen theils von Florino von Cellina, theils von den blühenden Blumen ableitet.



herrscht hatte, hielten die Florentiner die Zeit für günstig, 8ich eine freie Verfassung zu geben, indem sie an die Spitze der städtischen Regierung 12 jährlich wechselnde Anzianer (Aelteste, Seniores populi, Senatores) setzten. 1) Etwas später wurden durch die 36, welche zur Reformation der Stadtverfassung bestellt worden waren, die ganze Stadt eingetheilt in 12 Zünfte, eine jede Zunft mit einer eigenen Fahne, unter welcher sie sich bewaffnet versammeln und ausziehen sollte. Anfänglich waren 7 grosse und 5 kleine Zünfte, allein die Zahl der letztern vermehrte sich sodann auf 14, so dass im 15ten und 16ten Jahrh. im Ganzen 21 Zünfte zu Florenz bestanden. 2) An diese Zünfte ging alsbald die eigentliche Stadtregierung über 3) und Macchiavelli gibt in seinem Fürsten, Kap. 21, daher den Rath, dass der Fürst auf die Zünfte Rücksicht nehmen und sich zuweilen in ihre Versammlungen begeben, sich leutselig und mildthätig bezeigen solle. Die erste und mächtigste unter allen Zünften war die Wollzunft, weil verschiedene andere Handwerke in dieselbe eingetheilt waren und in dieser ihrer Zusammensetzung sie den grössern Theil der Menge beschäftigte und ernährte. Vom J. 1378 - 1381 herrschte zu Florenz, besonders durch das Uebergewicht der niedern Handwerker, eine höchst blutige und verderbliche Pöbelherrschaft. 4) Der Kampf, welchen die Zünfte, das Volk und Plebejer mit dem Adel und den höhern Ständen fast Jahrhunderte lang zu Florenz rangen und den Macchiavelli, gleich dem grossen Dante (+ 1290), Guicciardini (+ 1540), Benvenuto Cellini und vielen Andern selbst ein Florentiner, mit unübertrefflicher Meisterhand geschildert hat, erinnert vielfach an den im höhern Geiste geführten Ständekrieg der jungen römischen Republik. 5) Nebenbei verdient auch angeführt zu werden, dass im J. 1521 der zu dem versammelten Capitel der Franziskaner




    1) Macchiavelli, S. 57; Mannert, I. S. 374.
    2) Macchiavelli, S. 61.
    3) Macchiavelli, S. 134.
    4) Macchiavelli, S. 151.
    5) Vergl. auch Goeler, Handwerker, Fabrikanten und Zünfte bei Griechen und Römern, im Auslande für 1861, S. 814 ff.



nach Carpi als Gesandter abgeordnete Macchiavelli zugleich von der Wollzunft zu Florenz den Auftrag erhalten hatte, ihr einen tüchtigen Prediger für die nächste Fastenzeit zu verschaffen, was zu einem Briefwechsel zwischen dem berühmten Geschichtschreiber Francesco Guicciardini, damals Gouverneur des Papstes zu Modena, und Macchiavelli Veranlassung gab. 1) Diese Nachricht ist insofern nicht ohne Bedeutung, als sie zeigt, dass auch in Italien die Zünfte ihren eigenen Gottesdienst, beziehungsweise besondere Kapellen und Geistliche hatten. Im Auftrage derselben Wollzunft reiste im J. 1525 Macchiavelli nach Venedig, um für dieselbe ein Guthaben von 1500 Goldducaten einzutreiben. Je umfassender und allseitiger die Geschichte der Innungen und Zünfte erforscht und dargelegt werden wird, um so mehr wird es erkannt und bestätigt werden, dass die Handwerksgenossenschaften ursprünglich wesentlich religiöse Genossenschaften derselben Berufsgenossen seien und daher namentlich auch die christliche Kirche, wenn nicht auf die Entstehung, doch auf die Befestigung der Zunftverfassung grossen Einfluss geübt habe. 2) Die. Zunftgenossen im vollen mittelalterlichen Sinne, wie sie namentlich zu Florenz uns entgegentreten, waren Kirchen-, Berufs-, Waffen- und Herrschafts- (Regiments-) Genossen. Mit der Kirche wuchs die Stadt und mit der Stadt der Staat heran; die Städte sind zugleich Staaten, und die Stadt und den Staat beherrschen die Handwerker und Kaufleute, die Industrie, das Gewerbe und der Erwerb. Die Staatengeschichte Italiens ist zum grössten Theile vom 12ten bis 16ten Jahrh. nur die Geschichte der italienischen Städte, besonders von Venedig, Mailand, Genua, Florenz, Pisal Lucca, Rom u. s. w.; aber das eigentliche Städteleben beschränkt sich auf Ober- und Mittelitalien und geht im Königreich Neapel gleichsam im Könige unter. Die italienische Städtegeschichte ist die vollkommenste Schule der Staats- und Kriegskunst, des Staatshaushaltes und der Staatsverwaltung u. s. w.




    1) Macchiavelli's sämmtliche Werke, übersetzt von Ziegler, VIII. S. 132 ff. und 235 ff.
    2) Vergl. auch K. S. Zachariae, vierzig Bücher vom Staate, V. (Heidelberg 1832) S. 19 ff., vergl. mit S. 82.



In der ersten Hälfte des 15ten Jahrh. blühte zu Florenz auch die Baukunst auf durch den ausgezeichneten Baumeister Filippo di Ser Brunellesco (1377 - 1444), dessen Bildsäule von Marmor, um seine Verdienste zu ehren, nach seinem Tode in der Hauptkirche zu Florenz aufgestellt wurde. 1) Brunellesco ist der Begründer der modernen Baukunst oder des Renaissance-Styles, noch bestimmter der Frührenaissance (1420 - 1500). 2) Im J. 1420 war eine Versammlung von Baumeistern aller Nationen nach Florenz berufen worden, um die Vollendung des dortigen Domes und besonders die Ausführung seiner Kuppel zu berathen und zu entscheiden; diese Versammlung wurde die Geburtsstätte des neuen Styles und Florenz übertrug dem Brunellesco, nach seinem kühnen Plane die Kuppel des Domes mit einer doppelten Wölbung, mit einer inneren und äusseren (Schutzkuppel) auszuführen. Die Kuppel erhebt sich bei einem Durchmesser von 130' zu einer Scheitelhöhle von 280', und mit der nach des Meisters Tode im J. 1461 durch Giuliano da Majana ausgeführten Laterne bis zu 330'. Die Ausführung des eigentlichen Kuppelbaues des Domes zu Florenz fällt mit der Vollendung des Münsterthurmes zu Strassburg in dieselbe Zeit, so dass also, während der gothische Baustyl auf der Spitze seiner Entwickelung anlangt, schon der neue Baustyl vorbereitet wird und lebendig beginnt. Für den florentinischen Palastbau wurde Brunellesco durch den von ihm erbauten Palazzo Pitti, also genannt von dem Bauherrn und Eigenthümer Luca Pitti, 3) gleichfalls zum stylbestimmenden Vorbilde. Die Gesammthöhe des 330' breiten Mittelbaues des Palastes Pitti beträgt 115'. Lübke nennt den Palast wegen seiner einfachen Grösse eines der erhabensten Profangebäude der Welt. Was Brunellesco, welcher nach Goethe (XXIX. S. 134) vielleicht auch die Gesetze der Perspective erfand, begonnen, setzten zu Florenz in rascher




    1) Macchiavelli, S. S. 192.
    2) Lübke, Gesch. der Archit., S. 510 ff.
    3) Macchiavelli, S. 329. Gleichzeitig liess Luca Pitti noch ein zweites kleineres, aber ebenso prächtiges und königliches Gebäude zu Rucciano, einem Ort eine Miglie von Florenz, aufführen.



Aufeinanderfolge Michelozzo Michelozzi (im Palazzo Riccardi) , Benedetto da Majono und Cronaca (im Palazzo Strozzi) und Giuliano di S. Gallo (in dem Palazzo Gondi) weiterbildend und vollendend fort. In gleicher Auszeichnung baute in dem benachbarten, von Papst Pius II. gegründeten Pienza der florentinische Meister Bernardo Rosellino und noch bedeutender für Profan- und Kirchenbau war der Florentiner Leo Battista Alberti (1398 - 1472), welcher die strengere archäologische Richtung vertritt. Der grösste und langjährige Beförderer der Kirchenbaukunst und der Profanbauten zu Florenz war der prachtliebende und doch einfache, im J. 1464 verstorbene grosse und reiche Bürger Cosmos von Medicis; von seinen vielen Kirchen- Kapellen- und Altarbauten abgesehen, liess er 5 Privathäuser für sich aufführen, eines in der Stadt und 4 in deren Umgebung, lauter Palläste nicht von Privatbürgern, sondern königlich. 1) Selbst zu Jerusalem hatte Cosmos, welcher jeden Fürsten seiner Zeit an Reichthum und Freigebigkeit übertraf, ein Hospital für arme und kranke Pilgrimme erbauen lassen. Das Grabmal des Cosmos in der Kirche S. Lorenzo trägt nach öffentlichem Beschlusse die Aufschrift: "Vater des Vaterlandes!" Ein sehr lebendiges und ansprechendes Bild des spätern allgemeinen Kunstlebens unter den Mediceern zu Florenz gewährt die von ihm selbst verfasste Lebensgeschichte des so berühmten Goldarbeiters und Bildhauers Benvenuto Cellini (zu Florenz geb. 1500 und + am 13. Febr. 1570), übersetzt von Göthe in Bd. 28 und 29 der Cotta'schen Gesammtausgabe. Im 58. Jahre seines Lebens von Paris nach Florenz zurückgekehrt, beschäftigte er sich daselbst unter dem Grossherzog Cosmos von Medicis vorzüglich mit dem Giessen seiner berühmten, zu Florenz aufgestellten Erzstatue des Theseus, was er im IV. Buche seiner Lebensbeschreibung umständlich beschreibt. 2) Gleichzeitig baute damals der grosse Florentiner Michel Angelo Buonarroti (1474 - 1563), Bramante, Raphael, B. Peruzzi und




    1) Macchiavelli, S. 330 ff.
    2) Goethe's Werke, XXIX. S. 1 ff.



Sangallo folgend, seit 1546 an der Peterskirche zu Rom, 1) woselbst ihn Collini vergeblich besucht hatte, um ihn zum Dienste des Herzogs von Toscana zu bereden. 2) Höchst lesenswerth ist bei Goethe, XXIX. S. 127 ff., der Anhang zur Lebensbeschreibung des Benvenuto Cellini bezüglich auf Sitten, Kunst und Technik. Als im J. 1500 Cellini geboren wurde, lebten folgende Künstler: Gentile Bellin, Johann Bellin, Luca Signorelli, Leonard da Vinci, Peter Perugin, Andreas Mantegna, Sansovino (auch ein florentinischer Bildhauer und Baumeister, den, wie Cellini schreibt, die venezianischen Obern sehr reichlich unterhielten), Fra Bartolomeo, Franz Rustici, Albrecht Dürer, Michelangelo, 3) Balthasar Peruzzi, Tizian (welchen Cellini noch in seinem spätern Alter von Florenz aus in Venedig, wie auch den daselbst befindlichen Meister Jacob del Sansovino besuchte und sehr freundlich von ihnen aufgenommen wurde), Giorgione, Raphael, 4) Andrea del Sarto, Primaticcio, Franz Penni, Julius Roman, Correggio, Polidor von Caravaggio, Rosso und Holbein, der erste in einem Alter von 81, der letzte von 2 Jahren. Die Geburtszeit des Cellini war daher in Wahrbeit die Zeit der grössten Künstler und der höchsten Kunst; nicht blos seinem Vater, sondern der gesammten Zeit war Cellini recht gekommen, Benvenuto. Lorenzo von Medicis, der Sohn des Cosmos, hatte in seinem Stadtgarten zu Florenz unter der Aufsieht des alten Bertoldo eine eigene Bildhauerschule angelegt, 5) wie er auch für ,die Florentiner zu Pisa eine Universität gründete. 6) Zu Gemälden, womit die Wände des gegen das J. 1504 für den grossen Rath zu Florenz neu erbauten Saales in der




    1) Lübke, S. 530 ff.
    2) Goethe, XXIX. S. 68.
    3) Michelangelo erhielt besonders auch von der Wollwirkerzunft zu Florenz mehrere grössere Kunstaufträge. vergl. Macchiavelli's sämmtl. Werke, VIII. S. 470 ff.
    4) Raphael verweilte im Anfange des 16ten Jahrh. 4 Jahre in Florenz, um die Cartons des Nlichelangelo zu studiren, und durch sie geleitet, verliess er den Styl seines Lehrers Piero Perugino.
    5) Goethe, XXIX. S. 135.
    6) Maechiavelli, S. 427.



sog. Dogana oder im Palazzo Veechio geschmückt werden sollten, hatten Leonardo da Vinci und Michelangelo zwei leider verloren gegangene Cartone entworfen, welche sogleich bei ihrer Entstehung die Aufmerksamkeit und den Nacheifer der ganzen lebenden Kunstwelt erregten, vorzüglich anregend aber auf Cellini einwirkten. 1) Der Vater Johannes Cellini war selbst ein sehr geschickter bildender Künstler, besonders im Orgelbauen und im Modelliren von Brücken, Mühlen und andern Maschinen, er arbeitete auch in Knochen und Elfenbein und war zugleich Rathspfeifer, wozu nur geehrte Handwerker genommen wurden. Wider den Willen des Vaters, der den Sohn durchaus zu einem Musiker bilden wollte, erlernte Cellini die Goldschmiedkunst. Die Gilde der Goldschmiede zu Florenz, als ihr eine erhabene Arbeit in Silber des jungen Cellini vorgezeigt wurde, erklärte ihn für den geschicktesten Gesellen. Doch wir können die florentinische Kunstgeschichte leider nicht weiter verfolgen und einzig noch sei bemerkt, dass nach Goethe, XXIX. S. 170, Cellini als Repräsentant seines Jahrh. und vielleicht als Repräsentant sämmtlicher Menschheit gelten dürfte. - Ausgezeichnete Wasserbaumeister hatte Florenz noch im J. 1504 aus der Lombardei kommen lassen. 2)

Auf den Umstand, dass eine Zunft bald nur aus einem einzigen Handwerke, bald aber aus mehreren besteht, gründete man die Eintheilung der Zünfte in einfache und zusammengesetzte. 3) Eine zusammengesetzte Zunft der Art bildeten z. B. zu Treysa in Churhessen die




    1) Goethe, XXIX. S. 26 ff.; Macchiavelli's sämmtl. Werke, übersetzt von Ziegler, VIII. S. 338 und 471. Vor dem Eingange jenes Palastes wurde damals die Bildsäule der Judith, als Sinnbild der Gerechtigkeit, das Werk des vor 30 Jahren gestorbenen grossen Künstlers Donatello aufgestellt und an der Ausschmückung des Grossrathsaales selbst wurde mehrere Jahre gearbeitet; Savonarola, welchen Mönch Goethe, XXIX. S. 168, ein fratzenhaftes, phantastisches Ungeheuer nannte, sagte, dass bei dem Baue die Engel selbst geholfen haben. Im Uebrigen ist über Savonarola noch zu vergleichen Theodor Wüstenfeld in den gött. gelehrt. Anzeigen für 1862, S. 924 ff.
    2) Macchiavelli, sämmtl. Werke, VIII. S. 441.
    3) Kulenkamp, das Recht der Handwerker und Zünfte, Marburg 1807, S. 49 ff.; Runde, Grundsätze, §. 469.



Schreiner, Glaser, Schmiede und Schlosser. In Württemberg wurden noch durch ein Rescript vom 14. Sept. 1753 die Ipser und Tüncher mit den Maurern und Steinhauern zu einer Zunft vereinigt. 1) Die diesfällige Handwerksordnung des Markgrafen A. Georg von Baden vom 22. Mai 1769, abgedruckt bei Ortloff, corpus juris opificiarii, 2te Auflage, 1820, S. 533 ff., verbindet zu einer Zunft die Meister des Steinmetz-, des Steinhauer-, des Maurer-, des Zimmer- und Schieferdecker-Handwerks. Der darin Aufzunehmende muss in drei Hauptstädten erweislich gewandert und dort wirklich gearbeitet haben, bevor er zur Anfertigung des Meisterstücks zugelassen wird. Es schliesst sich daran eine andere Eintheilung der Handwerke in Haupt- und Nebenhandwerke, 2) Hülfshandwerke, wie in einem solchen Nebenverhältnisse oder unterstützenden Verhältmisse die Lohgerber zu den Schuhmachern, - die Maler, Bildschnitzer, Schreiner, Zimmerleute und Schlosser zu den Bauleuten stehen. Je nachdem bei einer Zunft einem Meister nur eine bestimmte Zahl von Lehrlingen zugelassen oder diese ganz in sein Belieben gegeben war, auch je nachdem eine Zunft auf eine bestimmte Zahl von Meistern beschränkt war oder Jedem, der die gesetzlichen Bedingungen der Meisteraufnahme erfüllen konnte und wollte, der Eintritt offen stand, waren die Zünfte geschlossen oder nicht geschlossen, übersetzte oder nicht übersetzte, namentlich auch in Churhessen. 3) Aehnlich pflegt nach der Gesetzgebung der meisten deutschen Staaten die Anzahl der in den einzelnen Städten und Orten zulässigen Aerzte, Advocaten und Notare genau beschränkt zu sein, was aber wenigstens hinsichtlich der Aerzte und Advocaten einer gerechten und weisen Gesetzgebung widerspricht, daher auch in den freien Städten und in den schweizerischen und amerikanischen Freistaaten nicht besteht. Selbst bei einzelnen Freimaurerlogen des vorigen Jahrhunderts




    1) Weishaar, württemb. Privatr., I. §. 355.
    2) Kulenkamp, S. 51 ff.
    3) Kulenkamp, §. 17 und 12; Runde, Grundsäte, §. 470; Danz, Handbuch, §. 470; Gerber, System des deutschen Privatrechts, §. 56



war entweder durch landesherrliche Vorschrift, wie z. B. unter Kaiser Joseph später in Wien und überhaupt in Oesterreich, 1) oder auch durch die eigene Logengesetzgebung, die Zahl der Mitglieder beschränkt, so dass auch der würdigste Suchende oder Maurer nicht aufgenommen oder affiliirt werden konnte, bis eine Stelle durch Tod, Austritt oder Ausschluss erledigt war. Auch kam es bei den Zünften vor, dass zur Erlernung des Handwerks kein Auswärtiger als Lehrling aufgenommen werden durfte, und solche Zünfte hiessen gesperrte; 2) ihre Gesellen wanderten auch nur nach ebenfalls gesperrten Zünften. Zu Nürnberg konnten gewisse Handwerke nur auf bestimmten, dazu berechtigten Häusern betrieben werden, so von Bäckern, Hufschmieden, Wagnern und Baadern. 3) In Churhessen z. B. fanden sich jedoch keine derartigen Zünfte. Bei der Meisteraufnahme musste nach dem Grundsatze der Regalität der Handwerke auch im spätern Mittelalter von dem Aufgenommenen eine Abgabe an die Obrigkeit gezahlt werden. Ein Weisthum über die Vogtei Wetter in Churhessen vom J. 1239 bestimmt z. B.:

"Item quicunque vult exercere mercaturam sive meccanicam, debet acquirere a sculteto et consulibus, et debet quilibet pistor 4 solidos, pellifex 3 solid., sutor 3 solid., carnifex 4 solid., cerdo 4 solid., sartor 3 solid., cramerar. 4 solid. et unum talentum piperis. " 4)

Um die Zünfte zu brechen und zu strafen, wurden dann oft dieselben geöffnet und ganz frei gegeben. So verbot Bischof Heinrich Il. von Worms im J. 1234 schlechthin alle Zünfte und Innungen und gab den Verkauf der verarbeiteten Waaren Jedermann frei. 3) Als die Krämer und




    1) Lewis, Gesch. der Freimaurerei in Oesterreich, Wien 1861.
    2) Kulenkamp, §. 13; Danz, Handbuch des heutigen deutschen gemeinen Privatrechts, V. (Schweinfurt 1802) §.472; Runde, Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, §. 472; Ortloff, Recht der Handwerker, §. 3.
    3) Danz, V. S. 53. Ueber diese Realität der Gewerbe vergl. auch Mittermaier, Grundsätze, §. 525; Besaler, System, III. S. 238.
    4) Kulenkamp, S. 16.
    5) Danz, V. S. 45, Ortloff, §. 12.



Handwerker sich den erlassenen Münz-Edikten, nach denen die Preise der Waaren reducirt werden sollten, nicht fügen wollten, that Landgraf Moritz von Hessen durch Ausschreiben vom 22. October 1622 plötzlich alle Zünfte und Gilden daselbst dergestalt auf, dass es Jedem innerhalb und ausserhalb der Stadt freistehen sollte, Handwerke zu betreiben. 1) Der Reichsschluss von 1731, Artikel 13, 7, erklärt es für einen Missbrauch, wenn an diesen und jenen Orten nicht mehr, denn die einmal eingeführte und recipirte Zahl der Meister, geduldet werden wollen," 2) verbietet mithin die geschlossenen Zünfte. Hier sind auch die sog. Freimeister zu erwähnen, worunter man Diejenigen versteht, welche nicht auf dem gewöhnlichen Wege, sondern durch landesherrliche, oder obrigkeitliche besondere Vergünstigung, mit Befreiung von den Zunftartikeln und der Zunftgerichtsbarkeit, die Handwerksgerechtigkeit erlangt haben. 3) Die Benennung ist dem Namen der Freimaurer analog. 4) Von den Freimeistern, zu denen Danz die Universitätshandwerksleute zählt, weil sie der akademischen Gerichtsbarkeit unterworfen waren, sind die Gnadenmeister verschieden, welche unter Entbindung von gewissen Verpflichtungen und gegen Bezahlung gewisser Gebühren durch landesherrliche Gnade in die Zunft aufgenommen werden, daher auch eingekaufte Meister heissen. Dafür dass Erzbischof Wichmann zu Magdeburg im J. 1158 die dortige Schusterinnung bestätigte (Wichmannus primo fecit uniones institorum pannicidarum sagt auch um 1153 Wittekind in Chronic. Magdeburg. bei Meibom. Tom. II. p. 329) 5) und ihr einen Obermeister mit Gerichtsbarkeit über die Zunftgenossen gestattete, musste




    1) Kulenkamp, S. 25.
    2) Koch, neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Frankfurt a. M. 1797, IV. S. 384 a; Kulenkamp, S. 37; Schmauss, corp. jur. publ., Leipzig 1759, S, 1386.
    3) Danz, Handbuch, V. S. 16 ff.; Gerber, a. a. O , §. 56, Anmerk. 7; Ortloff, Recht der Handwerker, §. 87 und 88; preussisches Landr., Thl. II. Tit. 8, §. 184.
    4) Krause, II. 2. S. 354, Anm. a.
    5) Ortloff, Recht der Handwerker, §. 11.



dieser jährlich zwei Pfund Silber (duo talenta) bezahlen. 1) Ueber die vorberührten Eintheilungen der Zünfte und




    1) Danz, Handbuch, V. S. 39, welcher übrigens mit Runde, Grundsätze, §. 468, über den Ursprung der Zünfte ganz irrige Ansichten vorträgt. Darnach sollen die ältesten bekannten Zunftgesetze die Privilegien sein, welche im J. 1153 und 1162 die Erzbischöfe Wichmann und Ludolf einigen Zünften zu Magdeburg und Halle ertheilt haben. Hamburg habe im J. 1152 von Herzog Heinrich dem Löwen eine Gilde der Gewandschneider und Krämer bestätigt erhalten; in Magdeburg zeige sich erst 1158 eine Gilde der Gewandschneider. Bischof Adelbert zu Worms habe dort 1106 drei Fischerinnungen bestätigt. Die Tuch- und Leinwändhändler, desgleichen die Kirschner zu Quedlinburg haben von Kaiser Lothar II. die Befreiung von allem Standgelde auf dem Markt erhalten u. s. w., woraus denn auf den späten deutschen Ursprung der Handwerksinnungen geschlossen wird. In Württemberg seien die Innungen sogar erst im 15ten Jahrh. aufgekommen und die älteste Gilde seien hier diejenige derTrompeter und Spielleute (d. h. der an allen Höfen und bei allen Fürsten seit alten Zeiten befindlichen fahrenden Leute), welche sich um 1458 von dem Herzog Ulrich ein Zunftrecht haben geben lassen und ihre Zusammenkünfte nebst einer Lade (wohl Hauptlade, Generalcapital; vergl. darüber Kulenkamp, §. 21 und 30, - Runde, Grundsätze, S. 399, und Danz, Handbuch. V. S. 22) zu Stuttgart hatten; bald nachher um das J. 1484 seien auch die Schneider und Tuchscheerer zünftig geworden. Weishaar, Handb. des württemb. Privatr., I. (Stuttgart 1804) S. 239, erzählt etwas umständlicher nach Sattler: Die Trompeter, Pfeifer und Läutenschläger im Bisthum Strassburg und Konstanz seien um diese Zeit von dem Papste zum Abendmahl zugelassen worden, von dessen Genuss sie vorher ausgeschlossen gewesen. Aus Dankbarkeit haben dieselben dann zu Ehren der Maria eine Bruderschaft mit der besondern Verpflichtung eines sittlichen Windels gestiftet, deren Statuten in Württemberg die ältesten Zunftstatuten seien. Frisius, der vornehmsten Künstler und Handwerker Ceremonial-Politica, theilt auch das Ceremonielle der Trompeter und Pauker mit. Bei jenen Ansichten über das Alter der Zünfte ist völlig unbeachtet geblieben, dass der Ursprung und das Alter der Zünfte durchaus nicht gleichbedeutend ist mit den landesherrlichen Bestätigungs- und Anerkennungsurkunden, ganz abgesehen davon, dass wir die ältesten diesfälligen Urkunden sehr oft gar nicht kennen und daher die bekannten nicht auch für die ältesten halten dürfen. Dennoch theilt Mittermaier, Grundsätze, §. 502, im Wesentlichen die Ansichten von Runde und Danz über den Ursprung der Innungen und Zünfte und meint, es lasse sich nicht vor der Zeit der mittelalterlichen Städtebildung von Zünften sprechen; auch nicht in den alten römischen Städten? Eichhorn hat seine entgegengesetzte Meinung über den Ursprung der Corporationen gewerbetreibender Personen



überhaupt über die Zunftgebräuehe und das Zunftrecht ist auch noch besonders nachzusehen der wirklich mit Sachkenntniss verfasste, grössere Artikel über Zunft bei Pierer, Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. Aus diesem, in den neueren Ausgaben noch verbesserten Artikel ist hier auszuheben: Die Handwerke, mit Einschluss der mechanischen Künste, scheinen die Hebräer in Aeggypten kennen gelernt zu haben, was auch Klenze in Böttiger's Amalthea. II. S. 33 ff., als gewiss behauptet. Irn alten Testamente werden genannt Töpfer, Walker, Gold- und Silberarbeiter, Salbenbereiter und Schlosser; in den apokryphischen Schriften noch die Zimmerleute, Gerber, Schmiede und Zelttuchmacher. Es ist deshalb auch zu vermuthen, dass die zusammengehörigen Arbeiter, welche vielleicht öfters Sklaven waren, nach dem ägyptischen Vorbilde geschlossene und erbliche Innungen gebildethaben. wenngleich Pierer behauptet, das hebräische und griechische Alterthum habe keine Innungen oder Zünfte gekannt. Dagegen wird zugegeben, dass die bei den Römern uralten Collegien und Zünfte sich über das ganze römische Reich ausgebreitet haben, darunter namentlich auch die Bauzünfte. Bei den Deutschen sollen die Innungen und Zünfte erst seit dem 10ten und 11ten Jahrh. mit den Städten aus dem deutschen genossenschaftlichen Sinne und Geiste entstanden sein. Diese Ansicht ist schwer damit zu vereinigen, dass doch in dem Artikel über Bauhütte die Yorker Urkunde vom J. 926 als ächt anerkannt wird. Die deutschen Zünfte legten im Bewusstsein ihrer Nacht und in ihrem Uebermuthe den Obermeistern (archimagistris) selbst den Titel König bei, woher sich in den Schützengilden die Schützenkönige bis auf den heutigen Tag erhalten haben. In Württemberg wurden die Zünfte erst im 15ten Jahrh. eingeführt. 1) - Die Gesellen in




theils aus den Städten, welche nach römischer Art eingerichtet waren, mit allem Rechte auch in der vierten Ausgabe seiner Einleitung in das deutsche Privatrecht, Göttingen 1836, §. 381, unverändert beibehalten.
    1) Pierer, Bd. 33, S. 583.



ihren Brüderschaften erkannten den losgesprochenen Lehrling nicht eher als Gesellen an, als bis er sich auch bei ihnen hatte zum Gesellen machen urd in die Brüderschaft der Gesellen aufnehmen, zum Gesellen sprechen lassen (dictio socii); der gemachte Geselle erhielt einen Gewohnheitszettel (Diplom) und ein Gesellenzeichen, eine Art Ohrring (Logenzeichen), 1) womit er sich legitimiren musste. - Die fromme Gerberzunft zu Neapel liess Konradin, dem letzten der Hohenstaufen, eine Säule auf dem Marktplatze errichten. 2)

Dass in Deutschland vielfach die Zünfte oder die Handwerksgenossenschaften die Aemter (officia) genannt werden, 3) weiset auf den gallischen und somit römischen Ursprung gleichfalls zurück, indem das Wort Amt und Beamter wohl gallischer oder keltischer Abstammung sind. 4) Auch bezeichnet nnl. ambacht das Handwerk, dän. amt die Zunft; lett. ammats, - lapp. ammat, amptes, embikt, - finn. ammatti, - estn. ammat, das Amt oder auch den Dienst (officium), das Handwerk, die Zunft, 5) welche Bezeichnungen mit den daran anlehnenden Einrichtungen aber zunächst dem Deutschen entlehnt sind. Ambactus war vielleicht die gallische Uebersetzung von collegium, universitas oder collega (Innungs-, Handwerksgenosse) und diese Uebersetzung oder die volksthümliche Benennung ging auf die in Gallien zuerst eingedrungenen Germanen und damit überhaupt auf die germanischen Volksstämme über. Amboise (Ambatia, Ambacia) in Frankreich möchte nur die Stadt ursprünglich heissen, wie in Inschriften Ambat = Urbanus vorkommt. Das gallische Ambactus scheint die Verbundenen, die Befreundeten, die Zusammenhaltenden oder Gehörenden bezeichnet zu haben und in diesem Sinne sagt Cäsar de bello gall. VI. 15, von den gallischen Heerführern: "atque eorum ut quisque est genere copiisque amplissimus, ita plurimos circum se am-




    1) Symbolik, I. S. 77 und 95.
    2) Kunstbl. für 1846, S. 38 b.
    3) Ortloff, Recht der Handwerker, §. 2.
    4) Symbolik, II. S. 239; oben S. 249; Besoldi thesaurus pract., I. S. 38, Nr. 59.
    5) Diefenbach, O. E., S. 226, Nr. 18.



bactos clientesque habet." Die Ambacti und Clientes sind keine eigentliche servi oder ministri, wie Kraner zu dieser Stelle meint, denn sonst würde Cäsar sie also und nicht Ambacti und Clientes genannt haben; gerade, dass Cäsar die Benennung servi oder ministri vermeidet, beweist ihre Unzulässigkeit. Es war wohl zunächst eine freie Genossenschaft, eine freiwillige Gefolgenschaft, ein Bund, eine blosse Clientschaft, welche die Gallier ambactos nannten. wie auch Grimm im Wörterbuch, I. S. 280, es auffasst und vor ihm besonders Marchantius und Besold, I. S. 35, Nr. 55, auffassten. Cäsar berichtet, VI. 12, vor seiner Ankunft in Gallien haben die Haedui das grösste Ansehen (summam auctoritatem) besessen, magnae eorum erant clientelae, Germanos atque Ariovistum sibi adjunxerunt eosque ad se magnis jacturis pollicitationibusque perduxerant. Die Sequaner zwangen aber die Anhänger der Haeduer, das Bündniss und die Freundschaft aufzugeben und ihnen Treue zu schwören und durch Geisseln zu verbürgen. Aber dennoch war es kein Unterthanenverhältniss, weshalb Cäsar wohl überlegt nur sag: ut magnain partem clientium ab Haeduis ad se traducerent. Hiermit ist zugleich das halb gezwungene, halb freiwillige Verhältniss der Handwerksverbindungen bezeichnet; in ihren besseren Zeiten wählten sie (die Aemter) ihre Beamten, ihre Meister, ihre Vierer (da bei den grössern Zünften gewöhnlich 4 Obermeister sind) selbst. 1) Da Amt auch die Verwaltung des Gottesdienstes, besonders die Messe genannt wurde 2) und amten auch gleichbedeutend ist mit dem Singen des Hochamtes, 3) könnte die Benennung der Zünfte als Aemter auch eine gewisse Beziehung auf ihren gemeinsamen Gottesdienst haben und gleichbedeutend mit Bruderschaft sein; indessen ist in den Aemtern wohl mehr die dienstliche, die hofrechtliche Seite festgehalten und die Aemter waren ursprünglieber die zum Hofdienste verpflichteten Handwerksgenossen-




    1) Ortloff, Recht der Handwerker, §. 19.
    2) Benecke, mhd. Wörterb., unter ambahte; Grimm, Wörterbuch, unter Amt.
    3) Schmid, schwäb. Wörterb., unter amten.



schaften, - nach Besold universitates, quae ab uno Praefecto reguntur, wie schildesamt Ritterdienst ist, kamerambet, Amt des Kammerdieners, kellerambet, Amt des Kellners oder der Kellnerin, 1) - und alle Staatsämter, Staatsbeamte zugleich Staatsdienste, Staatsdiener sind; in dem gleichen Sinne auch namentlich vom Zunftamte gesprochen wird. 2) Amtmeister, Ammeister heisst der Obermeister in Zünften, 3) besonders zu Strassburg, und Amtsgenoss (collega) ist = Amtsbruder. Die ambetliute am Hofe sind der kameraere, truhsaeze, schenke und marschalc, 4) also die Vierer des Hofes. Auch pflegt noch gegenwärtig Meister und Beamter häufig ganz gleichbedeutend gebraucht zu werden, z. B. in Rheinbaiern Rentmeister und Rentbeamter. - Christus nennt sich den Meister mit seinen Jüngern oder Schülern, z. B. im Evangelium Marci 14, 14 und Matthäi 24, 18, ferner Johannis 13, 13 ff. Meister und König wird der Führer der Templeisen, der den Tempel des h. Gral bewachenden Ritter genannt. 5) Wie abhängig damals noch die Handwerker von dem Landesherrn gewesen und mit welcher Strenge die obrigkeitliche Aufsicht über dieselben geübt worden seien, zeigen besonders die sicilischen Gesetze (Constitut. Regni Siciliae, Lib. III. Tit. 49) des Kaisers Friedrich Il., indem er an jedem Orte über die Gold- und Silberarbeiter, Sattler, Schildner, Riemer, Lichtermacher, Grob- und Kupferschmiede und Schafter zwei Beamte setzte, welche darüber (gleichsam als Schaumeister) zu wachen hatten, dass gute Arbeit geliefert werde, deren Lohn schätzten und Zuwiderhandelnde dem Hofe vorzeigten; für die erste Zuwiderhandlung war die Strafe ein Pfund Gold oder Staubenschlag, für die zweite das Abhauen der Hand und für die dritte der Tod am Galgen. 6) Auch die grosse Zahl der Meister und Gesellen in einer Stadt machte nicht selten eine strengere




    1) Benecke, u. d, W.
    2) Grimm, I. S. 280.
    3) Grimm, u. d. W.; Besold, I. S. 35, Nr. 55.
    4) Ziemann, unter ambaht-man; oben S. 337.
    5) Lang, die Sage vom h. Gral, S. 187.
    6) Vergl. auch Danz, V. S. 42.



Polizei oder gar die Auflösung und das Verbot aller Zünfte nothwendig. Im J. 1304 zählte z. B. die Stadt Löwen allein 4000 Tuchwebermeister und 15,000 Gesellen; Stendal, woselbst im J. 1345 durch Markgraf Ludwig von Brandenburg die Gerber, Schuster, Gewandschneider und Bäcker den Zutritt zum Rath erlangt hatten, besass ungefähr gleichzeitig 600 Weber. 1) Herzog Rudolf IV. von Oesterreich hob zu Wien 1364 alle Zechen, Innungen und Handwerksgesellschaften auf und vernichtete ihre unter sich gemachten Gebote und Ordnungen. Unter Zeche ist hier eine Gesellschaft (Gilde) zu verstehen, die zu gemeinsamen Essen und Trinken, oder sonst zu gemeinsamen Zwecken Geld zusammenlegt, dann auch die so vereinten Personen und deren Zusammensein, der Ort, wo sie zusammenkommen. 2) Schmeller nimmt in die Definition der Zeche besonders auf, was zum Besten einer Kirche und ihres Dienstes zusammengelegt werde; metononymisch heisse Zeche auch Kirchgemeinde. Besonders im Bergbau wird unter Zeche eine Gesellschaft von Gewerken und das ihr verliehene Feld verstanden.

Im Allgemeinen und Wesentlichen, d. h. gewisse wenige auch den Bauern oder dem Landmanne unentbehrliche Handwerker ausgenommen, wie die Schmiede, Wagner, Schuster, Schneider, Ziegler, Bäcker, Müller u. s. w., sind die Handwerke (und der Handel) städtische oder durften zur Blüthezeit der Zünfte nur innerhalb der Stadt und eines gewissen Umkreises um dieselbe, der Bannmeile betrieben und geübt werden. Die Handwerker sind insofern gleichbedeutend mit Bürger, das Bürgerrecht ist in der Regel die Bedingung zur Erlangung des Zunft- und des Meisterrechtes und überall haben die Handwerker seit dem 14ten Jahrb. grösseren oder geringeren Antheil an der Stadtregierung, wenn sie diese nicht selbst in ihre ausschliesslichen Hände gebracht haben. Daher bildete sich der allgemeine, nur wenigen Beschränkungen und Ausnahmen unterworfene Grundsatz, dass eine vollständige




    1) Danz V. S. 47.
    2) Benecke, mittelhochdeutsches Wörterbuch, III. S. 859; Schmeller, bayerisches Wörterbuch, IV. S. 219.



Gewerbs- und Zunftverfassung nur in der Stadt stattfinden könne; 1) die Zünfte, vorzüglich. aber die Bauhütten hängen unzertrennbar mit den Städten zusammen und entstanden und bestanden daher auch mit denselben, machten nicht selten dieselben allein aus. 2) Die auf dem Lande wohnenden Handwerker waren deshalb auch regelmägsig einer städtischen inländischen und selbst ausländischen Zunft angehörig, um der Vortheile des Zunftverbandes und Zunftschutzes theilhaftig zu werden. 3) Die neuere Volkswirthschaffslehre, hat die Dreitheilung der Production, Fabrikation und des Handels aufgestellt und wenn sich die Eintheilung in die erzeugende, veredelnde und vertheilende Arbeit, wie Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, III. S. 237, mit Grund bemerkt, in der vollen wissenschaftlichen Bestimmtheit nicht durchführen lässt, weil die verschiedenen menschlichen Thätigkeiten vielfach in einander übergehen oder sich verbinden, ist sie dennoch nicht ohne tiefere Bedeutung und gewährt eine entsprechende Anschauung der verschiedenen Hauptzweige der Gewerbsthätigkeit. Die Handwerke, die Gewerbe im engern Sinne, wären sonach diejenige Thätigkeit, welche als die veredelnde bezeichnet wird, und es in den Städten und Zünften mit der Bearbeitung des Rohstoffes zu thun hatte.

Für den römisch-kirchlichen Ursprung der Innungen kann nicht unerwähnt gelassen werden, dass die Obermeister oder eigentlicher Erzmeister (Archimagistri wie Archiepiscopi), Viertelmeister, Aelteste, Geschworene u. s. f. auch Kerzenmeister genannt werden, weil sie die ehemals bei Leichenbegängnissen und andern Feierlichkeiten gewöhnlichen Kerzen in Verwahrung hatten. 4) Dabei ist zunächst zu beachten, dass das deutsche Kerze, ahd. charz, charza, cherza, selbst von dem latein. cera abge-




    1) Mittermaier, Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, §. 154 (der 5ten Ausgabe): Danz, Handbuch, V. §. 475; Runde, Grundsätze, §. 475.
    2) Mittermaier, a. a. O., 502, Anm. 13 und 22.
    3) Danz, V. S. 59 und S. 20 ff.
    4) Danz V. S. 94 ff.; Ortloff, Recht der Handw. 2te Ausg., Erlangen 1818, S. 68.



leitet ist. 1) Sodann trifft dieser Kerzenmeister vollkommen mit dem gleichfalls zunächst kirchlichen Zechmeister, Zechpfleger, Zechprobst zusammen, wobei Zeche das Vermögen einer Communität, einer universitas oder corporatio, besonders aber der Kirche bezeichnet. 2) In den Monum. Boica, XV. S. 586 ad 1377, heisst es: "Procurator seu yconomus ecclesie qui vulgariter Zechmaister dicitur." Der Zechschrein ist die Kirchenlade, wohin das Geld gelegt und wozu jeder Kirchenprobst (praepositus) einen Schlüssel haben soll; im weitern Sinne ist Zechschrein auch Innungslade, Zunftlade. Das polnische und böhmische cech für Zunft ist nach der Vermuthung Schmeller's wohl aus dem Deutschen herübergenommen. Zech heisst auch der Meistersinger, der Fleischhacker u. s. f., also ein jedes Mitglied einer Zeche oder Innung und Zunft. Auch glaubt Schmeller, dass am Ende die italienische zecca gleichfalls hieher gehören könne. Die Zechbrüder sind Vereinsgenossen, Zunftgenossen und Zechkerzen sind die Kerzen, welche bei Processionen von den Zünftern getragen werden. Der Kerzenmeister ist somit gleich dem Zechmeister (Zunftmeister), 3) Kirchen- und Zunftpfleger, Bruderschaftspfleger. Die Bewilligung zur Stiftung einer (kirchlichen) Bruderschaft ist demnach gleichbedeutend mit der Bewilligung zur Stiftung einer städtischen Innung und (spätern politischen) Zunft. Markgraf Ludwig der Aeltere von Brandenburg z. B. ertheilte im J. 1335 den Fleischern zu Prigwald das Privilegium, unter sich auf eben die Art, wie es in seinen andern Städten üblich sei, eine Brüderschaft zu errichten und darüber Vorsteher und Aldermänner (Aelteste) zu bestellen. In Stendal (wo Winckelmann, der grosse Schöpfer der Kunstgeschichte, am 9. December 1717 geboren wurde) verordnete derselbe Markgraf im J. 1345, dass in den Rath zwei Brüder aus der Gewandschneiderzunft, einer aus der Kürschnergilde, zwei aus der Krämerinnung, einer aus der Gerber- und Schuster-




    1) Benecke, a. a. O., u. d. W.
    2) Schmeller, IV. S. 219; Kaltenbaeck, die österr. Rechtsbücher des Mittelalters, II. S. 74 a oben, S. 154, Art. 10.
    3) Kaltenbaeck, II. S. 166, Art. 113.



zunft und einer aus der Bäckerzunft aufgenommen werden sollten. 1) - Auch gibt in bischöflichen Städten sich zuweilen, wie z. B. zu Osnabrüek, 2) die von der Gewalt des Bischofs und des Stiftes losringende und nach Einrichtung eines eigenen städtischen Wesens strebende Bürgerschaft dadurch zu erkennen, dass sie sich ihre eigene Kirche (ecclesia forensis) neben den bischöflichen oder Stiftskirchen, an Glanz zugleich mit diesen wetteifernd, erbaute. Schon im 12ten Jahrh. begann die Bürgerschaft auf dem Marktplatze zu Osnabrück den erst romanischen und dann unter den Einflüssen des von Cöln aus wirkenden Kunstgeistes gothisch umgewandelten Bau der Marienkirche, so dass sie das freie städtische Gemeinwesen und das Langhaus ihrer gothischen Kirche im Anfange des 14ten Jahrh. gleichmässig und gleichzeitig vollendete. Rechnet man noch die damit Hand in Hand gehende Befestigung der Stadt und die Wehrhaftmachung der Bürgerschaft hinzu, wie die Bürgerschaft zu Osnabrück im J. 1280 von Kaiser Rudolf I. ein Privilegium de munienda civitate erhielt, entwirft sich das lebendigste und klarste Bild von der Verbindung, in welche die Städte und die Baukunst besonders seit dem 13ten Jahrh. traten. Osnabrück schloss sich in derselben Zeit höchst wahrscheinlich dem kölnischen Städtebund (Hansa) und der kölnischen Kunst an; das politische Band wurde oft zugleich zum künstlerischen. Der gothische Chor der Marienkirche zu Osnabrück gehört dem Anfange des 15ten Jahrh., der Zeit noch höherer Blüthe der mächtigen Stadt an.

Auch Sybel, Entstehung des deutschen Königthums, Frankfurt a. M. 1844, S. 157 ff., anerkennt bezüglich der Ausbildung monarchischer Verfassungen bei den Westgothen, Franken und Angelsachsen in den vormals römischen Provinzen, dass, sobald diese Völkerstämme die Idee, das Bild, die Vorstellung des Staates gefasst hatten und dessen Einrichtung oder Nachahmung versuchten, Alles nothwendig ein römisches Gepräge zuerst er-




    1) Danz, V. S. 48.
    2) Abeken, die St. Marienkirche zu Osnabrück, Osnabrück 1842, und derselbe im Tüb. Kunstblatt für 1843, Nr. 17 ff.



halten habe. 1) Die Quelle des deutschen Staates ist die Verbindung der germanischen Geschlechtsverfassung mit dem römischen Kaiserthum und die Befruchtung der germanischen Natur durch die römische Bildung. 2) Das staatenbildende Element war seit dem 5ten Jahrh. die Romanisirung der Deutschen und das ostgothische Reich war deshalb mit dem ersten Augenblicke seines Daseins auch innerlich vollendet, weil es von Anfang an den vollständig römischen Charakter, die römischen Regierungsformen und das römische Recht gesetzlich angenommen und beibehalten hatte (S. 172 und 173). In den britischen Städten bestanden nach dem Abzuge der Römer im J. 409 aus Britannien die römischen Einrichtungen bei den sich wieder freier erhebenden Kymren fort (S. 195 und S. 245 ff.) und erhielten die Mittel auch zur Romanisirung der Angelsachsen und ihrer Monarchien. Als Beweis für das Eindringen der kyrnrischen Einrichtungen und Zahlen bei den Angelsachsen führt Sybel aus den Gesetzen des Aethelstan IV, 5 die Bestimmung an, dass des Königs Frieden (grid) gehe von seinem Burgthor nach 4 Seiten, 3 Meilen, 3 Furchenlängen, 3 Ackerbreiten, 9 Fuss, 9 Handflächen und 9 Gerstenkörner weit. 3) Die kymrische Drei- und Neunzahl erscheint in grossem Umfange auch in den angelsächsischen Gesetzen. ln den Gesetzen Wilhelm's I., Art. 30, heisst es z. B.: Von den 3 Wegen, nämlich Wätlingstreet, Ermingstreet und Fossa: wer auf einem von diesen Wegen einen Menschen erschlägt, der durch das Land reist, oder anfällt, der bricht den Frieden des Königs. 4) Weil siebenfach die Gaben des h. Geistes und 7 heilige Weihen mit 7 Graden der Geistlichen sind, sollen diese täglich 7 Mal Gott preisen und für alle Christen beten und jede Beleidigung derselben 7fach gebüsst werden. 5) Die Einwirkung der römisehen Verhältnisse auf den Ursprung der Macht der deut-




    1) Sybel. S. 159.
    2) Sybel, S. 161.
    3) Vergl. auch Sybel, S. 189 ff.
    4) R. Schmid, die Gesetze der Angelsachsen. I. S. 183, vergl. mit S. 281.
    5) Schmid, S. 214.



schen Könige zeigt sich, wenn irgendwo, in ihren finanziellen Rechten. Hier ist nach Sybel, S. 242, ohne irgend eine Ausnahme die Regel auszusprechen, dass freilich nicht alle römischen Einrichtungen übernommen worden sind, dass aber alle Lasten, welche das Volk zu tragen bat, der Berührung mit Rom ihr Dasein oder ihre AusbiIdung verdanken. Nach römischem Vorbilde hatten sowohl bei den Angelsachsen als bei den Franken alle Freien die Last der öffentlichen Bauten, wornach sie auf Befehl des Königs an der Errichtung und Erhaltung der Kirchen, Brücken und Strassen Antheil nehmen mussten. Bei den Angelsachsen erscheint sie als ein Theil der sog. trinoda necessitas, unter welchem Namen Heerbann, Burgen- und Brückenbau zusammengefasst werden und wovon höchst selten Befreiung ertheilt wird. 1) An dem römischen Ursprung der Zölle und des Münzregals ist noch niemals gezweifelt worden. Die Romanisirung der Deutschen, - die Verpflanzung der römischen Staatseinrichtungen und Staatsanschauungen, des römischen Staats- und Privatrechtes, der römischen technischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Bildung zu den Deutsehen erfolgte zunächst durch die römischen Städte, Länder und Völker selbst; sodann durch die deutschen Fürsten und Könige, - durch die Fürsten und Könige der Ost- und Westgothen, der Burgunder und Franken, welche zu römischen Feldherrn, Verbündeten und Würdenträgern geworden waren, und aus der römischen Kaiser- und Feldherrngewalt, dem imperium, und auf den römischen Staatseinrichtungen, auf dem römischen Staate die eigene fürstliche und königliche Gewalt, die Monarchie aufbauten. Karl der Grosse erneuerte im J. 800 das römische Kaiserthum, d. h. wollte die Franken und Deutschen von Gesetzes- und Staates wegen möglichst romanisiren, besonders auch durch die von ihm errichteten mannichfachen Bildungsanstalten, 2) worunter die Gesangschulen zu Metz und Soisson die frühesten waren und sogar eine Schule




    1) Sybel, S. 248 ff.; Cnut's Ges., I. Art. 10 u. 62 bei Schmid, I. S. 151 und 165; Lappenberg, Gesch., I. S. 579.
    1) Mannert, I. S. 505 ff.



für die griechische Sprache zu Osnabrück erscheint. Dennoch erhob Karl die deutsche Sprache zur Schriftsprache. Die Deutschen lernten erst bei den Römern herrschen und regieren, imperare, et regnare, - Kaiser und Könige zu werden und sich Reich, (regna) zu erwerben; die Herrseherwürde und Herrscherkunst, der Herrschertitel und die Herrschermittel wurden von den deutschen Fürsten in den römischen Provinzen, bei dem römischen Hofe zu Rom oder Constintinopel, von den römischen Kaisern und ihren Kriegs- und Provincialbeamten erlernt und gesucht. Das sog. Commercial- oder HandeIssystem, wie es noch dermalen von Frankreich am meisten und auch von den deutschen Bundesstaaten festgehalten wird, ist blos das von den städtischen Gewerben, von einer Stadt auf den ganzen Staat ausgedehnte Schutzsystem. 1) Die staatliche Romanisirung der Germanen war ihre Christianisirung in religiöser Beziehung und deshalb fielen die monarchischen Bestrebungen der germanischen Fürsten und Könige ganz mit den Bekehrungsbestrebungen der christlichen Bischöfe und Erzbischöfe zusammen und die kirchliche wie die fürstliche Gewalt wurden mit denselben römischen Mitteln, besonders in den alten Städten (bei den Franken vorzüglich zu Paris, welches bald zur Residenzstadt wurde) und durch neu gegründete und entstehende Städte befestigt und ausgedehnt. Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 628, bemerkt nicht unwahr: "Die meisten germanischen Reiche waren, nach Annahme der christlichen Religion, vor dem durch diesen Schritt emporgehobenen Uebergewichte römischer Bildung zerschellt. Westgothen und Franken bilden nur eine unvollständige, wenn nicht scheinbare Ausnahme, da wir sie schon früh gänzlich romanisirt finden." Höchst merkwürdig ist in dieser Beziehung, wie schnell und vollständig die in der Normandie niedergelassenen christlichen Normannen der sie umgebenden höhern französischen Bildung unterlagen und die französische Sprache mit ihrer Muttersprache vertauschten, um sie schon bei der Eroberung von England dahin tragen zu können. Um die Fürstensitze




    1) K. S. Zachariae, 40 Bücher vom Staate, V. S. 20.



Burgen Lind Pfalzen, und um die bischöflichen und erzbischöflichen Sitze, um die Kirchen und Münster, Klöster und Abteien erhoben sich überall Dörfer, die (grossen) Städte und Staaten. Die bürgerliche Freiheit, die Volksfreiheit ging jetzt an die neuen weltlichen und geistlichen Herrscher und in ihren Herrschersitzen, den Städten und Staaten, grösstentheils verloren, um später kräftiger wieder zu erstehen. In den neuen germanisch-römischen oder germanisch-romanischen Staaten sanken jedenfalls die Handwerker und Handwerksinnungen zu blossen königlichen oder fürstlichen und kirchlichen, bischöflichen und erzbischöflichen Hörigen (liti, servi, coloni, ministeriales) herab, hatten jetzt nur noch das frühere Stadt- und Innungsrecht unter der Form eines Hofrechtes, weil sie alle dem unterworfenen Volke und überdem den niedern Ständen desselben angehörten. In den ersten Jahrhunderten nach der Auflösung des römischen Reiches waren die meisten alten Städte in Folge der mit jener verbundenen verheerenden Kriege und Stürme so verödet, dass sie nur noch zum Sitze eines Fürsten oder Königs, eines Bischofs oder Erzbischofs dienten 1) und diese dort ihre Höfe und Residenzen einrichteten, so dass die Städte und Stadtrechte eine lange Zeit in dem Hofrechte verborgen, geschützt und enthalten sind, und aus diesem Grunde auch wieder daraus hervorgehen konnten und gingen. Die Handwerksinnungen und Zünfte, ja die Städte und Stadtverfassungen selbst, sind in diesem Sinne dennoch oft aus dem Hofrechte und hofrechtlichen Immunitätsrechte hervorgegangen, obwohl Mittermaier (gemeines deutsches Privatrecht, II. §. 502) hierin Eichhorn widerspricht. Die Bischöfe besonders wurden dadurch wider Willen entweder die Bewahrer und Erretter der Städte, des städtischen Lebens und Rechtes, wie z. B. zu Basel, 2) oder die neuen Begründer derselben, wie z. B. zu Hamburg. Bis zum Ende des 11ten Jahrh. ist zufolge Lappenberg, hamburgische Rechtsalterthümer , I. (Hamburg 1845) S. V ff.,




    1) Vergl. auch Mannert, I. S. 376 ff.
    2) Heusler, Verfagsungsgesch. der Stadt Basel, Basel 1860; Merian, Gesch der Bischöfe zu Basel, Basel 1862, 2 Abtheilungen.



Hamburg, wenigstens die Altstadt, dem Rechte nach, als eine erzbischöfliche Stadt zu betrachten, in welcher der Erzbischof die Gerichtsbarkeit (Immunität) erworben hatte. In dieser Altstadt, in dem St. Petri Kirchspiele, stand der Roland, das Zeichen der Gerichtsbarkeit sächsischer Städte auf der alten Dingstätte und in den Namen der Gassen, der Bäcker, Schmiede, Sattler, Riemenschneider, Knochenhauer, Pelzer, Garbrader, Gerber, Beckmacher, Filber oder Hutwalker erkennt man noch die ältesten Anlagen der nach Hofrecht lebenden Handwerker. Lappenberg erblickt in diesem Zusammenwohnen der Handwerker eines Gewerbes einen Anfangspunkt der Zünfte. Die Erzbischöfe von Hamburg hatten für ihren Sitz das Münzrecht (percussura numorum) und das Marktrecht (negotiandi usus) in Anspruch genommen, und diesen dadurch zu einer Stadt im römischen Sinne erhoben; dort versammelten sie die zu ihrem Hofhalte erforderlichen Handwerker, oder viele Freie (liberti) zogen des grösseren Schutzes wegen freiwillig dahin und wurden zu bischöflichen Hörigen.

Für die Geschichte der Handwerke und ihrer Verbindung zu Corporationen, zu Innungen, zu Zünften besonders belehrend und deren untrennbaren Zusammenhang mit den Städten, und daher mit den römischen Städten als den ältesten, in hohem Masse bestätigend, erscheint das Verhalten der Gewerbe in dem scandinavischen Norden und ihr nur sehr beschränktes Aufkommen daselbst, besonders in den Seestädten, in den Handelsstädten und namentlich auch in dem blühenden Bergen (Biörgyn) in der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. durch deutsche Einwanderer. 1) Da in dem skandinavischen Norden, besonders in dem Innern von Norwegen und Schweden, auch auf Island, sich aus natürlichen Gründen niemals ein reicheres städtisches Leben entwickeln und festen Fuss fassen konnte, vermochten auch das gewerbliche Leben, die Handwerksstände keine höhere Bedeutung für das eigentliche nordische Leben zu gewinnen; von den See- und Handelsstädten abgesehen, ging der Handwerker in dem Landmanne oder Aekerbauer auf, d. h. in jedem Hause,




    1) K. Weinhold, altnordisches Leben, Berlin 1856, S. 90 ff.



auf jedem Gute wurden zugleich die für das Haus und Gut unentbehrlichen Gewerbe betrieben und eingerichtet, - sie hatten besonders oft neben dem eigenen Backofen eine besondere Schmiede- und Wagnerwerkstätte, vielleicht auch Gerberwerkstätte, bereiteten das Bier oder andere Getränke, und vorzüglich auch das Salz, - die Frauen verfertigten den Stoff für die Kleider und die letztern selbst u. s. w. So werden auch noch heute in Istrien von den Bauern das Schuhwerk aus roher Ochsenhaut, so wie die Wagen, die Haus- und Ackergeräthschaften, die sämmtlich von Holz sind, selbst verfertigt. 1) Weinhold, S. 91, erblickt in dem gewerbsmässig betriebenen Salz- und Kohlenbrennen die ersten Keime der Gewerbe im Norden. Selbst Baukünstler und Holzschnitzer war in der Regel der nordische Landmann, da das Bauen meist im Zimmern oder auch Schnitzen des Holzes seit den ältesten Zeiten bei den Germanen bestand, weshalb auch im Holzarbeiten die altnordische Kunst am vollkommensten ist. 2) Der Steinbau, der romanische Rundbogenstyl fand erst seit dem 11ten Jahrh. in dem Norden Eingang, wurde dann aber von den Skandinaviern bis nach Nordamerika getragen, wie noch eine von ihnen aufgeführte kleine Taufkapelle auf Rhodeisland bezeugt. 3) Gegen 1300 wurde auch im Norden der Rundbogen durch den Spitzbogen verdrängt. Einheimisch wurden während des Mittelalters in Skandinavien weder die Gewerbe noch die Künste in vollem Sinne, sondern sie wurden entweder von Ausländern, Deutschen oder auch Engländern, im In-




    1) Ausland für 1861, S. 855 a.
    2) Weinhold, a. a. O., S. 418 ff.; Dahl, Denkmale einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst in den Landschaften von Norwegen, 1837.
    3) Weinhold, S. 419. Ueber alte Bauwerke in den vereinigten Staaten von Nordamerika vergl. auch Ausland für 1861, S. 732 ff. Nach den hier gegebenen Berichten, besonders über die religiösen Baudenkinale oder "heiligen Plätze", ist es nicht blos möglich, sondern wahrscheinlich, dass die Kelten sich gleichzeitig oder wenigstens gleichmässig vom asiatischen Hochlande aus über den europäischen und amerikanischen Continent verbreitet haben. Ueber die Ruinen in Central-Arnerika enthält einen kurzen Bericht das Ausland für 1854, S. 447 ff.



lande geübt, oder ihre Erzeugnisse aus dem Auslande durch den Handel zugeführt. 1) Schon im 10ten Jahrb. sollen übrigens im Norden Oelfarben zur Bemalung von Holzschnitzereien gebraucht worden sein. 2) Die ältesten nordischen oder norwegischen Gewerbeordnungen scheinen zu sein: diejenige des Königs Erich Magnusson, dat. Bergen den 16. Sept. 1282, und die des Königs Hakon Magnusson vom 29. April 1314; 3) die städtischen Gewerbe erscheinen aber im Norden als ein wesentlich Fremdes, von Aussen, besonders durch die deutschen Handwerker und Kaufleute Hereingebrachtes, so dass sie im Ganzen die Grenzen der See- und Flussstädte, der Küsten nicht überschreiten. Die Geschichte der nordischen Gewerbe und Städte ist die stärkste und geschichtlichste oder thatsächlichste Widerlegung der Behauptung, wornach das Innungswesen und die Gewerbsbruderschaften, namentlich aber die Baubruderschaften dem germanischen (nordischen) Boden entsprossen sein sollten, während schon die Bruderschaft hätte darauf leiten sollen, dass sie eine kirchliche Einrichtung, und zwar eine dem Heidnischen und Germanischen zur Bekämpfung von der Kirche absichtlich entgegengesetzte sei. 4) Selbst die wandernden Leute, die Spielleute (leikarar) kamen aus Deutschland nach Skandinavien hinüber und brachten dahin die Musik und musikalisch-dramatische Spiele. 5) Der Ackerbau, als eine Beschäftigung und ein Beruf der Männer, nicht blos der Frauen, 6) hat erst seit dem 11ten Jahrh. in den nordischen Reichen und besonders in Schweden in Folge der Annahme der christlichen Religion eine allgemeine sichere Ausbreitung erhalten, 7) wornach alles Uebrige leicht bemessen




    1) Weinhold S. 427.
    2) Weinhold. S. 422.
    3) Weinhold. S. 95 und 97.
    4) Vergl. auch Weinhold, S. 460.
    5) Weinhold. S. 467.
    6) Vergl. noch Meiners und Spittler, neues gött. histor. Magaz., III. S. 340 ff.: "Kurze Gesch. der Entstehung und der Fortbildung des Ackerbaues."
    7) Spittler, Entwurf der Gesch. der europäischen Staaten, II. S. 462 ff., vergl. mit S. 526 ff., Eichhorn, Weltgeseh., II. (Göttingen 1817) S. 245 ff.



und bestimmt zu werden vermag. Spittler sagt von Schweden: "Nichts aber schien langsamer emporzukommen als Städte und städtische Verfassungen, und selbst Stockholm, dessen erste Anlage 1254 Birger Jarl, der Vater König Waldemar's I., gemacht hatte, wurde endlich erst zu Ende des 14ten Jahrh. zur volkreichen Stadt (S. 469)." 1) Die Buchdruckerei hat in Schweden König Carl Knutson (1471 - 1505) eingeführt oder vielmehr zur ordentlichen Profession gemacht, denn eine Zeitlang zogen Buchdrucker mit ihrer Kunst im Lande herum, wie Savoyarden, die Murmelthiere zu zeigen haben. Er hat auch die Universität zu Upsala gestiftet und zum Besten des Landes gelehrte Männer nach Schweden gezogen, 2) wie im 12ten Jahrh. nach Schweden durch die fremden Mönche die Kathedralschulen gebracht worden waren. 3) In Dänemark hatte in Uebereinstimmung mit seiner geographischen Lage eine etwas frühere Entwickelung stattgefunden und die Mitte des 13ten Jahrh. ist hier die Zeit der Gründung der Adelsaristokratie, aber auch des unerwartet raschen Emporkommens des dritten Standes, indem schon damals Städteabgeordnete sich Sitz und Stimme im Reichstag verschafften. 4) Die deutschen Kaufleute und ihre Gilden wurden zu Bergen im J. 1560 durch Anlegung sogar einer Citadelle bekämpft. 5) Ueber Kanut dem Grossen von Dänemark (1015 - 1036), der auch Norwegen und England erobert und in England den Vorzug der dortigen Gesetzgebung und Bildung erkannt hatte, wurde namentlich die gesammte englische Lehenverfassung im Norden nachgebildet und eingeführt; 6) auch die dänischen Gildestatuten sind reine und blosse Nachahmungen oder Uebertragungen der angelsächsischen, was nur




    1) Vergl. über die Entstehung der schwedischen Rechtsbücher nach der Einführung des Christenthums Schildener, Guta-Lagh, d. i. der Insel Gothland altes Rechtsbuch, Greifswalde 1818, S. ff.
    2) Spittler, II. S. 474.
    3) Eichhorn, II. S. 245.
    4) Spittler, II. S. 534.
    5) Spittler, II. S. 541.
    6) Spittler, II. S. 528; Luden, allgemeine Gesch. der Völker und Staaten, II. 2. S. 186; Eichhorn, II. S. 251 ff.



zu oft ausser Acht gelassen wird. Die städtischen Gilden 1) kamen nicht aus dem Norden, vielmehr nach demselben, wie das Christenthum und überhaupt die eigentliche Staats- und Städteverfassung und Einrichtung, - die Bildung im weitesten Sinne; sie kamen entweder aus England oder aus Deutschland durch Missionäre, Handwerker und Kaufleute, jedoch aus der gemeinsamen römischen Quelle. Harald Schönhaar von Norwegen soll seinen Sohn Hakin zu König Aethelstan nach England zur Erziehung in englischer Sitte und Kunst 2) gesandt haben. ln dem öffentlichen und Privatrechte, in den gesammten Staats- und Rechtswissenschaften sind die germanischen Völker nur die ursprünglichen Schüler der Römer und im Norden lehrten und pflanzten das Römische, die römische Bildung, Sitte und Gesetz vorzüglich die Kirche oder die Geistlichen 3) Die vorzüglichsten bildenden Missionäre und Geistlichen empfingen die germanischen Länder an der Nord- und Ostsee von den Angelsachsen, so den Wilfrid, Bischof von York, - Willibrod, unter dem Namen Clemens, erster Bischof von Ufrecht, - den thüringischen Apostel Winfrid oder Bonifaz, Erzbischof von Mainz, - Willehad aus Northumbrien, Freund Alcuins und erster Bischof von Bremen u. s. w. Die ersten nordischen Gesetzbücher wurden durch die Geistlichen zusammengetragen und niedergeschrieben, um die neue Religion mit dem hednischen Rechte und der heidnischen Sitte zu verschmelzen und das ihr Entgegenstehende zu verändern oder abzuschaffen. Dahin gehört besonders das unter dem Namen Guta-Lagh bekannte, von Schildener in der Ursprache wie mit einer wiederaufgefundenen altdeutschen und mit einer neudeutschen Uebersetzung herausgegebene alte Rechtsbuch der Insel Gothland, welches anklingend an angelsächsische Gesetze 4) also beginnt :




    1) Vergl. auch Peter Kosod Anger, farrago legum antiquarum Daniae municipalium. Kopenhagen 1776; Unger, S. 41 ff.
    2) Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 371.
    3) Lappenberg, I. S. 174 ff.
    4) Vergl. z. B. den Eingang zu König Ine's Satzungen bei Schmid, die Gesetze der Angelsachsen, I. S. 14.



"Dies ist der Anbeginn unsers Rechts, dass wir dem Heidenthum entsagen und geloben zu halten der Christenheit, und zu glauben alle an Einen Gott, allgewaltig, und beten, dass er uns gönne Frieden und Zuneigung und Heil, 1) und unsere Christenheit zu halten und rechten Glauben, und unser Land gebauet, und alle Tage schaffen an Werken, Worten und Willen, 2) - dass das Gott sei zum Lobe und uns zur Nothdurft (nöthigsten Bedürfniss) an Leib und Seele. Amen." 3)

Auf der mitten in der Ostsee gelegenen Insel Gothland stand als die einzige die alte deutsche oder niedersächsische Seestadt Wisby, 4) dessen Seerecht weit verbreitet und worin schon während des 12ten Jahrh. die Gewerbe neben dem Handel blühten, wie auch in England in manchen Städten, z. B. zu York, Beverley, Dunwich, Montgomery und Hereford die alten Friedensgilden zu eigentlichen Handelsgilden oder Hausen sehr frühzeitig sich entwickelten und die bedeutende Hanse zu York ein eigenes Hansehaus besass. 5) Zu London wie zu York werden schon im 8ten Jahrh. friesische und deutsche Kaufleute gefunden. Zum Bau des ersten Schlosses Uxkull in Lievland wurden um das J. 1158 Maurer und Steinhauer aus Wisby geholt; ebenso liess ungefähr um dieselbe Zeit Bischof Meinhard zum Bau der ersten Kirche Künstler und Handwerker aus Gothland kommen; ferner bevölkerte Engelbert von Buxhöfden im J. 1202 das eben erbaute Riga mit Kaufleuten und Handwerkern aus Gothland, welche




    1) Eine maurerische oder kymrische Dreizahl oder Triade, wie als die drei ersten Grundsätze der Weisheit bei den Druiden (oben S. 133) und bei Diogenes von Laerte erscheinen: "Gehorsam gegen die Gesetze Gottes, Sorge für das Wohl der Menschen und Stärke in den Ereignissen des Lebens (Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 10, Anm. 2).
    2) Die bekannte parsische oder zarathustrische Dreizahl.
    3) Schildener, S. 1.
    4) Schildener, Beiträge zur Kenntniss des germanischen Rechts, 2. Stück (Greifswalde 1827) S. 88 ff.
    5) Lappenberg, Gesch. von England, I, S. 611, vergl. mit S. 625 ff. unten und S. 386.



daselbst gothländisches Recht eingeführt haben sollen. Möglicher Weise blühte zu Wisby auch schon im 13ten Jahrh. eine berühmte Schule, welche im J. 1225 von dem päpstlichen Legaten das Recht erhalten hatte, die Jugend aller Nationen bei sich aufzunehmen; jedenfalls hatte das Benediktinerkloster zu Wisby eine ausgezeichnete Bibliothek von ungefähr 2000 alten Schriftstellern und Codices, so wie von vielen andern Büchern. Wisby hatte im Jahr 1158 zuerst von Kaiser Lothar Stadtrecht und Freiheit erhalten. Schildener glaubt, dass das eigentlich Städtische in dem Rechte von Wisby aus dem Rechte und den Einrichtungen der Stadt Lübeck hergestammt habe. 2) Zuweifen wurde durch eine Handelskolonie auch in die Mitte von Deutschland die städtische Industrie und Verfassung getragen, z. B. in sehr frühen Zeiten das Tuchmachergewerbe und die Tuchmacherzunft nach Iglau in Mähren durch eingewanderte Flandrer. 3) Dass die nordischen Gildestatuten, - namentlich die Gildestatuten Galliens und Britanniens und mit ihnen Deutschlands und Dänemarks in römischen Vorbildern und Einrichtungen ihre letzte Quelle haben, dürfte mit Bestimmtheit angenommen werden können. 4) Diese Gilden in ihrer ursprünglichsten Gestalt oder als mehr religiöse Bruderschaften können vielleicht zunächst den römischen Sterbe- oder Begräbnissvereinen verglichen werden, wie man dieselben aus den im J. 1816 zu Città-Lavinia (dem alten Lanuvium) auf einer Marmor-




    1) Schildener, S. XLIII.
    2) Schildener, Beitr., II. S. 117; Frensdorf, die Stadt- und Gerichtsverfassung Lübeck's im XII. und XIII. Jahrh., Lübeck 1861.
    3) Werner, urkundl. Gesch. der Iglauer Tuchmacherzunft, Leipzig 1861.
    4) Abweichende Ansichten hat Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 608 ff., indem er mit Wilda die Anfänge des sächsischen Städtewesens auf die Gilden zu heidnischen Opfern zurückführen möchte und die angelsächsischen Schmäusehäuser (doraus convivii) für die weniger begüterten Freien die ersten angelsächsischen Gemeindehäuser gewesen sein sollen, obwohl er anführt, dass eigenthümlich geistlichen Gilden in England früh und zahlreich ausgebildet gewesen seien.



tafel aufgefundenen vollständigen Statuten der im J. 136 nach Chr. gestifteten "heilsamen Zunft der Verehrer der Diana und des Antinous" kennt. 1) Die Zunft feierte zugleich jährlich 6 Schmäuse, nämlich den Geburtstag des Antinous und den Geburtstag der Diana, welcher letztere auch das Stiftungsfest war, und 4 Schmäuse in Folge von Legaten; wer bei einem solchen Schmause den Andern beleidigte, musste 20 Sesterzen Strafe erlegen. Der Vorsteher wurde auf eine Amtsdauer von 5 Jahren gewählt. Das Eintrittsgeld betrug 100 Sesterzen (ungefähr 6 Thlr.) und eine Amphora Wein, und der jährliche Beitrag 15 Sesterzen (nicht ganz einen Thaler), welche in monatlichen Raten entrichtet werden mussten. Das Sterbegeld betrug 400 Sesterzen. Wenn Jemand seinen Beitrag nicht bezahlte, verlor er sein Anspruchsrecht. Auch im J. 1.790 hatte man in einem siebenbürgischen Goldbergwerk eine auf Wachstafeln geschriebene Urkunde gefunden, in welcher der Magister eines dem Jupiter geweihten Collegiums, da die Zahl der Mitglieder von 54 auf 17 gesunken war und die Beiträge nicht gezahlt wurden, die Aufhebung des Vereins und die Einstellung der Zahlung von Leichengeldern in barbarischem Latein bekannt macht.

Auf Island gibt es keinen Handwerksstand oder derselbe ist nur durch einen einzigen Sattler vertreten; sonst ist Jedermann sein eigener Schuster, Schneider, Zimmermann und Schmied. 2) Aehnlich muss seit den ältesten Zeiten auch die Weberei und Handtöpferei betrieben worden sein, da man bereits in dem sog. Steinzeitalter und besonders in den schweizerischen (keltischen) Pfahlbauten gewebte Zeuge aus Lein und in der Hand gedrehte Geschirre aus Thon findet. 3) Weben (und nähen) im Sinne von texere, sanskr. taksh, überhaupt künstlerisch bearbeiten, verstanden sogar die Germanen schon vor ihrer Abtrennung von dem gemeinsamen Stammvolke, wie die Gleichheit der Wurzelbildung in und weben, nach




    1) Ausland für 1861, S. 829 b ff.
    2) Ausland für 1861, S. 1060 b.
    3) Ausland für 1861, S. 1153 a und 1154 b; Rütimeyer, die Fauna der Pfahlbauten in der Schweiz, Basel 1861.