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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XXIX.



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Das Niedertreten des linken Schuhes bei der Lehrlingsaufhahme. Die Reinigungen. Die Dreizahl. Die Gesellenweihen und die akademische Deposition.

Ehe der aufzunehmende Maurerlehrling in die Loge, in den Tempel Gottes und vor Gott, in das Licht treten darf, muss er zuerst den linken Schuh niedertreten oder sollte vielmehr die Schuhe ganz ausziehen, um mit blossen Füssen der Loge und dem Tempel Gottes, Gott zu nahen, indem nach einem uralten morgenländischen und besonders auch ägyptischen Gebrauche die Priester nur mit blossen und mit reinen Füssen den Tempel Gottes betreten und deshalb beim Eingange in denselben ihre schmutzigen Schuhe zurücklassen und die Füsse reinigen sollten. 4)




4) Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 294 ff.



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Schuhe trägt man in dem Morgenlande nur auf staubigem, unreinem Boden und sie haben dort zugleich den Nebenbegriff des Stolzes; der Mensch aber soll rein und demüthig vor Gott erscheinen, soll alles Irdische und Eitele ablegen, wenn er das Himmlische und Ewige, das reine und ewige Licht suchen und umfassen will. Noch heute ist es den parsischen Priestern daher verboten, an den Feuerorten, in den Tempeln des heiligen Feuers (Dâdgâh 1)) Schuhe zu tragen; man bedient sich der Sandalen oder Pantoffeln. Die müssen rasch angezogen werden, während man die Schuhe vor der Thüre lässt, indem bekanntlich es den Parsen verboten ist, drei Schritte ohne Fussbekleidung zu gehen. 2) Ebenso ziehen die schon berührten Jezidi, die Teufelsanbeter, bei Mosul in dem alten Assyrien die Schuhe aus, wenn sie den innern Raum ihres heiligen Grabes betreten. 3) Ferner ziehen noch heute in der Sinaihalbinsel die Beduinen, wie Moses, zum Zeichen der Verehrung, die Sandalen ab. 4) Als Moses zu dem flammenden Dornbusche hinzutreten will, ruft ihm die Stimme Gottes zu: Nahe nicht herzu, ziehe deine Schuhe aus von deinen Füssen, denn der Ort, darauf da stehest, ist ein heiliger Boden" (2. Mos. 3, 5). - Derselbe Befehl wird Josua wiederholt, als ihm bei Jericho der Engel Gottes erschien (Josua 5, 15). Von dem Propheten Jesaias heisst es, - er sei drei Jahre barfuss und ohne Schuhe einhergegangen (Jes. 20, 39), wie denn überhaupt die ägyptischen Priester barfuss gingen, wenn sie ihre Dienste im Heiligthum verrichteten. Ebenso gingen barfuss die Priester des Melkarth zu Karthago und Gades. - die Druiden, weshalb dieselben Strabo , die barfüssigen nennt, 5) - die altersgrauen, wahrsagenden Priesterinnen der Kimbern, 6) - Alle, die in den Tempel der Brito-




1) Spiegel, Avesta, II. Einleitung S. LXIV. ff.
2) Spiegel, a. a. O., S. LXVI.
3) Meissner, Layard's populärer Bericht, S. 121.
4) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 440.
5) Walther, keltische Alterthümer, S. 113 u. 150.
6) Vergl. namentlich die Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. III. S. 68, woselbst der Anzug zweier solcher ausgegrabenen keltischen Priesterinnen mit weissem Gewande und blossen Füssen, auch mit sieben Haarnadeln bei der einen, mit Abbildungen beschrieben wird.



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martis auf Kreta eingingen, - die lokrischen Jungfrauen, die im Tempel der Athene zu Troja den Dienst verrichteten , - die Vestalinnen und gewisse Processionen, nudipedalia, im alten Rom. Namentlich bei dem am 9. Juni gefeierten Jahresfest der Vesta, an den Vestalien, wallfahrten die Matronen der Stadt Rom mit blossen Füssen zum Tempel der Vesta, um an dem Gemeindeherde in einfachen Schüsseln Speiseopfer darzubringen, wie sie sonst .an ihrem eigenen Herde Speiseopfer den Laren und Penaten des Hauses darbrachten. 1) Den Gebrauch der ägyptischen Priester, bei feierlichen Gelegenheiten barfuss zu gehen, ahmten dann die Pythagoräer und später Sokrates nach. Denn der Philosoph, sagt Pythagoras, der nackt aus dem Schoosse seiner Mutter kommt, soll auch nackt, d. h. mit blossen Füssen, vor seinem Gott erscheinen; daher die uralte Vorschrift: , d. i. barfuss opfere und bete, deren Befolgung von Allen, welche das Innere des Tempels betraten, gefordert wurde. Wie Jamblichus berichtet, war es auch eine ganz allgemeine Vorschrift des Pythagoras, unbeschuht zu opfern und die Heiligthümer zu betreten . 2) Ebenso dienten die Priester in dem uralten Tempel des pelasgischen Zeus zu Dodona in Epirus, die Seller, barfuss. 3) Gerlach sieht diese ascetischen Seller für einen aus Aegypten stammenden priesterlichen Orden an. Nach noch jüngst durch Bachofen, Gräbersymbolik der Alten, Taf. III. u. S. 103, Anm. 3, veröffentlichten römischen Grabbildern scheinen bei den Römern und bei den Griechen die in die bacchischen und dionysischen Mysterien Eingeweihen zum Zeichen der erstrebten Reinheit gleichfalls barfuss, nudo pede, gegangen zu sein. In den Isismysterien musste vielleicht von den Einzuweihenden blos der linke Fuss entblösst werden, indem die linke Seite des Menschen bei den Alten als die




1) Preller, römische Mythologie, S. 543 oben.
2) Röth, Geschichte unserer abendländ. Philosophie, II. S. 496.
3) Gerlach, Dodona, Basel 1859, S. 22 u. 28 ff.



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weibliche Seite gedacht und daher zunächst der Urmutter Isis geweiht wurde. Das maurerische Niedertreten des linken Schuhes wäre demnach aus den Isismysterien entlehnt. 1) Das Halten des Schwertes in der linken Hand bei den Maurern wäre ebenfalls in derselben Weise zu erklären, wie denn auch die Bacchantinnen den Tyrsus in der linken Hand trugen. Unter allen Umständen hat das Niedertreten gerade des linken Schuhes und das daran sich anschliessende Halten des Schwertes eine symbolische Bedeutung, ist ein absichtlicher und überlegter Gebrauch, weshalb wir die symbolische Bedeutung, die dabei obwaltende Absicht, zu erforschen streben müssen. Ist unsere Vermuthung und Erklärung des Symbols begründet, dann würde auch in diesen kleinen und sonst nicht beachteten Zügen auf eine ebenso überraschende als überzeugende Weise der Zusammenhang der Mysterien des Hiram mit den Mysterien des Alterthums und in Sonderheit mit den Isismysteriien dargelegt sein. Das Symbol ist zugleich zu alterthümlich, zu klassisch, als dass es nicht auf alter Tradition beruhen und erst später aufgenommen und eingefügt sein sollte. Auch wissen wir von den ägyptischen Priestern, dass sie gewöhnlich Sandalen aus Byblus trugen, 2) wie es ähnlich noch heute, bei den Katholiken für angemessener und schicklicher gilt, dass die Geistlichen Schuhe und keine Stiefel tragen. Gleicherweise betritt kein Brahmane eine Pagode, ohne vorher die Schuhe ausgezogen zu haben, 3) und auch dermalen noch muss Jeder, der eine muhammedanische Moschee betritt, die Schuhe ausziehen; ebenso in vielen christlichen Kirchen in Palästina, worin offenbar die orientalische Sitte und Ansicht sich geltend macht, und selbst bei uns besteht noch derselbe Gebrauch für einzelne Mönchorden, namentlich für die Barfüsser. Als einst unter der Regierung des Theodosius




1) Bachofen, a. a. 0., S. 171.
2) Spiegel, Avesta, II. S. LXVI.; Lasaulx, a. a. O., S. 296, Anm. 79.
3) Selbst der verstorbene Prinz Waldemar von Preussen, als er im Jahr 1845 den Tempel bei den Quellen der Ganga sehen wollte, musste ihn ohne Schuhe betreten. (Petermann, Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Geographie für 1856, S. 354 b.)



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Constantinopel durch ein Erdbeben verwüstet wurde, hat der Kaiser barfuss, , mit dem ganzen Senate und der Geistlichkeit die Litaneien gebetet. Gewiss stammt es auch von dieser morgenländischen Sitte des Barfussgehens bei der Verehrung und Anbetung Gottes, dass noch jetzt bei den Katholiken die Pilger und Wallfahrer, die Büsser, barfuss zu gehen pflegen, sowie dass die katholischen.Priester bei gewissen Ceremonien die Schuhe abziehen müssen. Die muhammedanischen Pilger nach Mekka pflegen gleichfalls barfuss zu gehen 1) und ebenso die muhammedanischen Büsser. Kaiser Heinrich IV. musste zur Schmach für das deutsche Kaiserthum und die ganze deutsche Nation im Jahr 1077 barfuss, im wollenen Bussgewand, drei Tage bei strenger Januarkälte nüchtern vom Morgen bis gegen Abend innerhalb der zweiten Ringmauer der Burg Canossa stehen, bis der Papst sich bequemte, den Bann zu lösen, den er über ihn gesprochen. - Nach Brugsch ziehen die Kopten zu Kairo beim Eintritte in die Kirche gleichfalls die Schuhe ab und betreten blos den Boden der ersten Theile. 2) In Irland pflegen die Weiber am Charfreitage zum Gedächtniss der Leiden Christi mit aufgelösten Haaren, blossen Füssen und in den schlechtesten Kleidern betend und psalmodirend oft stundenweit von Kirche zu Kirche zu ziehen. 3) Am Johannistage findet in Stoole bei Downpatrick im nördlichen Irland noch heute nachfolgender eigenthümlicher Gebrauch statt: In der Ebene, welche den dem heiligen Patrick geweihten Berg umgibt, befinden sich drei Quellen, denen ausserordentliche Kräfte zugeschrieben werden, und mehrere Steinhaufen, die hie und da zerstreut umherliegen. Mit dem Schlag der Mitternacht nun laufen Hunderte von Leuten so schnell als möglich um einige dieser Haufen herum, an andern Schaaren von Andächtigen mit blossen Füssen und Beinen. Männer ohne Rock, und anstatt des Hutes mit einem Schnupftuch um den Kopf, gehen sieben Mal um jeden Stein-




1) Tholuck, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 151 und S. 186.
2) Ausland für 1855, S. 248.
3) Ausland für 1860, S. 314 a.



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haufen herum, küssen den Boden, bekreuzigen sich und begeben sich nach dem Berge, um auf einem steilen und holperigen Wege, auf welchem man nicht ohne Anstrengung hinaufsteigen kann, mit blossen Knieen die Höhe hinaufzurutschen. Viele halten dabei ihre Hände auf dem Rücken verschränkt, andere legen sich noch grosse Steine auf den Kopf. Haben sie diese Bussübung sieben Mal wiederholt, so gehen sie zu dem sogenannten Patricksstuhl, wie sie zwei mächtige aufrecht stehende flache Steine oben auf dem Gipfel des Berges nennen, - treten, nachdem sie sich bekreuzigt, zwischen die Steine, und werden dort, während sie ihre Gebete murmeln, von einem alten Mann, der eigens dazu oben sitzt und dafür bezahlt wird, drei Mal auf ihren Füssen herumgedreht. Dann gehen sie zum Schlusse nach einem Steinhaufen, welcher der Altar genannt wird. In derselben Zeit drängen sich die in grosser Zahl vorhandenen Lahmen, Krüppel und Blinden nach den drei Quellen, um in dem von dem heiligen Patrick geweihten Wasser ihre körperlichen Gebrechen abzuwaschen. Am 1. Januar und am 1. Mai werden von den Iren die Glück bringenden und Unglück wendenden Feuer in den Häusern und auf den Höhen entzündet, umtanzet und von Menschen und Thieren durchsprungen. 1) Jene Johannisgebräuche, welche unzweifelhaft mit dem alten keltischen Sonnenwendsfeste zusammenhängen, sind auch auf das am 24. Juli gefeierte Jahresfest des h. Declan zu Ardmore in der Grafschaft Waterford mit wenigen Abweichungen übertragen und namentlich kriechen dabei die Feiernden mit grosser Noth durch das enge Loch des sogenannten Declansteines, welchen Einige den Patricksstuhl nennen und gleich dem "Dolmin" der Bretagne für einen alt-keltischen Altar halten, welcher aus einer grossen Felsplatte bestehe oder bestanden habe, die wenig über den Boden erhaben auf zwei andern Steinen ruhe. - Bei den zweimaligen jährlichen Processionen nach der Einsiedelei von Cullas in Spanien mussten alle Theilnehmer barfuss gehen. Auch kann noch hinzugefügt werden, dass bei der Ankunft der Spanier im Anfange des 16. Jahrhunderts in der Stadt




1) Ausland für 1860, Nr. 14, S. 315 ff.



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Mexiko an dem dortigen Hofe des atztekischen Königs Montezuma es unbedingte Vorschrift war, dass Niemand in den königlichen Palast eintreten durfte, ohne am Eingange seine Fussbekleidung abgelegt zu haben. 1) Bei den alten Peruanern in Südamerika durften sogar die Inka, d. h. der König und sein Geschlecht, den Tempel des obersten Licht- und Sonnengottes Pachacamac nur mit entblössten Füssen betreten. 2) Während der Prüfungszeit, welche der Jünglingsweihe des Inka vorausging, musste derselbe auf blosser Erde schlafen, streng fasten, barfuss gehen und Alles verrichten, was für einen Kriegsmann nöthig war. 3) Erst wenn die Jünglinge alle Proben überstanden hatten, erhielten sie den Namen "ächte Inka" oder "Söhne der Sonne" und ihre Mutter und Schwestern eilten herbei, um ihnen geflochtene Schuhe anzulegen. Auch verdient nachdrücklich für den Kundigen hervorgehoben zu werden, dass nach vollendeter Prüfung bei der Einkleidung zum Ritter und insbesondere beim Anlegen der königlichen Schuhe der Bestandene von dem dem Könige im Range am nächsten stehenden Inka einen Kuss auf die rechte Schulter mit den Worten erhielt: "Der Sohn der Sonne, der sich so wohl bewährt, verdient angebetet zu werden," - denn ihr Ausdruck für küssen bedeutet zugleich anbeten. Ebenso muss berührt werden, da es an die Mithrasmysterien, die Elensinien u. s. w. mit ihren ähnlichen Gebräuchen erinnert, dass man zuletzt den neuen Rittern Kränze von Immergrün und noch zwei andern sehr schönen Blumenarten (die nur die Inka vom Geblüte, kein anderer im Volke tragen durfte) aufsetzte und sprach: "Gleichwie die Sonne, euer gemeinsamer Vater, diese Blumen auf dem Felde zum Entzücken der Menschen wachsen und aufblühen lässt, so muss auch ein ächter Inka wachsen und gedeihen lassen die Tugenden in seiner Seele zum Segen des Volks, auf dass sein Ruhm, diesem Kranze gleich, beständig grün bleibe." Wie einen Kranz von dreierlei Blumenarten empfingen sie eine Schärpe oder eine um den Leib zu tragende Schnur




1) Apostelgeschichte des Geistes, Il. S. 13.
2) A. a. O., S. 30.
3) Weimarisches Jahrbuch, Vl. S. 265 ff.



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(wie bei den Parsen und den Indern) mit drei Zipfeln, die das Hauptzeichen der Mannheit und der Fähigkeit zu allen Aemtern und Würden im Kriege und Frieden war. Der Erbprinz allein erhielt noch eine rothe Kopfbinde umgebunden und ebenso einen Speer und eine Streitaxt mit den Worten: "Für die Schlechten." Auch die atheniensischen Jünglinge wurden gleich den germanischen durch Ueberreichung von Schild und Speer wehrhaft gemacht. Die apollinische Jünglingsweihe erfolgte durch Aufstecken eines Zweiges immergrünen Lorbeers zum Zeichen der von den Jünglingen zu erstrebenden immer frischen Lebens- und Seelenkraft.

Indem der Maurerlehrling vor seinem ersten Eintritte in die Loge, in den Tempel Gottes gleichfalls symbolisch die Schuhe ablegen muss, soll er erinnert werden, dass er den heiligen Boden rein und demüthig zu betreten habe. Eben deshalb soll er auch seine Kleinodien, sein. Geld u. s. w. ablegen, um gleichsam nackt und arm vor Gott zu erscheinen und ermahnt zu werden, dass der Mensch alle äussere Güter und Gaben der Güte und Gnade Gottes verdanke. Schon Cieero hatte es eingeschärft, 1) den Göttern nur nach Ablegung der Schätze, des Geldes und der Kleinodien zu nahen. Daher war es an dem vorerwähnten Hofe des mexikanischen Königs Montezuma auch nicht erlaubt, vor dem Fürsten in einem prächtigen Anzuge zu erscheinen. An die Naktheit undArmuth, in welcher der Maurerlehrling dem Tempel des ewigen Lichtes nahen soll, reihen sich die weissen Handschuhe und die weisse Schürze des Lehrlings, denn sie sind das Symbol, dass er allein mit reinen Händen, reinem Körper und reinen Kleidern dem Tempel und dem Altare Gottes nahen solle; diese körperliche Reinheit selbst bedeutet aber nur wieder die Seelenreinheit, - die Reinheit des Herzens, des Geistes und der That, durch welche einzig das Reich und der Himmel Gottes, das ewige Licht errungen werden kann. Die Weihe des Maurerlehrlings ist gleich den alten Weihen, namentlich den eleusinischen und den Mithraweihen, 2) und




1) De legibus II, 8, 10: "Ad divos adeunto caste, pietatem adhibento, opes amovento: qui secus fascit, deus ipse vindex erit."
2) Windischmann, Mithra, S. 70.



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gleich der Taufe des Johannes und der Christen, wesentlich die Reinigung des Körpers durch das geweihte Wasser, durch das heilige Wort, durch die heilige Lehre. Aller Gottes- und Mysteriendienst begann daher in dem Alterthume mehr oder weniger mit körperlichen Waschungen und Reinigungen, welche im Oriente neben der symbolischen Bedeutung gewiss auch auf die Gesundheit berechnet oder religiös-polizeilich gewesen sind, und das Wasser ist in demselben Sinne ein Begleiter, ein Bestandtheil der gottesdienstlichen Gebäude, des Gottes- und des Mysteriendienstes, wie das Licht, nur befindet sich natürlich das Wasser mehr vor oder bei den Gebäuden und das Licht in denselben; man geht gleichsam durch das Wasser in das Licht ein, man wird durch die Wasserreinigung rein und licht. Im zweiten Buche Mosis 30, 18 ff. ertheilt daher der Ewige dem Moses nachstehende ausführliche Vorschrift über die Anfertigung eines Wasserbeckens bei der Stiftshütte zum Zwecke der Waschungen der Priester: "Du sollst auch ein ehernes Becken machen mit einem ehernen Gestell, zum Waschen, und sollst es setzen zwischen das Zelt der Offenbarung und den Altar, und das Wasser darein thun, dass Aaron und seine Söhne die Hände und Füsse daraus waschen. Wenn sie in das Zelt der Offenbarung hineingehen, sollen sie sich mit Wasser waschen, damit sie nicht sterben; oder wenn sie herantreten, zum Altar, dass sie dienen und im Rauch aufgehen lassen ein Feueropfer dem Ewigen. Und sollen waschen ihre Hände und Füsse, auf dass sie nicht sterben. Das soll Aaron und seinen Söhnen eine Satzung sein, für sie und ihre Nachkommen." 1) Diese Stelle ist wohl keine ursprüngliche, sondern nur später mit Rücksicht auf das eherne Meer im Vorhofe des salomonischen Tempels abgefasst worden. Da das eherne Meer die Form eines aufgeblühten Lilienkelchs hatte , erblickt Baehr darin das Symbol der Heiligkeit, des Heiligseins, des wahren Priesterthums, wie in dem gleichen symbolischen Sinne der jüdische Priester auch ganz in Weiss gekleidet gewesen sei und eine weisse




1) Baehr, der salomonische Tempel, S. 222 ff.



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Mütze getragen habe. 1) Das eherne Meer, weiches von zwölf ehernen Stieren, je drei nach einer verschiedenen Himmelsgegend gerichtet, getragen wurde und vermuthlich oder nach der jüdischen Tradition mit zwölf Krahnen für die Waschungen der zwölf dienstthuenden Priester versehen war, war indessen zunächst und wesentlich nur ein Waschbecken für die Priester, um sich die Hände und Füsse waschen zu können, da sie zur Handlung des Opfers reine Hände bringen und in die Wohnung Jehovas nur mit reinen Füssen gehen sollten. Es darf als ein ziemlich allgemeiner symbolischer Gebrauch des Alterthums angesehen werden, dass man vor dem Beginne des Gottesdienstes, ehe man sich dem Tempel und Altare Gottes nahen durfte, sich mit Wasser reinigen musste. Bei jedem Tempel in Indien befindet sich daher ein zu diesem Zwecke bestimmter Teich (tîrtha) und jedem Gebet geht eine Waschung vorher, die jedoch bisweilen nur auf den Mund beschränkt wird. Auch die in die eleusinischen Geheimnisse Aufzunehmenden mussten sich beim Eingange des Tempels, das Haupt mit Myrthen umkränzt, ihre Hände mit geweihtem Wasser waschen, d. h. sich geistig reinigen, weshalb ihnen auch öffentlich zugerufen wurde, dass sie sich den Mysterien mit reinen Händen, reiner Seele und reiner griechischer Mundart zu nähern hätten. 2) Nach Hesychius erscheint in den Eleusinien ein eigener Hydranos, der bei den Waschungen und Reinigungen der Eingeweihten zu thun hatte (Vergl. Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 341). Die in die kleinen Eleusinien Einzuweihenden scheinen zur Reinigung sich haben in dem Ilissus bei Athen baden zu müssen (Schoemann, a. a. O., II. S. 343), so dass also diese eleusinische Weihe ganz eine johanneische Flusstaufe war. Ebenso mussten die in die grossen Eleusinien Einzuweihenden sich im Meerwasser baden und reinigen (Schoemann, II. S. 344). Aehnlich verhält es sich mit den Reinigungen bei den Mysterien zu Andania (Sauppe, die Mysterieninschrift zu Andania, S. 51). Der Aufnahme in die geistlichen Orden des Mittelalters,




1) Baehr, a. a. O., S. 231.
2) Lenning, Encyklopädie, unter Eleusinien.



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namentlich in den Tempelherrnorden, scheinen ebenfalls Waschungen vorausgegangen zu sein. Die Taufe der Christen ist durchaus nur eine solche Waschung und Reinigung, welche der Aufnahme in die christliche Kirche vorhergeht und wodurch dieselbe zugleich erfolgt. Unzweifelhaft hängt es mit dem ehernen Meere in dem Priestervorhofe des salomonischen Tempels zusammen, dass vor den ältesten christlichen Kirchen, den sogenannten Basiliken, gewöhnlich ein Vorhof (Aula, Vestibulum, Pronaos) angelegt wurde, meistens ganz oder theilweise mit einem Säulengange umgeben, in dessen Mitte sich ein Brunnen (Kantharus) befand, in welchem die Gläubigen, ehe sie in die Kirche traten, mit symbolischer Andeutung der innern Reinigung die Hände einzutauchen pflegten; ein Gebrauch, aus welchem später der des Weihwassers oder des Weihkessels entstand. Ebenso gehört zu den arabischen oder muhammedanischen Moscheen wesentlich ein Ort der Abwaschungen, welche Waschungen dem Gebete vorangehen müssen. Die ältern Moscheen, namentlich die Kaaba zu Mekka, 1) bestehen aus einem länglichen viereckigen Hofe, von Mauern eingeschlossen, innerlich von Säulengängen umgeben, oben aber unbedeckt, oft mit Bäumen bepflanzt; in der Mitte des Hofes sind für die Abwaschungen und die andern gottesdienstlichen Bedürfnisse kleine Gebäude errichtet. Aehnlich ist neben jeder etwas grössern indischen Pagode gewöhnlich ein Teich zum Waschen und Baden, denn die Reinigungen durch Wasser sind ein Hauptstück der indischen Religion. An das eherne Meer des salomonischen Tempels mahnt aber vorzüglich das mächtige alabasterne, auf zwölf Löwen von schwarzem Marmor ruhende Waschbecken in dem berühmten Löwenhofe der im 13. Jahrhundert unter der Regierung des Aba Addallah ben Masser gegründeten Alhambra, welche heute noch steht und bewundert wird. Ein ähnlicher Brunnen mit zwölf Thieren befindet sich in dem Palaste zu Sahra bei Cordova. Die zwölf Stiere, welche vor dem salomonischen Tempel das Becken mit dem reinigenden Wasser trugen, sind in der mittelalterlichen Kirchen-




1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 358.



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baukunst sehr frühe zu zwölf Säulen (columnae), als den Symbolen der zwölf Apostel, geworden, welche das Langhaus der Kirche oder das sogenannte Schiff tragen. 1) In vielen Kirchen des Mittelalters wird das Schiff (in welchem Christus seine Kirche die Gerechten in das Reich Gottes hinüberführt) von zwei Reihen je sechs oder auch zwölf Säulen getragen, welche auf die zwölf Apostel als die Träger der Kirche, als die zwölf Tragebalken der christlichen Welt, hinweisen sollen. Diese Beziehung wurde noch mehr versinnlicht durch die Statuen der Apostel und anderer Heiligen, die man an den Säulen und Pfeilern anbrachte. Die zwölf Apostel und zwölf Säulen der christlichen Kirche stehen also ganz gleich den drei Vorstehern und drei Pfeilern der maurerischen Logen.

Eben so befanden sich bei den Griechen am Eingange zu den heiligen Räumen Gefässe mit geweihtem Wasser, 2) oder , aus denen die Eintretenden sich besprengten, zum symbolischen Zeichen der Reinheit, welche von jedem gefordert wurde, der das Heiligthum der Gottheit betreten wollte. 3) In diesem Sinne war über dem Eingang des Asklepiostempels zu Epidaurus zu lesen:

Rein nur darfst du die Schwelle des Göttertempels betreten,
Reinheit aber besteht nur in unsträflichem Sinn.

Der delphischen Priesterin wurde der Spruch zugeschrieben:

Rein von Herzen erscheine im Tempel des lautern Gottes,
Wenn du die Glieder genetzt aus dem kastalischen Quell.
Guten genügt ein Tröpfchen, o Pilgrim, aber dem Bösen
Wasche das Weltmeer selbst nimmer die Sünde hinweg.

In diesem eleusinischen Sinne sagt auch Psalm, 24:

Wer darf steigen auf den Berg des Herrn,
Und wer stehen an seiner heiligen Stätte?
Der schuldlose Hände hat, und reinen Herzens ist,




1) Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, III. S. 6, oben.
2) Die Weihe des Wassers erfolgte unter Gebeten und durch Eintauchung eines Feuerbrandes vom Opferaltare (Lasaulx, Studien, S. 272)
3) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 178.



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Der nicht erhebt zu Eitlem sein Gelüsten,
Und nicht zum Truge schwört,
Er trägt von Jehovah den Segen davon,
Und Huld vom Gotte seines Heils.

Die Opfernden mussten bei den Griechen rein gewaschen sein und reine Kleider tragen, d. h. nur mit reinem Herzen sollte man opfern; von dem Sündigen, der sich nicht mit reinem Herzen naht, verschmähen die Götter auch die reichsten Gaben. Auch vor dem Beten pflegten sich die Griechen die Hände zu waschen oder mit geweihtem Wasser sich zu sprengen; 1) ebenso wusch man sich zu allen gottesdienstlichen Handlungen und legte reine Kleider an. Das segnende und reinigende Besprengen des Volkes mit Weibwasser ist in Griechenland uralt 2) und erfolgte bei besonderen Gelegenheiten mittelst eines aus Oelzweigen bestehenden Wedels durch den Priester. Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass der gleiche Gebrauch in der katholischen Kirche griechischen Urprunges sei, wie die sich daran anschliessenden Gebräuche und Aberglauben. 3) - Auch der Brahmane betet seinen Hymnus zur aufgehenden Sonne erst, nachdem er sich gebadet, die Zähne gewaschen und die Augen gesalbt hat; jedoch soll er vor der Morgendämmerung sich erheben und sogleich über den anständigen Erwerb und dessen Mühen, über die Tugend, über das Wesen und die Bedeutung des Veda nachdenken. 4) Eben so pflegt man die Kinder in Deutschland noch heute erst dann ihr Morgengebet beten zu lassen, nachdem sie gewaschen und sauber angezogen sind. Nach dem bairischen Volksglauben ist der Ungewaschene am meisten den Anfechtungen des Bösen und der Hexen ausgesetzt. Vorzügliche Heilkraft traute man von jeher den Bädern zu, welche zu gewissen Zeiten genommen werden. Insbesondere hielt man Bäder am Johannistag oder am Morgen der Sonnenwende für heilkräftig, welcher Glaube




1) Schoemann, a. a. O., II. S. 314 ff.
2) Lasaulx, Studien, S. 265, oben.
3) Schoemann, a a. O., II. S. 230; Lasaulx, Studien, S. 152, unten.
4) Dunker, Geschichte des Alterthums, II. S. 78.



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durch ganz Europa verbreitet ist. Am Weihnachtsabend und Faschingstag badete man in ganz Baiern bis ins 17. Jahrhundert gegen Fieber und Zahnweh. 1) - Der Parse soll zwar sogleich nach dem Aufstehen ein Morgengebet verrichten, aber hierauf hat er seine Kleider zu untersuchen, ob er sie nicht verunreinigt habe, und muss, nachdem er sie rein befunden, mit einem eigenen Gebete den Kosti oder heiligen Gürtel anlegen, und zwar mit dem Gesichte gegen die Sonne gekehrt; nun wäscht er sich wiederholt mit jedesmaligem darauf folgenden Gebete, bis zuletzt das eigentliche Morgengebet kommt und nach allen diesen Morgengebeten dann dem heiligen Feuer Holz zugetragen wird. 2) Die Muhammedaner beten beim Gebrauch der Zahnbürste: "Mein Gott, wie ich nun meine Zähne reinige, reinige mich gnädigst von meinen Fehlern. O Herr, möge die Reinheit für mich ein Pfand der Weisse 3) meines Gesichts am grossen Gerichtstage sein!", ferner beim Waschen des Kopfes: "Mein Gott, bedecke mich mit deiner Barmherzigkeit, und rette mich aus der den Gottlosen bestimmten Qual. Breite über mich aus deine Segnungen und lass mich unter dem Schatten deines Thrones ruhen." Beim Waschen der Ohren: "Mein Gott, nimm mich auf unter Diejenigen, welche dein Wort hören und ihm treulich folgen. Mein Gott, lass mich eines Tages die Einladung in das Paradies vernehmen." Beim Waschen des Halses: "Mein Gott, befreie meinen Hals vom Feuer. Mein Gott, erlöse mich aus den Ketten und Banden!" und ähnlich beim Waschen des Mundes und der Nasenlöcher. 4)

Das im ersten Liede von Brynhild Nr. 33, 34 vorgeschriebene Waschen der Todten hatte wohl gleichfalls eine symbolische Bedeutung. Es heisst hier:

Das rath' ich dir zum Neunten, dass du nakte Todte hüllest,
wo du im Felde sie findest,
seien es Seuchtodte oder seien es Seetodte,
oder seien es waffentodte Wehren.




1) Quitzmann, die beidnische Religion der Baiwaren, S. 275
2) Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. XLIX.
3) Die, welche verworfen werden, denkt sich der Muhammedaner schwarzen Gesichts.
4) Ausland für 1860, S. 192 b.



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Ein Hügel sich hebe dem Heimgegangenen;
Hände wasch' und Haupt;
kämm' ihn und trockne, eh' die Kist' ihn aufnimmt,
und bitte, dass er selig schlafe.

Der Lichtsuchende, der aufzunehmende Maurerlehrling soll auf seinen drei Reisen durch das Feuer und das Wasser von allem Unreinen und Bösen nach uraltem Mysteriengebrauche 1) symbolisch gereinigt, gesühnt und geweiht werden und erst nach dieser Reinigung, Sühnung und Weihung darf er das weisse Kleid, die weisse Schürze und die weissen Handschuhe anlegen und mit dem Schwerte unter die Lichtstreiter (milites Mithrae) eintreten, sich dem Bunde der Lichtsachenden anreihen, mit ihnen streben und hoffen, durch redliches Suchen und Handeln dereinst das ewige Licht zu finden. Der dreimalige sühnende und weihende Umgang beruht auf einem sehr alten Gebrauche des Alterthums und war besonders bei den römischen Ambarvalien üblich, 2) indem auch bei ihnen die drei sühnenden geschmückten Opferthiere, die Suotaurilien oder Solitaurilien, ein männliches Schwein, ein Schafbock und ein Stier, dreimal um die sühnende Stadt, den Acker, die Felder, die Bürgerschaft u. s. w. herumgeführt wurden. Die öffentlichen Ambarvalien wurden durch ein eigenes Priestercollegium, die zwölf arvalischen Brüder (fratres Arvales) geleitet, aus welcher Zwölfzahl schon zu entnehmen ist, dass die Ambarvalien den Jahresgottheiten, den zwölf-monatlichen Sonnen-Erdgöttern, dem Mars, dem Faunus Lupercus, dem Janus, der Bona Dea, dem Jupiter und später dem Bacchus und der Ceres zu Ehren gefeiert wurden. 3) An diese römischen Sühnungen erinnern die in der katholischen Kirche noch heute gebräuchlichen feierlichen Processionen im Frühjahre durch die Felder, um eine




1) Creuzer, Symbolik, IV. S. 347 ff.
2) Preller, römische Mythologie, S, 370 ff.
3) Vollmer, Wörterbuch der Mythologie, unter Ambarvalien, wozu auch eine Abbildung eines Ambarvalienzuges nach einem geschnittenen Steine gehört. Bei Lasaulx, Studien. des klassischen Alterthums, S 144, findet sich die altrömische Litanei, welche die arvalischen Brüder bei der jährlichen Flurenweihe am 11. Mai in ihren Processionen durch die römische Feldmark sangen.



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glückliche Ernte und überhaupt ein gesenetes Jahr zu erflehen, wenngleich natürlich mit diesen Processionen keine Thieropfer verbunden sind. Bei den Maurern wird der Lichtsuchende durch das dreimalige Herumführen durch das Feuer, das Wasser und die Erde selbst gesühnt und gereinigt, lustratur. Dem Feuer und dem Wasser eine besondere reinigende und sühnende Kraft und Wirkung beizulegen, darf als eine allen Völkern des Alterthums gemeinsame Vorstellung angesehen werden, welche Vorstellung vorzüglich auch in den Mysterien der Isis, des Dionysos u. s. w. hervortritt. 1) Wie bei den Maurern drei Reinigungsmittel erscheinen, waren auch im dionysischen Cultus drei Reinigungsmittel, Wasser, Feuer und Luft gebräuchlich. Aus der Vorstellung des Feuers als eines Reinigungs- und Sühnungsmittels ist es wesentlich hervorgegangen, dass der unterweltliche Aufenthaltsort der unreinen und strafbaren Seelen vielfach als eine Feuerstätte gedacht und geschildert wird, worin die Mängel und Sünden, die Unreinigkeiten und Schlaken der Seelen gleich wie aus einem Metalle herausgeschmolzen und gebrannt werden, um dadurch wieder zu geläuterten und gereinigten Seelen zu werden, um zu Licht zu werden und als Licht wieder in das Licht, in den Himmel zu Gott zurückkehren zu können. Das Böse, die Sünde ist eine Verunreinigung und Befleckung, 2) eine Beschmutzung und Verdunkelung des uns beseelenden reinen göttlichen Geistes und muss nothwendig getilgt, hinweggenommen und ausgebrannt werden, bevor wir uns als Licht wieder mit dem Lichte vereinigen und verbinden können und dürfen. Die Hölle und das Fegefeuer selbst erscheinen auf diese Weise nach einer tiefern Betrachtung als die Pforten, als die Vorbereitungs- und Uebergangsorte der Verklärung und des Himmels und dieser Gedanke sollte vielleicht ausgedrückt werden, wenn nach der parsischen Lehre am Ende der Dinge Ahriman mit allen Bösen sich bekehren und zurückkehren soll, um Eine gute und reine Heerde




1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 104.
2) Bei den Griechen genannt; vergl.Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 319.



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unter dem Einen Gotte als ihrem Hirten zu bilden. Ferner hängt mit der orientalischen Ansicht von der reinigenden Kraft und Wirkung des Feuers, die allgemeine Sitte des Alterthums zusammen, dass bei gewissen religiösen Festlichkeiten, bei welchen Feuer gebrannt zu werden pflegten, Menschen und Thiere durch das Feuer sprangen, um dadurch gereinigt und gesühnt zu werden, wovon sich bei unsern Johannisfeuern noch einige schwache Spuren erhalten haben. Vielleicht lässt sich daraus auch der Gebrauch der Inder, der Germanen, der Kelten, 1) der Juden, der Griechen und der Römer und anderer alten Völker er]klären, die Leichname zu verbrennen, 2) wie ja auch Herakles bei den Griechen auf dem Oeta, Baal-Melkarth zu Tyrus und der diesem verwandte und auch zu Tarsos in Kilikien und Sardes in Lydien verehrte Sardon oder Sandon sich selbst verbrennen, um sich aus ihrer Asche zum Himmel zu erheben und verjüngt wieder zu erstehen. 3) Bei den Völkern des Alterthums hat die Behandlungs- und Aufbewahrungsweise, die Beerdigungsweise der Leichname - man denke nur an die Parsen, Aegypter und Kelten - stets einen religiösen Grund, eine symbolische Bedeutung, daher diese auch das Verbrennen der Leichname gehabt haben muss. Nach Simrok, deutsche Mythologie, S. 367, glaubten die Deutschen, dass mit der Rauchsäule die Seele zum Himmel emporwirbele, und einen ähnlichen Glauben hatten die Inder. Bei den Indern wird von Buddha erzählt, dem schuldbaren habe sich ein guter Geist zugesellt und ihn aufgefordert, seinen Leib in Flammen zu baden, damit er von der Schuld sich reinige. 4) lsis als Amrne des Königssohnes zu Byblus legt denselben Nachts, wenn Alles schläft, in das Feuer, um ihn von den




1) Brosi, die Kelten und Althelvetier, S. 100.
2) Vergl. auch J. Grimm, über die Verbrennung der Leichen, Berlin 1849; Weinhold, die heidnische Todtenbestattung in Deutschland, S. 1 ff., bes. S. 41 u. 115; Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 261 ff. u. S. 17; Ettmüller, Beowulf, Zürich 1840, S. 51 ff. u. S. 68, Anm. 52; Preller, Demeter und Persephone, S. 219 ff.
3) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 169 und 296; Preller, griech. Mythol. II. S. 112 u. 158.
4) Furtwängler, Idee des Todes, S. 108, Anm. 19.



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irdischen Schlaken in der Feuergluth zu reinigen. 1) Die ihre verlorene Tochter Persephone suchende Demeter wurde im Hause des Königs Keuleus zu Eleusis freundlich auf.genommen und zur Wärterin des Sohnes desselben, des jungen Deiphontes bestellt; aus Dankbarkeit wollte sie dem Deiphontes die Unsterblichkeit verleihen, weshalb sie ihn mit Ambrosia nährte und des Nachts in das Feuer legte, um das Irdische von ihm zu entfernen; von der Mutter Metanira belauscht, wurde das Werk gestört, die Göttin gab sich zu erkennen, vermochte aber, was einmal unterbrochen, nicht wieder anzuknüpfen, doch begabte sie dafür den andern Sohn des Königs, Triptolemos mit Geschenken. 2) Als Thetis dem Peleus den Achilles geboren hatte, hegte die Mutter das Kind mit liebevoller Sorgfalt und hob es, um das Sterbliche an ihm zu tilgen, des Nachts über das flammende Feuer, während sie es am Tage mit Ambrosia salbte. Doch Peleus, der einst den Vorgang bemerkte, in menschlicher Schwäche unfähig, das göttliche Werk zu begreifen, schrie laut auf und hinderte die Göttin, was sie begonnen, zu vollenden. 3) Es wird also von den drei Erdgöttinnen Isis, Demeter und Thetis die gleiche Sage erzählt. - Der Name des Priesters oder , welcher in den samotracischen Mysterien die mit Blutschuld Befleckten zu reinigen hatte, lässt vermuthen, dass zu der Reinigung Feuer und Räucherungen gebraucht worden seien. Als Herakles die Skylla erschlagen hatte, ruft sie ihr Vater Phorkys dadurch wieder in das Leben, dass er sie mit Fackeln verbrennt. 4) Die Skylla möchte nur ein Bild der dunkelen Gewitterwolke sein, welche eben in dieser ihrer Natur mit der lichten Sonne Herakles um die Kinder des Geryon ringt und von ihr getödtet wird. Die Fackel, welche die getödtete Gewitterwolke wieder belebt, ist der Blitz, wie auch auf, diesen die Geissel gedeutet werden darf, welche die Hekate und ihre Tochter Skylla gleich dem Osiris führen. Weil die Hekate sowohl




1) Creuzer, Symbolik, I. S. 261.
2) Vollmer, vollständiges Wörterbuch der Mythol., S. 519.
3) Furtwängler, a a. O., S. 107.
4) Gaedechens, Glaukos, S. 93.



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als ihre Tochter Skylla Gewittergottheiten sind, haben sie auch ein Medusen- oder Gorgonenhaupt, ist beiden die Schlange, die Blitzesschlange nämlich, der Greif u. s. w. beigegeben. Auch der Scheiterhaufen, auf dem sich Herakles verbrennt, ist ursprünglich die Blitzeswolke.

Die Parsen haben von dem Ende dieser Welt nachfolgende Sage: Wenn nach dem Rathschlusse des unendlichen Wesens der letzte Zeitraum der Weltdauer verflossen ist und Ahriman allein herrscht, wird der Komet oder lrrstern Gurzscher, einer der Gehülfen Ahrimans oder der sieben Erzteufel, sich von dem ihn bewachenden Mond losreissen, auf die Erde herabstürzen und durch den allgemeinen Brand, den er herbeiführen wird, das Ende der Welt bewirken. Ehe dieses geschieht, wird Ormuzd durch den Propheten Sosiosch als einen Erlöser der Menschen diese in Schutz nehmen, eine allgemeine Bekehrung zu dem Gesetze des Ormuzd und die allgemeine Auferstehung aller Todten vollbringen. Mit Sehnen und Adern wird Ormuzd die Gebeine der Verstorbenen aufs neue bekleiden und Gatten, Geschwister und Verwandte werden sich wieder erkennen. Nun geht aber die grosse Scheidung der Gerechten von den Sündern vor sich; dabei wird der Vater von seiner Gattin, die Schwester von dem Bruder, der Freund von dem Freunde geschieden werden; der eine wird gerecht, der andere ein Sünder sein, ihr Lohn wird in ihren Thaten liegen. 1) Ahriman, welcher beim Herabstürzen des Kometen Gurzscher nur seinen Zweck der Verheerung vor Augen hatte, diente hier abermals wider seinen Willen dem unendlichen Wesen als Werkzeug gegen sich selbst; denn der allgemeine Brand, welchen der Komet verursacht, verwandelt die ganze Erde in einen Metallstrom, der brennend in das Reich Ahrimans hinabstürzt. Alle Wesen müssen nun durch diesen Strom gehen, die Gerechten durchwaten ihn wie einen Strom warmer Milch und gehen über in den Wohnsitz der Seligen; aber alle Sünder werden mit dem Strom fortgerissen zu dem Abgrunde der Hölle oder des Duzakhs; hier brennen sie drei Tage und drei Nächte, dann sind sie gereinigt, rufen




1) Rhode, die heilige Sage des Zendvolkes, S. 467 ff.



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zu Ormuzd und werden in den Himmel aufgenommen. Nur Ahriman und seine Genossen, die gleichfalls durch den flammenden Metallstrom in den Duzakh hinabgerissen worden, bleiben darin, bis der ganze Duzakh durch das allesverzehrende Feuer ausgebrannt und alles Unreine in ihm völlig vernichtet ist. Dann werden auch Ahriman und seine Genossen gereinigt sein und zu Zervane Akerene oder dem Urlichte, aus welchem Ormuzd und Ahriman, die gute und die böse Welt hervorgegangen, zurückkehren. Alles Böse ist nun, wie alle Finsterniss verschwunden; aus dem erlöschenden Feuer geht eine schönere Erde hervor, rein und vollkommen, wie die verbrannte bei ihrer ersten Schöpfung war, und für die Ewigkeit bestimmt. Ormuzd als der Erste, und Ahriman, ihm unterworfen, werden nun mit ihren Geschöpfen auf der neuen Erde als Priester des unendlichen Urwesens wandeln, ihm Loblieder singen und das Lichtgesetz üben.

Um zu beweisen, dass die jüdische Auferstehungslehre 1) blos dem Parsismus entlehnt sei, reihen wir hier einige Stellen aus den Schriften des alten und des neuen Testamentes noch an. Jesaia 26, 19 heisst es:

Leben sollen deine Todten,
auferstehen meine Leichen.
Wachet auf und jubelt, ihr Bewohner des Staubes,
denn Morgenthau ist dein Thau,
und die Erde gebiert die Verstorbenen wieder.

Besonders beachtenswerth ist aber das Kap. 37 des Propheten Ezechiel, welches also beginnt: "Die Hand des Herrn kam auf mich und führte mich in dem Geist des Herrn hinaus und liess mich nieder in ein ebenes Feld, das voll Gebeine lag. Er führte mich rings auf demselben herum; und siehe, der Gebeine waren sehr viele, welche allenthalben auf der Erde lagen; und siehe, sie waren sehr dürr. Da sprach er zu mir: Du Menschensohn, meinst du, dass, diese Gebeine auch wieder lebendig werden können? Ich antwortete: 0 Herr, du weissest es! Da sprach er zu




1) Vergl. darüber auch Polak, Geschichte der Urreligion, S. 196 ff.



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mir: Du sollst über diese Gebeine weissagen und zu ihnen sprechen: Ihr dürren Gebeine, höret das Wort des Herrn! Also spricht der Herr zu diesen Gebeinen: nehmet wahr, ich will einen Geist in euch bringen, dass ihr lebendig werden sollet. Ich will euch Adern geben und Fleisch wachsen lassen, und euch mit einer Haut überziehen und einen Geist euch geben, dass ihr lebendig werden, und wissen sollet, dass ich der Herr sei. Da weissagte ich, wie mir befohlen war, und indem ich weissagete, erhob sich ein Getöse; und siehe, ein Geräusch, und je eines der Beine nahete sich zu dem andern. Und ich sah, und siehe, sie hatten Adern, und wuchs Fleisch an ihnen; und er überzog sie oben mit Haut; aber es war kein Geist in ihnen. Da sprach er zu mir: Du Menschensohn, weissage gegen den Geist, weissage und sprich zu dem Geist: Also spricht der Herr: O Geist, komme von den vier Winden, und hauche diese Erschlagenen an, dass sie lebendig werden! Also weissagete ich, wie mir befohlen wurde. Da kam der Geist in sie, und sie wurden lebendig, und stellten sich auf ihre Füsse, eine überaus grosse Menge. Die Wiederbelebten waren das ganze Haus Israel, welches der Herr aus den zerstreuten Landen unter den Heiden wieder auferwecken und in ihr Land zurückführen wollte, damit sie dort ein Volk unter einem einzigen Könige und nicht mehr zwei Völker in zwei Reichen, Juda und Israel, sein sollten, ohne allen Götzendienst und nur den Dienst des Ewigen übend; David sollte ihr ewiger König werden und sie alle sollten einen einzigen Hirten haben; der Ewige wollte den Bund des ewigen Friedens mit ihnen aufrichten und als ihr Gott in seinem Heiligthume in Ewigkeit wohnen; die Heiden sollen erfahren, dass der Ewige der Herr sei, welcher Israel heiliget, wenn seine Heiligkeit in Ewigkeit unter ihnen sein wird." Also selbst am Tage der Wiederauferstehung der Todten sollte das vereinigte israelitische Volk das auserwählte Volk Gottes sein und mit seinem Gotte unter dem wiedererstandenen Könige David in Neu-Jerusalem wohnen.

Im Evangelium Matthäi sind besonders die Kap. 24 u. 25 zu beachten, worin ganz nach den parsischen Vorstellungen




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das Ende der Welt bei der Ankunft des Herrn und das alsdann von ihm zu haltende letzte Gericht behandelt wird. Der Herr wird zum letzten Gerichte unerwartet kommen und da wird Heulen und Zähnklappern sein; alsdann wird das Himmelreich zehn Jungfrauen gleich sein, die ihre Lampen genommen und hinaus dem Bräutigam entgegen gegangen waren; fünf aus ihnen waren klug, und fünf thöricht; die Thörichten hatten zwar ihre Lampen, aber kein Oel mit sich genommen, nur die Klugen hatten die Lampen und das Oel dazu. Kap. 25, 31 fährt dann fort: "Wann aber des Menschen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen wird und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er auf den Thron seiner Herrlichkeit sitzen und vor ihm werden alle Völker versammelt werden, und er wird von einander sondern, gleichwie ein Hirt die Schafe von den Böcken sondert. Und er wird die Schafe stellen zu seiner Rechten, die Böcke aber zu seiner Linken; dann wird der König Denen zu seiner Rechten sagen: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch von der Grundlegung der Welt an bereitet ist." Die Gerechten werden daher in das ewige Leben, die Ungerechten in die ewige Strafe gehen.

Es bedarf wohl kaum einer weitern Ausführung, dass diese parsisch-jüdisch-christliche Lehre von der Wiederauferstehung der Todten und dem alsdann erst abzuhaltenden letzten Gerichte, um die Gerechten für das ewige Leben und die Ungerechten für die ewige Strafe auszusondern, eine höchst unvollkommene, ungenügende und nur aus dem Jugendalter der Menschheit, des Zendvolkes, in welchem sie entstanden, erklärliche sei. Wenn in dem Menschen ein unsterblicher Geist wohnt, wird dieser Geist unsterblich auch im Tode fortdauern und nicht erst am Tage des letzten Gerichtes dem zusammengelesenen Staube nach Jahrhunderten und Jahrtausenden des Todes wieder von den vier Winden her eingehaucht werden müssen; wäre der Geist so lange wirklich todt gewesen, würde er auch ferner todt bleiben; wo sollte der unsterbliche Geist bis zum Auferstehungstage weilen? Auch hat der unsterbliche Geist den abgelegten irdischen Leib gewiss nicht mehr nöthig, sondern wird den neuen Leib dort




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erhalten, wohin er kommt; müsste die unsterbliche Seele nochmals auf der Erde sich in das abgelegte Gewand kleiden, würde dieselbe auch wieder mit den alten Gebrechen und Leidenschaften behaftet sein.

Das Reich der Unsterblichkeit ist gar nicht auf der Erde, sondern über der Erde, in den Sternen zu suchen. Das letzte Gericht wird in der Todesstunde eines jeden Menschen gehalten, indem er nach seinen Thaten hier, dort seine Stelle erhalten wird. Auch ist der Gedanke einer ewigen Verdammung für das kurze Leben auf Erden mit der Weisheit und Barmherzigkeit Gottes ganz unvereinbar und eine jüdische Abweichung von der besseren parsischen Lehre, wornach am Ende der Tage alle Sünder und selbst Ahriman oder der Teufel durch das Feuer gereinigt werden und gereinigt in das Eine Reich Gottes eingehen sollten.

In den Gebräuchen, in den Ritualen der maurerischen Lehrlingsaufnahme ist mit Unrecht der Gedanke an die reinigende Kraft und Wirkung des Feuers fast gänzlich erloschen und untergegangen, und blos derjenige an die reinigende Kraft und Wirkung des Wassers hat sich lebendiger forterhalten, indem bei der Darreichung des Wassers an den Aufzunehmenden in einzelnen Logen der Zuruf gerichtet wird:

"Wie das Wasser Ihren Leib reinigt, so reinigen auch Sie Ihre Seele von unedlen Begierden und Ihr Leben von unreinen Flecken."

Dieser maurerische Zuruf erinnert an das Gebet, welches die in dem heiligen Ganges badenden und sich reinigenden Inder beten:

"Ihr Wasser, Mutter der Welten, reinigt uns, denn
Ihr göttlichen Wasser nehmet alle Sünden hinweg."

Dieses Hinwegnehmen der Sünde durch das Wasser ist wohl dahin zu verstehen, dass dem Bereuenden und sich selbst Reinigenden seine Sünden werden vergeben werden. Unter den Reinigungsmitteln steht das Wasser tiefer als das Feuer; dieses ist geistiger, jenes stofflicher und irdischer und am stofflichsten ist die Erde, welche auch als Reinigungsmittel, wahrscheinlich selbst bei den alten Mau-




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rern gebraucht wurde. Auf dem Denkmale der Meister erscheint allein noch das reinigende, das zum Himmel führende und die Unsterblichkeit gewährende Feuer. Das Denkmal der Meister ist gleichsam der Scheiterhaufen des das Irdische verbrennenden und verjüngt und licht zum Himmel emporsteigenden Herakles, deponens aliena, ascendit unus (der Geist, der Gott, die unsterbliche Seele). Die Erde soll den Aufzunehmenden an den Staub, in den Tod und die Vergänglichkeit alles Irdischen, an das irdische Ende mahnen, wie sie wirklich auch zuletzt ihm begegnet; das Feuer dagegen ist der Anfang, insofern der Mensch aus dem Himmelsfeuer stammt und dahin wieder zurückkehrt, - das Feuer, das Licht, das den Lehrling, den werdenden Menschen in die Welt und den Meister, den Sterbenden aus der Welt in den Himmel zurückleitet. Das Feuer ist das Apollinische und Himmlische, das Wasser mit der Erde das Dionysische und Irdische unter den maurerischen Mysterien- und Reinigungssymbolen, und beide vereint bilden das Mysterienei mit den zweifachen Farben des Todes und des Lebens, der Erde und des Himmels, die beiden Säulen Jakin und Boaz. Auch die Griechen gebrauchten neben andern Reinigungsmitteln oder , besonders neben dem Feuer und dem Wasser, Erde, Lehm und dergleichen; auf diese Reinigungsmittel wurde symbolisch die Verunreinigung von dem zu Reinigenden übertragen. 1) Bei der Erde erinnere sich aber der Maurer besonders der Worte, welche nach Moses I. 3, 19 der strafende Ewige zu dem gefallenen Menschen spricht: "Im Schweiss deines Angesichts sollst du dein Brod essen, bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du genommen. Denn Staub bist und Staub sollst du wieder werden." Auch reihen sich hier die schönen Worte Goethe's in seinem Gedichte "dem Ackermann" an:

Flach bedecket und leicht den goldenen Samen die Furche,
Guter! die tiefere deckt endlich Dein ruhend Gebein.
Fröhlich gepflügt und gesä't! Hier keimet lebendige Nahrung,
Und die Hoffnung entfernt selbst von dem Grabe sich nicht.

Daher wurden auch zu Athen die Todten , gleich-




1) Schoemann, griech. Alterthürner, II. 327 u. S. 328.



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sam der in die Erde gestreute Samen eines neuen Lebens genannt; sie sind die abgeschnittene goldene Fruchtähre, welcher bald wieder neues Leben entsprossen wird.

Wie das reinigende Feuer sich in der Unterwelt zum Duzakh, zur Hölle, zum Fegefeuer gestaltet, so das Wasser zum Todes- und Leidensstrome, zum Acheron, zum Styx, zum Kokytos der Griechen, womit auch der im Lande der Hyperboreer gelegene mythische Eridanos und der Todtenstrom der Germanen verwandt ist. In dem griechischen unterweltlichen Pyriplegethon, d. i. dem Feuerstrome, haben sich sogar das Feuer und das Wasser zu einem Strome des ewigen Wehes und Schmerzes verbunden. Unter den Todtenströmen erscheint aber bei den Griechen und Germanen als der grösste das weite Meer selbst, der tiefströmende Okeanos, über welches die Todten nach den Inseln der Seligen, nach dem griechischen Elysium und nach dem germanischen Grünland oder Engelland, nach dem Rosengarten und Rosenland hinübersteuern. Das Himmelreich, das Reich der Glücklichen ist ein transoceanisches, das Jenseits an dem äussersten Ende der Erde; das Ferne, in welches nach Pindar nur diejenigen Menschen gelangen, die eine dreimal wiederholte Prüfung durch das Leben glücklich bestanden haben. Diese drei pindarischen Lebensprüfungen sind die drei maurerischen Reisen. Aus der Erdennacht gelangt durch die Prüfungen und Reinigungen des Wassers und des Feuers hindurch der Myste, der Eingeweihte, der Mensch zudem Lichte, wer das Licht sucht, muss die Prüfungen und Reinigungen des Wassers und des Feuers im Leben und im Tode überstanden haben, muss entsühnt und gereinigt sein, bevor er das Licht findet. Das Licht ist Gott und der Himmel selbst, worin die Seligen, die Reinen, die Gerechten, die Erlöseten wohnen; die Nacht aber ist die Unterwelt, der dunkele und schreckliche Strafort, welcher die Bösen und Unreinen umfängt, - der Duzakh der Parsen, der Scheol der Juden, der Amentes der Aegypter, - die Nyx, der Hades und der Tartaros der Griechen u. s. w.

Die Essäer in Palästina, die Frommen, hatten gleichfalls als Symbol der zu erstrebenden Herzens- und Geistes-




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reinheit beständige Reinigungen und Waschungen, indem sie sich beständig badeten, woraus dann später bei Johannes dem Täufer die Taufe durch ein Baden im Flusse hervorgegangen ist und von Jedermann gefordert wurde. Auch die Furcht vor dem nahenden Weltgerichte und daherige Ermahnung zur Reue und Busse in ihrer tiefern Bedeutung waren essäisch-johanneisch. 1) Im essäischen Geiste wurde ebenso von den Judenchristen in Aegypten gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts nicht blos geboten, gegen Arme strenge Gastfreundschaft zu üben, sondern auch, ihnen immer das Haupt zu waschen. Die Fusswaschung der Arrnen zur Ostterzeit durch die katholischen Fürsten, z. B. noch jetzt durch den König zu München, hängt gewiss mit diesen Gebräuchen und Vorschriften der ältesten christlichen Kirche Aegyptens zusammen.

Mit dem maurerischen Symbole der Erde in dem vorberührten Sinne ist zu vergleichen der symbolische Gebrauch der Kelten, die Todten in Gräbern von zusammengelegten und gestellten Steinen zu beerdigen. Die Steine sind hier das Symbol der grossen Mutter Erde, welche alles irdische Leben gibt, aber auch wieder hinwegnimmt. 2) Der nichtverbrannte Leichnam ruhte mit seinem Haupte gewöhnlich auf einem untergeschobenen Steine. Dass in den Keltengräbern zugleich fast immer unten auf dem ursprünglichen Boden Eichenlaub, zuweilen auch Buchenlaub erscheint, wenn auch gegenwärtig nah und fern keine derartige Bäume zu treffen sind, war gewiss ebenfalls in dem Sinne ein symbolischer Gebrauch, dass die Blätter auf den heiligen Gottes- und Lebensbaum, auf das ewige Leben hinweisen sollten, in welches der Verstorbene einzugehen hoffte. Auch die Blumen, womit noch heute fast überall die Leichen, die Särge und die Gräber geschmückt zu werden pflegen, haben nur diese symbolische Bedeutung. Bei den alten Deutschen sollten die Rosen auf den Gräbern ganz besonders auf den Rosengarten hindeuten, wie das Land der Seligen, die Insel der Seligen genannt wurde.




1) Ewald, die sibyllinischen Bücher, Göttingen 1858, S. 47 und S. 65, Anm. 1.
2) Brosi, die Kelten und Althelvetier, S. 101; Mittheilungen der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, III. Bd. S. 70.



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Nach den Gebräuchen vieler Logen sind es eigentlich vier Elemente, welche dem Aufzunehmenden auf seinen drei Reisen begegnen, was zugleich die in anderer Beziehung sehr bedeutungsvolle Siebenzahl ergibt. Auf den drei Reisen, in welchen dem Aufzunehmenden erst das Feuer, sodann das Wasser und zuletzt die Erde entgegentritt, begleitet ihn oft auch der Donner d. h. die Luft, indem die Luft auf keine andere Weise passend dargestellt zu werden vermag, als durch den in ihr entstehenden und rollenden Donner. Diese vier Elemente des Alterthums sind wesentlich pythagoreisch, die pythagoreische Vierfaltigkeit, aus welcher alle Dinge entsprungen und entstanden sind, - die Quelle und der Grund des Weltalls. Das Element der Luft wurde schon in den alten Mysterien, namentlich auch Aegyptens, durch den Donner und den Blitz dargestellt; 1) auch in den Mythramysterien scheint dieser Gebrauch geübt worden und zugleich wie in den ägyptischen Mysterien zu einer Prüfung des Aufzunehmenden gestaltet gewesen zu sein. 2) Elias von Kreta sagt von den in die Mithramysterien Aufzunehmenden: "Igni quippe et aqua et hujus modi suppliciorum generibus excruciantur. - Deinde necessario ipsi faciendum est, ut se in ignem conjiciat." - Der Aufzunehmende wurde also auch dadurch geprüft, dass er sich unerschrocken in das Feuer stürzen musste. Die vier schöpferischen Elemente bestätigen zugleich die Ansicht, dass die Lehrlingsaufnahme das Symbol der Weltschöpfung, - die maurerische Lehre von der Weltschöpfung, die maurerische Kosmogonie sei. Polak, die Tapis, S. 4, will die vier Elemente sogar in dem salomonischen Tempel symbolisirt finden, indem die drei Theile des Tempels die Symbole von Himmel, Erde und Wasser gewesen sein sollen, das vierte Element der Alten aber, das ewige Feuer in dem Heiligen selbst gebrannt habe und demnach der ganze Tempel das Symbol des Weltalls gewesen sei. Selbst den Vorhang des Allerheiligsten betrachtet




1) Polak, die Tapis, S. 38.
2) Creuzer, Symbolik, I. S. 753, Anm. 104; Windischmann, Mithra, S. 69.



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Polak als das Symbol der vier Elemente, was er aber gewiss nicht war und nicht sein sollte.

An die drei Umgänge der Suovetaurilien und die drei Reisen des Maurers schliesst sich sodann an: Bei den Indern muss die Braut dreimal am Ende der Hochzeitsfeier die heiligen Flammen Agni's, ignis, das heilige Herdfeuer umwandeln; 1) ebenso musste bei den Deutschen die Braut das heilige Herdfeuer, welches das Himmelsfeuer, die Himmelsflamme vergegenwärtigte, dreimal umziehen; dreimal wurden auch neueinziehendes Gesinde und neuerworbene Thiere um dasselbe geführt. 2) Diesem Umwandeln des Herdfeuers stellen sich die drei Reisen des Maurerlehrlings durchaus gleich, insofern als auch der Lehrling dreimal die drei kleinern, die Tapis umstehenden Lichter umschreiten muss. Auch wurde bei den Deutschen dreimal das geschmückte Opferthier um das Heiligthum oder im Kreise der Volksversammlung herumgeführt. 3) Bei der Taufe wie bei der Hochzeit wurde von den Deutschen auch dreimal die Kirche, der Altar und das Herdfeuer umschritten. Selbst zu opfernde Menschen umliefen bei den Griechen vorher dreimal den Altar. 4) Aehnlich durchmisst auch der indische Sonnengott Wischnu täglich in drei Schritten, d. h. als Morgens-, Mittags- und Abendsonne den Himmelsraum und thun bei Homer die Götter drei Schritte, 5) wie dreifach der Schritt und Schlag, das Zeichen und der Fingerdruck, der Kuss und das Feuer des Maurerlehrlings ist. Nach den drei Schritten des blauen oder grünen Wischnu, welchem auch das abwärts gekehrte gleichseitige Dreieck als das Symbol der zeugenden Luft und des himmlischen Gewässers (der Dreizack des Poseidon) geheiligt ist, 6) und der griechischen Götter wird auch bei den Griechen der Tag, die Nacht und das Jahr, und die Zeit überhaupt in die Gegenwart, Vergangenheit und Zu-




1) Mannhardt, die Götterwelt, I. S. 67.
2) Mannhardt, a. a. O., I. S. 196.
3) Simrok, deutsche Mythol., S. 520.
4) Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 215.
5) Welker, griech. Götterlehre, I. S. 54 u. 626.
6) Ersch und Gruber, Encykl., Sect. II. Bd. XVII. S. 176 b.



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kunft, getheilt; ebenso erscheinen bei den Griechen drei Theile des Stadiums, drei Theile der Mahlzeit, drei Gänge des Ringens, drei Libiationen bei der Mahlzeit und bei den Festmahlen, die Dreispenden von Wein, Milch und Honig 1) u. s. w. Die Dreispenden sind wohl in ihrem letzten Ursprunge auf das Hirtenvolk zurückzuleiten, von welchen auf den Hochbergen Mittelasiens die Menschheit ausging und das in der guten Jahreszeit dreimal des Tages die dem Gotte geweihte Kuh melkte und bei dem jedesmaligen Melken auch dem segnenden Gotte eine Gabe der Dankbarkeit darbrachte. 2) Dass die dreimalige Melkung im Monat Mai beginnen müsse, zeigt auch der ags. Trimilci = Majus, Mai, bei Beda. Hiermit hängt es auch zusammen, dass nach dem Mînôkhired der Parse dreimal des Tages, die Sonne, den Mithra anbeten soll, 3) wie ebenso die Aegypter nach Plutarch dreimal täglich der Sonne opferten 4) und das dreimalige tägliche Beten und Läuten in allen katholischen und griechisch-christlichen Ländern noch heute üblich ist. Am Altare Jodamia's sagt die Priesterin täglich dreimal, sie lebe und verlangt Feuer. 5) Dreimal rufen am Sonntage auch die Glocken die Christen- zum Gottesdienste, wie drei Hammerschläge die Juden zur Synagoge und die Maurer zur Ordnung oder Aufmerksamkeit. Ferner gehören in diesen Vorstellungskreis die drei ersten Vorsteher der Maurer, weil sie auch die Morgens-, Mittags- und Abendsonne, - Geburt, Leben und Tod, - den dreifachen Schritt alles Seins und aller Zeit bedeuten, wie dieses ebenso der dreifache Schritt des Lehrlings und die vielen Götterdreiheiten oder die Götter mit den dreifachen oder dreigetheilten Symbolen im ganzen Alterthume bezeichnen. Der chinesische Confucius sagt:

Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.




1) Welker, a. a. O., I. S. 33.
2) Kuhn, die Herabkunft des Feuers, S. 491.
3) Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. LI.
4) Lajard, recherches, S. 36, Anm. 3.
5) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 250, Anm.



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In dem Mittelpunkte der Halle des chinesischen Riesentempels auf der Insel Jonan sieht man daher drei grosse und überrnässig stark vergoldete Bildsäulen, genannt die drei kostbaren Fa, d. i. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vor denen kleine Altäre, auf welchen Weihrauchgefässe befindlich sind, stehen. 1) Drei Abschnitte hat der maurerische Lehrlings-, Gesellen- und Meisterkatechismus, wie auch jeder der vier indischen Vedas aus drei Abtheilungen zusammengesetzt ist, wovon die erste, Mantra, Hymnen und Gebete an den Allmächtigen enthält, - die zweite, Brahmana, aus den Ritualbüchern, aus Religionsvorschriften und religiösen Erörterungen besteht, - und die dritte, Upanishad, einen Auszug aus den beiden erstern oder philosophische Betrachtungen gibt. Ebenso bilden drei Abtheilungen, die Disciplin (Vinaya), die Aussprüche (Sûtras) und Metaphysik (Abdidharma) den sogenannten Dreikorb, d. h. den dreigetheilten Kanon (Tripitaka), die drei Klassen der heiligen Bücher der Buddhisten. 2) Zugleich reiht sich an, dass bei den Indern die wandelbare Sinnenwelt in drei Regionen oder drei Welten (trailokja) nach den drei Dimensionen des Raumes, in die obere, mittlere und untere, - Himmel, Erde und Unterwelt zerfällt, was wieder auch an die Eintheilung Aegyptens in drei Regionen oder Ober-, Mittel- und Unterägypten erinnert; bei den Indern erscheinen auch ferner drei Grundkräfte (gunâs), durch welche die Natur wirkt und welche die Handlungen der Menschen als Finsterniss (tamas), Staub (rag'as) und Wesenheit (satja) bestimmen. 3) Mit Rücksicht auf seine Herrschaft in den drei Welten hat der weisse Civa den Dreizack (trigula), das aufwärts gerichtete gleichseitige Dreieck als Symbol des Feuers, drei Augen und drei Arme neben dem Stiere und dem Lingam als den Symbolen der Zeugung. 4) - Auch die heiligen Schriften der Parsen bestehen eigentlich aus drei Theilen,




1) Apostelgeschichte des Geistes, I. S. 266.
2) Köppen; Religion des Buddha, S. 142; Lassen, indische Alterthumskunde, II. S. 79.
3) Ersch und Gruber, Encyklopädie, Sect.II. Bd.XVII, S. 174.
4) Ersch und Gruber, a. a. O., S. 179 b.



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dem Avesta oder Text, Gesetz, - Zend oder der Auslegung des Gesetzes und Pazend oder der weitern Auslegung, dem Kommentare des Kommentares. 1) Die bekannten jüdisch-christlichen, in griechischer Sprache geschriebenen sibyllinischen Gedichte des Alterthums zerfielen regelmässig in drei Abschnitte, - in die Schilderung der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Diese Dreitheilung ist selbst in die griechische dramatische Dichtkunst übergegangen und erscheint hier vorzüglich in den Trilogien, womit die tragischen Dichter zu Athen bei den dramatischen Wettkämpfen auftraten, und worin besonders der unsterbliche Aeschylos glänzte. Auch die dramatischen Stücke mit einem Prologe und Epiloge und mit dem eigentlichen Drama sind blos ein dreigetheiltes oder dreitheiliges Drama. Bei Schiller scheint die alte attische Trilogie in Wallensteins Lager und den Piccolomini's hindurch. Ebenso sind die musikalischen Stücke, besonders schon bei den Indern, dreigetheilt mit Vorspiel, Zwischenspiel und Nach- oder Schlussspiel. 2)

Mit den drei Reisen und den drei Schritten des Maurerlehrlings berühren sich ferner seine drei Zustände als des Suchenden, des Beharrenden und des Leidenden, 3) - die drei besondern Punkte oder die drei grossen Grundsätze der Bruderliebe, Hülfe und Treue, deren Kehrseite bei den Indern die Begierde oder Sinnenlust, der Zorn und die Habsucht sind, und die deshalb im achtzehnten Gesange der Bhagavad-Gitá die drei Thore der Hölle, - des untersten Ortes, des Narakas genannt werden, 4) die drei beweglichen (Cirkel, Kelle und Hammer) und drei unbeweglichen (der rohe Stein, der kubische Stein und das Reissbret) Geräthschaften, - die drei Kleinodien (Winkelmass, Richtschnur und Bleiwage), - die drei Verzierungen (das eingelegte Pfiaster, die Schnur mit ge-




1) Spiegel, Avesta, I. S. 45 und Haug in der Zeitschrift d. d. m. Gesellschaft, Bd. IX. S. 694.
2) Ersch und Gruber, a. a. O. S. 299 b.
3) Es darf hier wohl daran erinnert werden, dass die buddhistischen Asceten sich samanâs (Samanäer), Paliform für Sanskrit cramanâs, die Duldenden, nannten.
4) W. Humboldt, Bhagavad-Gitá, S. 51.



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zackten Quasten und der flammende Stern), - die drei Fragen, welche nicht nur dem Aufzunehmenden, sondern auch den blos zu Befördernden zur Beantwortung vorgelegt worden, wie auch an den in die Mysterien Aegyptens Aufzunehmenden drei Fragen gestellt worden sein sollen, 1) der dreimalige oder dreifache Schlag und Ruf der drei ersten Vorsteher der Loge, - das dreimalige Geben des dreigegliederten Lehrlingszeichens und Händeschlags u. s. w. Dreimal gibt auch der Katholik das Kreuzeszeichen, drei Vaterunser betet er oft und dreimal schlägt er sich bei der Wandlung oder dem Messopfer auf die Brust, welcher letztere Gebrauch sehr wahrscheinlich aus den Gebräuchen der Aegypter bei den stellvertretenden Thieropfern stammt. 2) Auf dem theologischen und kirchlichen Gebiete ist es eine längst anerkannte und unbestrittene geschichtliche Thaisache, von welchem grossen und tiefen Einflusse auf das Urchristenthum, - auf den Glauben und das Wissen, die Uebungen und die Gebräuche der ersten Christen, die ägyptischen Juden und Judenchristen und die ganze ägyptisch-alexandrinische Philosophie und Wissenschaft gewesen, und dass namentlich das Logos-Evangelium, das Evangelium Johannis, vermuthlich von einem alexandrinischen Philosophen, von einem griechisch-gebildeten Judenchristen unter dem Namen des Johannes verfasst sei, die Logoslehre des Johannes ohne die Lehre des Herakleitos und des platonischen Sokrates von dem das Weltall durchdringenden göttlichen Logos gar nicht yerstanden werden könne: allein was für das Christenthum, was für die Weltgeschichte und die gesammte Weltbildung gilt, soll nach der ungeschichtlichen und unphilosophischen Schule der maurerischen Geschichtschreiber blos von der Maurerei nicht gelten und diese nicht mit Aegypten und dem ganzen Alterthum zusammenhängen, sondern gleich der sogenannten deutschen Baukunst ein durchaus deutsches Erzeugniss sein. Selbst die Formel, womit nach dem beendigten Gottesdienste der katholische Priester die Gläubigen




1) Kauffmann et Cherpin, histoire philosophique de la Franc-Maçonnerie, S. 114.
2) Lasaulx, Studien, S. 256 oben.



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nach Hause sendet: Ite missa est!, ist dem Heidenthum, den griechischen Opfergebräuchen entlehnt und nachgeahmt, gleichsam mir die lateinische Uebersetzung des griechischen Textes. Gleichmässig verhält es sich mit der Formel: deus vobiscum. 1) Die katholischen Kirchen haben gewöhnlich drei Altäre, einen Hauptaltar und zwei Nebenaltäre, und ebenso pflegt der katholische Priester bei der Feier der Messe zwei Messdiener zu haben, so dass wieder drei Personen entstehen. Bei den Etruskern waren für eine ordentliche Stadt drei Tempel erforderlich, nämlich des Jupiter, der Juno und der Minerva. Den obern Göttern der Römer sind drei Altäre geweiht, um welche die Opferthiere dreimal herumgeführt wurden. - Den indischen drei Thoren der Hölle ist sodann wieder bei den Maurern entgegengesetzt das Symbol der Jakobsleiter mit den drei Sprossen des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, auf welchen drei Sprossen der Maurer zu dem Himmel emporzusteigen hofft. Buddha steigt auf einer dreisprossigen Leiter aus dem Himmel des Indra zur Erde nieder. 2) - Der Parse muss ein jedes Stück Holz, womit er das beständig zu unterhaltende heilige Feuer nährt, zuvor dreimal betrachten, ob nicht Haare oder andere Unreinigkeiten daran kleben. 3) - Dreimal drei oder neun Tage dauerten die im Herbste gefeierten eleusinischen Feste der Demeter oder Ceres; nach den Mysterien zu Andania zu urtheilen, scheinen die Eleusinien auch drei Grade gehabt zu haben, wovon die Erzgeweihten, den höchsten Grad bildeten. 4) Beim Schwören pflegten die Griechen häufig drei Götter als rächende Zeugen für den Fall des Meineides anzurufen. 5) Die Schüler des Pythagoras schwuren bei ihrem Meister, dem Erfinder der Vierzahl, die der ewigen Natur Quelle und Wurzel enthalte. 6) Wie bei den Griechen stehend und mit zum Himmel erhobenen Händen, und Blicken gebetet wurde, so wurde,




1) Lasaulx, a. a. O., S. 275, Anm. 296.
2) Köppen, Religion des Buddha, S. 528.
3) Spiegel, Avesta, II., Einleitung S. LIII.
4) Sauppe, die Mysterieninschrift zu Andania, S. 52.
5) Lasaulx, a. a. O., S. 181.
6) Lasaulx, a. a. O., S. 183.



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auch geschworen. 1) Der seit dem vierten Jahrhundert in der katholischen Kirche nachweissbare Gebrauch, beim Schwören die Hand auf die Bibel zu legen, oder den Altar, den heiligen Tisch, zu berühren, beruht auf entsprechenden Gebräuchen der Alten. Der heiligste Schwur der Tempelherren und zugleich ihr Schlachtenruf war "Beauseant," welchen Namen ihr weiss und schwarz getheiltes Banner trug, und der nach Wilke, Geschichte der Tempelherren, I. S., 26 und 27 (der neuen Ausgabe), wörtlich den schönen Sitz der zwei vereinigten Brüder auf einem Pferde in dem Wappen der Tempelherren, also im höhern und eigentlichen Sinne die treue BruderIiebe, den Bruderbund bezeichnet. Unter den Farben des Beauseant wies die weisse auf die Herzensreinheit, welche die Templer (milites templi) erstreben, und die schwarze auf die Todesfurcht und den Tod, welche sie den Feinden des Christenthums bringen sollten. - Die Inder schworen bei den sieben Rishis, berührten dabei Feuer oder Wasser, oder standen, vor dem Tempel des Civa. In Nepal schwört der Sivait jetzt auf Haivanca (heiliges Buch), der Buddhist auf Pancha, Baksha und der Moslem auf den Koran. 2) - Unter Anrufung der drei göttlichen Personen wird der Sarg des zu Beerdigenden bei den Katholiken dreimal mit Weihwasser besprengt und eingesegnet, und drei Schaufeln Erde wirft der Priester zuerst auf den in das Grab gesenkten Sarg; diese sind gleichsam drei Schläge, welche der Priester bittend für den Verstorbenen an die Himmelspforte thut, damit er in den Himmel eingelassen werde, wie auch bei den Maurern auf die ersten drei Schläge an die Logenpforte diese dem Lichtsuchenden sich öffnen soll. Bei den Sinesen auf Java werfen die drei ältesten Söhne des Verstorbenen zuerst je drei Schaufeln Erde auf dessen Sarg. Nach dem Rig-Veda X, 10 wirft man bei den Brahmanen die erste Erde auf die Grube, welche die Knochenüberreste umschliessen soll, mit nachstehenden ergreifenden Worten:




1) Lasaulx, a. a. O. S. 184 u. 185.
2) Lasaulx, a. a. O., S. 188 u. 189.
3) Ersch und Gruber, Encykl., II. Bd. XVII. S. 232 b.



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Erheb' dich, Erde, thu' ihm nichts zu Leide,
Empfang' ihn freundlich und mit lieben Grüssen.
Umhüll' ihn, Erde, wie den Sohn
Die Mutter hüllt in ihr Gewand.

An einer andern Stelle des Rig-Veda wird dem Verstorbenen nachgerufen: "Gib dich hin dem mütterlichen Boden, der weitumfassenden huldreichen Erde; eine Jungfrau, zart wie Wolle ist sie dem Frommen, sie schütze dich vor Untergang." 1) - Drei Hände Erde gaben nach der Ansicht des Römers dem unbestatteten Leichnam Ruhe im Schoosse der Mutter Erde. Die alten Thracier, welche Gfrörer, Urgeschichte des menschlichen Geschlechts, I. S. 40 ff., für Deutsche hält, setzten nach Herodot V, 7 und 8 die Todten drei Tage lang aus, und verehrten drei Götter, die von Herodot Ares, Dionysos und Artemis genannt werden. In einem Volksliede bei Pröhle, weltliche und geistliche Lieder, S. 56, fallen einem Jünglinge drei Rosen in seinen Schooss, zum Zeichen, dass er bald aus dem Erdenleben scheiden müsse. Nach Harrys, niedersächsische Sagen, Nro. 42, wird am Morgen des dritten Tages vor ihrem nahen Tode dieser durch eine auf ihren Sitz gelegte weisse Rose den Domherrn beim Dome zu Hildelsheim angekündigt. Die weisse Frau, welche im Schlosse zu Cleve den Tod der Königin Louise von Preussen durch ihr Erscheinen vorherverkündigte, erschien während dreier Nächte in allen Gängen des Schlosses in weissem Gewande, langsam und in stiller Trauer dahinschreitend; am vierten Tage war die Königin verschieden. 2) Die Todesgöttin Hel ritt zur Zeit der Pest auf einem dreibeinigen Pferde, dem Todtenpferde, um. 3) Drei ist die Zahl der Schicksals- und Todesgöttinnen, besonders der Nornen und gewöhnlich auch der Walküren, der Schwanjungfrauen; in den Nibelungen z. B. erscheinen bei der Ueberfahrt der Burgunder über die Donau drei Meerweiber, was drei Walküren sind, wie die drei Schwäne, welche




1) Roth, in der Zeitschrift d. d. m. Gesellschaft, Bd. IX. S. 818.
2) Hocker, die Stammsagen der Hohenzollern und Welfen, Seite 39.
3) Hocker, a. a. O., S. 49; Schwartz, Ursprung der Myth., Seite 226.



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in dem eddischen Liede von Wieland dem Schmiede erscheinen. 1) Die auch erscheinenden neun und zwölf Walküren sind gewiss nur Verdrei- oder Vervierfachungen der Dreizahl, und die sieben Walküren sind die eigentliche Todten-, Unterwelts- und Winterzahl. Auch gehört es hierher, dass die Sonne nach dem Volksglauben am Ostermorgen, am Wiederauferstehungsmorgen, drei Freudensprünge thut. 2) Auch in Baiern erscheinen zwölf und sieben Walküren (oder Nornen), z. B. in Tirol sieben Zarger Fräulein. 3) In Irland glaubt das Volk gleichfalls, dass die Sonne am Ostermorgen zu Ehren der Auferstehung des Herrn tanze, und Alles steht um vier Uhr des Morgens auf, um dieses anzusehen. 4) Im Kanton Aargau glaubt man nach Rochholz, Schweizersagen aus dem Kanton Argau, II. S. 290, dass die Sonne am Auffahrtstage ihre drei Sprünge mache, und um beim Sonnenaufgange dieses zu sehen, besteigt alljährlich das Volk die Gislifluh, das auffallendste Bergjoch, das der Aarauer-Jura bildet und worauf alsdann auch ein Festfeuer angezündet wird. Rochholz berührt noch, dass beim derartigen Besteigen der Berge man auch durch Löcher und Klüfte des Felsens, als durch Heilsteine, gekrochen sei, wie namentlich auch die Gislifluh, eine enge Schlucht, das Grugelnägeli geheissen habe, die bekrochen werde. Dieses Kriechen durch die Steine als etwas Heilbringendes ist entschieden keltisch und findet sich besonders auch noch heute bei den Iren, schliesst sich an die Beerdigungsweise oder Gräber der Kelten an. Auch steigen die Leute noch in die Steinsärge, um dadurch von Krankheiten geheilt zu werden. In der Pfarrkirche des Solothurner Dorfes Wangen ist das Gallengrab. Alle Freitage im Maimonat bringen viele Mütter ihre Kinder dahin und stellen sie in den Sarg. In der Dorfkirche von Schwyzerisch Wollerau nennt man ein Grabgewölb Unser Lieben Frauen End; man öffnet es alle Jahre einmal, dann treten die Mütter




1) Simrock, deutsche Mythol., S. 390 u. 391.
2) Simrock, a. a. O., S. 407.
3) Quitzman, a. a. O., S. 154.
4) Ausland für 1860, S. 314 b.



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mit den kranken Kindern neunmal hinan und suchen damit Genesung. 1)

Im deutschen Rechte ist die Dreizahl sehr gebräuchlich, daher das Sprichwort, dass aller guten Dinge drei seien. 2) Tacitus, Germ., cap. 25, unterscheidet bei den Deutschen drei Stände, drei Grade: nobiles, ingenui et servi; - im Mittelalter der Adel, der Bürger- und der Bauernstand und im Adel selbst die Fürsten, die Ritter und der Dienstadel oder die Ministerialen; in der Geistlichkeit die niedere, höhere und höchste, -. der Bischoff, Erzbischoff und Papst (der Bischoff der Bischöffe, der Oberpriester und oberste Priester) mit den Kardinälen; in der Staatsverwaltung Dorf, Stadt und Kreis, - Kreis, Provinz und Reich; in der Rechtspflege das Gericht, das Obergericht und das oberste Gericht mit den jedesmaligen drei Ladungen oder drei Fristen; in dem Volksbildungswesen die Volksschulen, die Gelehrtenschulen, Gymnasien, und die Universitäten und auf den Universitäten die dreifachen akademischen Würden; in dem Handwerksleben die drei Stufen der Lehrlinge, Gesellen und Meister u. s. w. Tres faciunt collegium (omne trinum perfectum, - tria est immerus perfectus) - nach der lex Salica 45 bilden drei Männer ein contubernium - nach den Kenningar machen drei Leute ein Dorf; nach der lex Salica sollen nicht mehr als drei Sagibaronen sein; am Gerichtsplatze stehen drei Eichen; drei Stücke Obst u. s. w. hat man frei, d. h. werden einem Vorübergehenden zu nehmen erlaubt; die Geistlichen sollen beim Schwören oder dem Schwörenden drei oder mehr Worte im Evangelium lesen; ferner kommen vor drei Rufe, drei Schläge, drei Fragen im Gerichte, drei Zeugnisse, drei Gerichte, drei Nöthe, drei Strafen, drei Jahre und drei Tage, drei Nächte u. s. w. Grimm bemerkt noch, dass ganz auffallend die Trilogie in den Gesetzen von Wales herrsche und fast alle Bestimmungen darin sich nach Triaden ordnen. Die in den deutschen Orden Aufzunehmenden wurden von dem Hochmeister mit drei Streichen, deren zwei auf die Schultern und der dritte




1) Rochholz, a. a. O., II. S. 285.
2) Grimm, Rechtsalterthümer, S. 208.



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auf den Kopf fallen, zum Ritter geschlagen mit den Worten: "In Gottes, St. Marien und St. Georgen Ehre vertrage dieses und keines mehr. Besser Ritter als Knecht." 1) Dieser Rittersehlag erinnert an den maurerischen Meisterschlag und beweiset das Alterthümliche des letztern. Der aufzuehmende deutsche Ritter musste Gehorsam schwören Gott, Marien und den Meistern des deutschen Hauses. - Im Mittelalter musste man Denjenigen, welchen man befehden wollte, wenigstens drei Tage vorher warnen. 2) Nach angelsächsischem Rechte musste ein angeschuldigter, schlecht beleumdeter Mann sich einem dreifachen Gottesurtheile unterwerfen, während ein einziges für Leute von gutem Rufe genügte. 3) - Die im Mittelalter allgemein üblichen gerichtlichen Zweikämpfe durften zu Hall in Schwaben erst begonnen werden, wenn von dem Kampfvorsteher oder Grieswart dazu zum dritten Male gerufen wurde. 4) Die dreifarbige schwarz-roth-goldene deutsche Fahne und überhaupt die in der neuern Zeit so weltgeschichtlich gewordenen dreifarbigen Fahnen sind gleichfalls hierher zu beziehen. Auch darf erwähnt werden, dass die Gemeinde Auenheim zunächst Kehl zum Wappen einen schwarzen Dreifuss im goldenen Felde hat, wie in dem Wappen der dortigen Fischerzunft der h. Laurentius mit einem neptunischen Dreizack (im Deutschen Ger genannt, ein Wurfspiess zum Salmenstechen) erscheinen soll. 5) Der Dreizack des Poseidon oder Neptun wäre darnach einfach der Wurfspiess zum Fangen und Stechen der Fische, was er aber gewiss nicht ist, indem der Beherrscher des Meeres, ein Gott, sich doch unmöglich damit abgeben kann, die Bewohner seines eigenen Reiches zu fangen, zu tödten




1) Meiners und Spittler, götting. histor. Magazin, VI. S. 519. Ueber den Ritterschlag überhaupt und das Wehrhaftwachen der Edelknaben vergl. die schönen Nachweisungen von Schade im weimarischen Jahrbuche für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, Bd. Vl. S. 276 ff.
2) Meiners und Spittler, a. a. O., VIII. S. 95. Anm. 2.
3) Hallam, geschichtl. Darstellung des Zustandes von Europa im Mittelalter, übersetzt von Halem, II. S. 174.
4) Schlichtegroll, Tallhofer, Nürnberg 1817, S. 13 Anm. und S. 36
5) Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, IV. S. 69



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oder gar zu verspeisen. Man hat neuerlich daher mehrfach den poseidonischen oder neptunischen Fischstock verworfen und die Meinung geäussert, dass dieser Dreizack das Bildzeichen des Wassers, der phönicisch-ägyptische Buchstabe Mem, griech. My, lat. und deutsch M sei. 1) Die göttlichen Dreifüsse sind nach Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 226, nichts Anderes, als die sich von selbst am Himmel dahinbewegenden Dreifüsse des Gewitterschmiedes, wobei er jedoch unerklärt gelassen hat, wesshalb man dem Gewitterschmiede einen Dreifuss gegeben. Die Schifferzünfte sind übrigens am Oberrhein uralt, und schon zu den Zeiten der Römer bildeten die keltischen Aarflösser nach einer zu Aventicum aufgefundenen Inschrift eine eigene Zunft, nautae Aruranci. 2) Das Alphabet, welches die Germanen 3) zunächst von den Römern und in der römischen Gestaltung entlehnt haben, wird im Deutschen mit den drei ersten Buchstaben desselben, A B C, bezeichnet, wie bei den Römern mit den drei Buchstaben L M N, woraus zugleich das Wort elementa, die Anfänge, hervorgegangen ist, 4) und wornach wir noch den ersten Unterricht und die ersten Schulen der Tugend den Elementarunterricht und die Elementarschulen nennen. Die Römer selbst hatten das Alphabet von den Phöniciern, von den Semiten, erhalten und diese dasselbe nach Böttcher, a. a. O., S. 24 ff., wohl zur Zeit der Herrschaft der Hyksos oder Hirtenkönige in Aegypten nach der ägyptischen Bilderschrift gebildet, sich ein vereinfachtes Bilderalphabet nach ägyptischem Vorbilde geschaffen. Bei dieser Gelegenheit mag noch berührt werden, dass zufolge Böttcher, a. a. O, S. 38, 47 und 78, der Buchstabe T, das griech. Tau und phönicische oder kanaanitische Taw ursprünglich ein einfaches Kreuz, ein Zeichen, eine förm-




1) Böttcher, unseres Alphabetes Ursprünge, Dresden 1860, S. 68.
2) Rochholz, Schweizersagen, I. S. XV.
3) Eine vergleichende Uebersicht des gothischen Alphabets findet sich bei Gaugengigl, älteste Denkmäler der deutschen Sprache, dritte Ausgabe, Passau 1853. Ebenso ist nachzusehen die vergleichende Zusammenstellung des Alphabets bei Flügel, engl. Sprachlehre, Leipzig 1824, §. 1.
4) Böttcher, a. a. O., S. 44.



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liche Hausmarke ist, womit die Aegypter ihr Vieh besonders und auch andere Gegenstände zu bezeichnen pflegten, gerade wie dieses noch heute bei unsern Hirten und Bauern geschieht. Nach Böttcher, S. 78, Anm. 28, soll aus dem Grundtexte des Buches Hiob 34 35 erkennbar sein, dass bei den Hebräern ein Kreuz den Klageschriften zur Unterzeichnung (d. h. doch wohl nur von den des Schreibens Unkundigen) beigesetzt worden sei. 1) Auch das Zeichen, welches nach Ezechiel 9, 4 Denen an die Stirne gezeichnet werden soll, die seufzen und trauern um aller Gräuel willen, die zu Jerusalem geschehen, fasst Böttcher als dieses Kreuzeszeichen auf.

An den oben berührten dreifachen Rittersehlag erinnern in einer merkwürdigen Weise die Gebräuche, durch welche im 17ten Jahrhundert bei den Galibis oder bei den Caraiben des Festlandes in Südamerika Derjenige geweiht wurde, welcher Anführer für Kriegsdienste werden wollte. Zu den martervollen Prüfungen, welchen sich derselbe zu unterwerfen hafte, gehörte auch, dass sechs Wochen lang zweimal des Tages derselbe von einer Anzahl benachbarter Anführer mit einer neu angefertigten Peitsche aus Wurzeln von einem jeden drei starke Hiebe auf drei Stellen des Körpers, - den ersten Schlag auf die Brust, den zweiten auf den Bauch und den dritten auf den Schenkel empfing. Da die Schläge mit grosser Kraft gegeben wurden, ging jeder um den ganzen Körper und liess das Blut in grossen Tropfen herabströmen. Mehr als drei Streiche durften mit einer Peitsche nicht ertheilt werden. 2) Während dessen darf der Gemarterte sich nicht im Geringsten rühren und nicht das kleinste Zeichen des Schmerzes von sich geben. Je mehr Anführer, desto grösser bei immer frischen Armen der Schmerz. Nach der Exekution zieht sich der Gepeitschte in einen Verschlag zurück und legt sich in seine Hängematte, über welcher man die gebrauchten Peitschen als Trophäen aufhängt. Nach ganz vollendeter Marter oder Weihe wird er endlich als Kriegsführer ausgerufen, und es wurde ihm als Zeichen seiner Erhöhung




1) Vergl. oben S. 94.
2) Schade, im weimarischen Jahrbuche, VI. S. 250 ff.



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ein ganz neuer Bogen mit Pfeilen und allem übrigen Zubehör überreicht. Diese blutigen und qualvollen Weihen sind bei den Völkern des heutigen Guayana noch dermalen nicht ausgestorben und werden namentlich von der Emancipation oder Wehrhaftmachung der Jünglinge gemeldet.

Die Dreizahl beim Ritterschlage erscheint aber nicht blos in den drei Ritterschlägen mit Anrufung dreier göttlichen oder heiligen Personen, welche letztere nach Schade, a. a. O., S. 280 unten, ursprünglich Wuotan, Donar und Fro gewesen sein sollen, sondern auch noch darin, dass drei Personen die eigentliche ritterliche Einkleidung des Kandidaten vornehmen und dieser dabei zugleich von jedem einen Kuss erhält. Z. B. erfolgte also die Aufnahme in den Ritterorden vom Bade (die Aufnahme begann nämlich mit einem feierlichen Bade, in welchem zugleich der Knappe über die Ordenspflichten von den Rittern unterrichtet wurde) in England, indem zuerst auf Befehl des Königs der spornenhafte Ritter dem Kandidaten den rechten Sporn anlegte, dann ein Kreuz auf dessen Knie schlug und ihn küsste; durch einen zweiten Ritter geschah auf die gleiche Weise die Anlegung des linken Sporns. Dann nahm der König das Schwert und gürtete es dem Knappen um. Dieser erhob seine Arme die Hände gefalten (zwischen denen er die Handschuhe hielt), der König legte seine Arme ihm um den Hals, schlug ihn mit der rechten Hand auf den Nacken sprechend: "Seid ein braver Ritter" und küsste ihn. 1) Und sofort führten ihn die Ritter wieder in die Kapelle, in welcher er vorher gebeichtet und die Messe angehört hatte. Hier kniete er vor dem Hochaltare nieder, legte die Hand auf den Altar und leistete das Versprechen, die Rechte der Kirche sein Leben lang zu schützen; gürtete sich dann ehrfurchtsvoll das Schwert ab und hielt es dar, indem er Gott und seine Heiligen bat, ihm Kraft zu verleihen, die Ordenspflichten zu halten bis an sein Ende. Darauf nahm er Brot in Wein getaucht. - Bei den Maurern sind es ähnlich der Meister vom Stuhl und die beiden ersten Vorsteher, welche gemeinsam die Aufnahme vollziehen und von denen der Aufgenommene die




1) Schade, a. a. O., S. 288.



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drei ersten dreifachen Küsse zur Besieglung des neuen Bruderbundes empfängt. Die feierlichen Mahle, welche den Ritteraufnahmen, den Maureraufnahmen, den Gesellenweihen u. s. w. folgten und folgen, sind in ihrem letzten Ursprunge heilige Opfermale; durch die Aufnahme wurde der Ritter zum Tischgenossen des Königs und selbst des Königs Sohn durfte bei den Longobarden mit jenem nicht eher speisen, als bis er von einem andern König die Ritterwürde erhalten hatte. 1)

Die Aufnahme in die deutschen Studentenverbindungen ist noch ein Nachhall des alten Ritterschlages, der uralten germanischen Schwertverleihung oder Wehrhaftmachung.

Wenn nach alter Sitte ein deutscher Jägerlehrjunge wehrhaft gemacht wurde, ertönten dreimal die Jagdhörner, er erhielt zuletzt einen Hirschfänger mit passender Anrede und bei dem darauf folgenden Freudenmahle sass er oben an und von allen Gästen wurde ihm seine Gesundheit zugetrunken. 2) Drei Jahre muss jetzt der Jäger lernen, früher länger. - Bei dem deutschen Gesellenmachen erscheinen mit verschiedenen Namen und in verschiedener Gestalt drei Paten, 3) wie solche Paten auch bei der Ritterweihe erscheinen. Die Paten und Bürgen, welche auch bei den Maurern als eine wesentliche Einrichtung erscheinen, stammen wenigstens aus den Zeiten des Christenthums her, in welchen nur Erwachsene getauft und in die Kirchengerneinschaft aufgenommen wurden, wobei Einer oder Einige, welche sie kannten, sich bei dem Bischoffe für sie verbürgten und zugleich ihren ersten Unterricht entweder selbst ertheilten oder doch überwachten und leiteten. 4) In jenen ältern christlichen Zeiten erhielten die Täuflinge (perfecti, electi, competentes, illuminandi) auch einen neuen christlichen Namen, legten nach überstandenen Prüfungen (serutinia) das Glaubensbekenntniss ab und sodann erst wurden sie getauft, wie noch heute die Taufe auch die




1) Schade, a. a. O., S. 277.
2) Schade, a. a. O., S. 293 ff.
3) Schade, S. 298 ff.
4) Vergl. Walter, Lehrbuch des Kirchenrechts, §. 285 u. 296 Richter, Lehrbuch des Kirchenrechts, §. 241, Nro. VII.



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Namengebung und die Ablegung des künftigen Glaubensbekenntnisses des Kindes ist. Merkwürdig ist nun zunächst, dass bei den Gesellenweihen der Handwerker gewöhnlich ein Pfaffe mit einem Glöckner oder andern Beiständen, ein oder zwei Paten oder Goten, Götten erscheinen. Nach Schade bezeichnet Götte, Göte, oder Göttel, althd. goto, der Tauf- oder Firmpate, einen heidnischen Priester, wie sich bei Ulfilas gudja für Priester, , und im Isländischen godi = Priester findet. Gudjenassus heisst im Gothischen das Priesteramt und gudjinon Priester sein; gud ist Gott und gudhus Gotteshaus. Der Begriff der Patenschaft ist also nicht erst durch das Christenthum eingeführt worden, sondern ist älter und heidnisch. Die Paten, die Goten oder Göttel 1) sind ursprünglich die heidnischen Priester, welche den heidnischen Jüngling unterwiesen und ihm endlich die heilige Weihe ertheilten, und eine solche ursprüngliche heilige Weihe war auch die Gesellenweihe, weshalb denn auch das Besprengen oder Begiessen mit dem reinigenden und heiligenden Wasser wohl als ein wesentliches Stück bei dem Gesellenmachen aller Handwerke anzunehmen ist, wenngleich es nicht von allen ausdrücklich überliefert ist. Bei den Tischlern nennt Frisius das Gesellenmachen geradezu Taufe. Auch erhält der Geselle bei der Weihe einen sogenannten GesIlennamen. Bei den Gürtlern wurde dem Lehrlinge auch ein Strohkranz aufgesetzt, bei den Buchbindern ein papierener bunter Hut; gewöhnlicher wurde erst zuletzt der neue Geselle bekränzt und bei den Hutmachern musste er den Meister und die Gesellen mit Kränzen oder mit Bändern beschenken. Bei den Beutlern muss der Lehrling dreimal eine Bank durchkriechen, was an die drei Reisen der Maurer erinnert; auch kommt ein dreimaliges Ueberspringen der Thürschwelle vor. Selbst das Schuhausziehen trifft sich bei dem Gesellenmachen, doch ist nicht klar, in




1) Vergl. auch noch Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 225, welcher in dem gothischen gudja, altn. godi (pontifex) einen frommen, Gott dienenden Mann erblickt, welcher das Richterthum und das Priesterthum in sich vereinigte. In Baiern hiess dieser Priester gotmanno.



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welcher ursprünglichen symbolischen Bedeutung. 1) Da es in der Schleifrede der Böttiger heisst: "Du musst jetzt die Bubenschuhe ausziehen," scheint es das Symbol der abgelegten Unfreiheit gewesen zu sein; Schade jedoch will es anders deuten. Der Schumacherlehrling wurde von dem Obermeister im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes losgesprochen. Bei dem die Gesellenweihe, beschliessenden Schmausse erhielt der neue Geselle den obersten Platz und unmittelbar nach dem Braten wurde, der Bewillkommnungstrunk ihm dargereicht, bei den Beutlern z. B. mit folgenden Worten des Altgesellen:

"Also mit Gunst; ich bringe dir diesen Gesellentrunk auf und zu im Namen meiner und deiner, im Namen deines Gesellenpaten, im Namen deines Gesellenpfaffen, im Namen aller ehrlichen Meister und Gesellen, die hier in Arbeit stehen, die auf grüner Heide gehen, die zu Wasser und zu Lande reisen, die vor gewesen sind und nach uns kommen werden. Ich verhoffe, du werdest mir mit diesem Gesellentrunke Bescheid thun."

Welcher Maurer sollte bei diesem Toaste nicht blos des Toastes gedenken, welcher den heute neu aufgenommenen Brüdern bei der Tafelloge dargebracht wird, sondern noch mehr des Toastes am Sommerjohannisfeste - auf die abwesenden und wandernden Brüder der ganzen Erdrunde? Der nunmehrige Geselle erwiederte:

"Also mit Gunst; der Gesellentrunk ist mir lieb und angenehm, aber ehrliche Meister und Gesellen viel lieber."

Die Gebräuche des schon frühzeitig in das Komische und mitunter in das Grobkomische ausgearteten und herabgesunkenen deutschen Gesellenmachens oder Weihens sind ohne Zweifel zusammengesetzt aus germanischen und römischen oder auch römisch-christlichen Bestandtheilen, wobei jene die Unterlage und das Vorherrschende bilden und bilden müssen, weil eben die Germanen nur romanisirt und christianisirt wurden, wobei das Germanenthum dem Römerthum wenigstens in Deutschland nicht unterlag. Obwohl es unendlich schwer und gewagt ist, das im Laufe der Zeiten zu einem innigen Ganzen Verschmolzene wieder in




1) Schade, S. 306,



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seine Theile zu zerlegen oder in seinem Verschmelzungsgange geschichtlich zu verfolgen, möchte sich vielleicht die Sache also verhalten: Bei den Römern standen die verschiedenen Handwerke in einer genauen Verbindung mit dem religiösen Cultus und die Gesellenweihe war wesentlich eine Reinigungsweihe verbunden mit Opfern und Opfermalen; durch das Aufkommen des Christenthums im römischen Reiche wurde der religiöse Charakter an sich nicht geändert, sondern blos im christlichen Sinne umgestaltet. Als die christlichen Mönche und Geistlichen den Germanen das Christenthum und die Handwerke, die Handwerksverfassungen, die Handwerksbruderscbaften brachten, knüpften sie diese an die Kriegsgebräuche der wandernden und kriegerischen Germanen, an die uralte und allgemeine Sitte der germanischen Wehrhaftmachung, Freimachung. Das religiöse Gewand behielten die Handwerke, die Gilden und theilweise die Zünfte, so lange sie sich an die Kirche anlehnten oder von Mönchen und Geistlichen geleitet waren; sie legten das Gewand als ein blos kirchliches und priesterliches ab und verbürgerlichten es, zogen es in das blos Komische, sobald sie unabhängige und rein bürgerliche oder städtische Genossenschaften, Zünfte geworden waren. Möglich ist es dabei auch, doch wegen des Mangels an festen Wohnsitzen und an eigentlich städtischer Verfassung nicht wahrscheinlich, dass schon einzelne Handwerke, z. B. die Töpfer, die Schmiede, die Weber, vor den christlich-germanischen Zeiten eine bruder- oder genossenschaftliche Verbindung, mit einer Kasse zu gemeinnützigen Zwecken und :mit mehrmaligen gemeinsamen Jahresfesten oder Schmäusen, eine Gilde bildeten, wie dieses Schade, a. a. O.; S. 313 ff. glaubt annehmen zu sollen.

Was die Studentenweihen, die Fuchstaufe, die sogenannte Deposition oder das Abstossen und Abhauen der Hörner (cornuum depositio) des angekommenen Neulings oder Fuchses (Beani d. i. Bec jaune, Gelbschnabel) auf den deutschen Universitäten angeht, wovon Schade, a. a. O. S. 315 ff. handelt, ist sehr beachtenswerth, dass schon im 4. Jahrhundert unter den Studenten zu Athen förmliche Landsmannschaften oder bestanden, mit einem Vorsteher oder Senior und mit einem




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sehr thätigen Werbe- oder Keilsysteme bezüglich der neu ankommenden Studirenden, um dieselben für ihre Verbindung zu gewinnen. Zum Mitgliede dieser Landsmannschaften' wurde der Fuchs durch ein Bad gemacht, welches er in einem öffentlichen Bade nehmen musste und wohin er in einem feierlichen Stuadentenzuge gebracht wurde. Dass hierbei die eleusinischen Weihegebräuche und Bäder und überhaupt die dem ganzen Alterthum eigenen Ansichten über die Reinigungen und Sühnungen durch Wasser eingewirkt haben, ist unnöthig besonders hervorgehoben zu worden; auffallend aber ist die Uebereinstimmung der Aufnahme in die atheniensischen Studentenverbindungen mit der ähnlichen Aufnahme in den englischen Ritterorden vom Bade, mit den Gesellentaufen und mit der Johanneischen Flusstaufe, welcher sich selbst Christus unterzogen hatte. Es scheint, dass man bei dieser Art Fuchstaufe dem Eingeweihten, wenigstens wenn er ein bestimmtes Alter erreicht hatte, noch ein besonderes Abzeichen gab, eine Art Mantel oder Ueberwurf, gleichsam den spätern Rittermantel. Dieser Brauch der Studentenweihe beschränkte sich jedoch nicht auf die Sophistenschule zu Athen, sondern war auch in den Rechtsschulen zu Constantinopel und Berytus üblich und unter den Rhetoren zuKarthago scheint er stürmische Vertreter gehabt zu haben. Vergeblich suchte schon der Kaiser Justinian und fast zwei Jahrhunderte nach ihm im J. 706 eine Kirchenversammlung diesem mit vielen Excessen verbundenen Studentenmissbrauche zu steuern. 1) Da das wissenschaftliche Studiren, die wissenschaftlichen Anstalten in Griechenland mit Pythagoras aufgekommen sind, könnten diese griechischen Studentenweihen des 4. Jahrhunderts und der darauf folgenden Zeiten auch ein Nachklang der pythagoräischen Schuleinrichtungen sein. Auch in den Mithrasdienst wurden die nach strengen Prüfungen für würdig Befundenen durch eine Wassertaufe eigentlich aufgenommen. Die Kindertaufe kommt schon bei den Parsen und Indern vor; der Parse brachte sein Kind dem Priester, der sich mit ihm vor den Feueraltar stellte und es dann mit Wasser




1) Schade, S. 319.



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benetzte oder in ein Wassergefäss tauchte. 1) Auch bei den heidnischen Nordleuten und entsprechend bei den Germanen gab es eine Wasserweihe, wodurch das Neugeborne eigentlich in den Kreis der Familie aufgenommen wurde. War das Kind erst vom Vater oder einem stellvertretenden Freunde des Hauses mit Wasser begossen worden, was ohne Zweifel unter Anrufung der Götter geschah, deren Schutze man dasselbe empfahl, und womit die Beilegung des Namens verbunden war, so hatte es sein Recht an das Leben vollständig errungen, und die Aussetzung, bis dahin gestattet, galt von nun an als Mord. 2) Auch die lamitischen Kalmücken unterwerfen die Kinder einige Zeit nach der Geburt einem geweihten Reinigungsbade; der Priester hält ein Gebet, taucht das Kind dreimal in mit Salz vermischtes Wasser und ertheilt ihm dann den Namen. Dasselbe Volk hat alljährlich eine gemeinsame grosse Wasserreinigung, in der ersten Septemberhälfte beim Aufgange eines gewissen Herbstgestirns. Der Lama (Bischoff) zieht mit der Geistlichkeit, während die Horde folgt, in Procession ans Flussufer. Hier wird er von zwei Priestern in den Fluss geführt und gewaschen, schöpft, so wie die andern, dreimal von dem Wasser mit der Hand und spült damit den Mund aus, ganz wie bei den Indern. Das Volk badet sich indessen unterhalb in einiger Entfernung.

In Ansehung der Deposition (Beania) der deutschen Universitäten, welche mit den griechischen Universitätssitten besonders durch die Universität in Paris 3) im Zusammenhange stehen möchte, indem, wie Schade S. 321 sehr, treffend sagt, die neuen christlichen Staaten nicht Schöpfungen aus Nichts waren, sondern auf der vorausgegangenen Bildung der alten Welt beruhten, - muss beachtet werden, dass dieselbe nicht etwa ein von der Studentenschaft ausgegangener, von den Studenten eingesetzter Brauch war, sondern eine officielle Ceremonie, eine amtliche, durch die Gesetze geforderte Handlung, ohne




1) Schade, S. 320.
2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 256.
3) Schade, S. 326.



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die Niemand in das Album der Universität eingetragen werden und das akademische Bürgerrecht, später einen akademischen Grad erlangen konnte. 1) Die Deposition vollzog ein dazu bestellter Depositor, der entweder, wie in Tübingen, aus den ältern Studenten genommen ward oder ein eigens dazu ernannter Beamter war, wie meist auf den übrigen Universitäten; er wurde gleich allen übrigen akademischen Beamten durch einen Eid zu seinem Dienste verpflichtet. Er vollzog die Ceremonie in einem der Auditorien oder in der Senatsstube unter Beisein des Dekans der artistischen Facultät, der zum Schlusse eine lateinische Rede hielt und die eigentliche Weihe gab, - auch in Anwesenheit anderer Professoren und eines zahlreichen Auditoriums von Studenten, von Freunden und Angehörigen des Beanen, des zu Weihenden. So war es wenigstens im 16. und 17. Jahrhundert. Ohne hier näher auf die Depositionsgebräuche einzutreten und deshalb auf Schade verweisend, sei bemerkt, dass dieselben wesentlich mit den Gebräuchen des deutschen Gesellenmachens übereinkommen und auf dem Grundgedanken beruhen, es solle der Fuchs innerlich und äusserlich ein neuer Mensch werden, wie ein Depositor in seiner Rede aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sagt: "Hic dies aliam vitam, alios mores postulat" oder "Qui proficit in litteris et deficit in moribus, plus deficit quam proficit." Der Fuchs wurde symbolisch zu einem neuen Menschen behauen, gehobelt, gefeilt, geschnitten und gestrichelt, namentlich auch gekleidet und gesäubert, weshalb die Hauptinstrumente des Depositors Axt, Beil, Zange, Hammer, Säge, Becken, Ohrlöffel, Zirkel, Massstab, Stuhl, hölzernes Scheermesser, Spiegel, Horn, hölzerne Gabel, Bohrer, Kanne und dergl. waren. Dem neuen Menschen wurde zuletzt das Salz der Weisheit zu kosten gereicht und etwas Wein auf das Haupt zum Zeichen der Freude gegossen, sowie er im Namen der heiligen Dreifaltigkeit absolvirt wurde. 2)

"Wenn du den Schülersack und das Bachantenkleid
Hast abgelegt, so folgt alsdann viel Ehr' und Freud'."




1) Schade, S. 323 u. 324.
2) Schade, S. 336 u. 337, S. 342.



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"Wir haben in unserem Christenthum diese Lebre, dass der alte sündige Mensch in uns soll ersterben und täglich wieder ein neuer Mensch soll auferstehen, der für Gott in Gerechtigkeit und Reinigkeit lebe. Eben dergleichen wird auch in der Deposition gewiesen. Darum hütet euch mit allem Fleiss, dass euch nicht durch Fahrlässigkeit oder durch sündliches Schandleben die alten Bachantenhörner wieder herfürwachsen, sondern gehet vielmehr zu, dass ihr euch itzo müsset auf die Erde hinstrecken, ihr vollends als Bachanten sterbet und hernach als heilige und wohlgefällige Studiosi wieder aufstehet." 1)

Aus der letztern Stelle der vorangeführten Depositionsrede in welcher die Symbole der Deposition und namentlich des Niederstreckens auf die Erde erklärt wurden, ist zu entnehmen, dass das Niederstrecken in seiner tiefern symbolischen Bedeutung den Tod mit der schönern Wiederauferstehung bezeichnete. Aus der gleichen Rede theiIen wir noch mit:

"Bachanten-Axt und Beil muss dich mit Ernst behauen
Mit groben Spänen taugt das Holz zu keinem Bauen."

"Die Hobelbank nimmt weg dir lieben Halbstudenten
Die Mängel, welche dich in Schande bringen könnten."

"Schlichthobel, fahre fort! Was sich noch nicht will fügen
Zum Bau der Ehrbarkeit, das hoble nach Genügen."

"Wer recht verfahren will in allen seinen Thaten,
Der zirkelt ab zuvor, was ihm nicht soll missrathen."

"Weil ihr euch also müssen niederlegen, so wisset dass darinnen das Hauptwerk bestehe und dass hiervon das Deponiren eigentlich seinen Namen habe. Ihr lieget da als Bauhölzer, zu deren Zubereitung das Beil oder die Zimmeraxt, die Grob- und Schlichthobel, der Zirkel, der Bohrer, der Massstab als nöthige Instrumente gebraucht werden, damit man daraus erkenne, was für Mühe es kostet, ehe dass ein Studirender wohl zugerichtet sein möge, und wie dass euch alles




1) Schade, S. 348.



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Dasjenige, was euch übel anstehet, es sei am Leibe oder am Gemüthe, müsse gleichsam abgehobelt, abge hauen und mit Fleiss abgeschaffet werden. Es sagen die Lateiner: non ex quovis ligno fit Mercurius, man kann nicht aus jedem Holze ein künstlich Bild schnitzen. Es ist wahr, denn es ist mancher Klotz und Block so grob und so hart, dass er sich nicht wohl behauen lässet und taugt nirgends als zum Ofen. Allein es ist auch wahr: malo nodo malus est quaerendus cuneus, auf einen harten Knoll gehört ein harter Keil. Ihr aber sollet keine so harte Klötzer sein, sondern sollet lassen an euch hantiren und arbeiten, auf dass ihr heut oder morgen taugliche Bauhölzer und Bilder werdet, die man zum Bau des gemeinen Wesens oder zur Zierde desselben in unterschiedenen Ständen nach dem Mass der erlangten Geschicklichkeiten füglich gebrauchen könne."

Beim Aufstehen von der Erde ruft der Depositor den Studenten zu:

"Ihr seid hier als Bachanten gestorben und als Studenten wieder aufgestanden. O so verwahret euch, dass ihr euer Lebtage nicht wieder in diejenigen Laster fallet, denen ihr einmal gute Nacht gegeben."

Vom vorgelegten Würfel- und Kartenspiele werden die Jünglinge abgemahnt, dagegen wird ihnen die Musik empfohlen, indem ihnen ein musikalisches Buch vorgehalten wird:

"Lern, Jüngling, dein Gemüth nach guter Harmonie, Einrichten, welche nicht ausgeht auf ein la mi."

Endlich als letztes Zeichen der Aufnahme in den Studentenstand wird dem Kandidaten ein wenig Salz zu kosten gegeben und Wein auf das Haupt gegossen mit den Worten:

"Nehmt hin der Weisheit Salz, nehmet hin den Wein der Freuden! Ich wünsche, dass euch Gott vermehr an allen beiden." 1)




1) Das Salz war ursprünglich nicht das Salz der Weisheit, sondern des Opfers. Bei Moses III. 2. 13 wird z. B. vorgeschrieben: "Alle deine Speisopfer sollst du salzen: und du sollst das Salz nicht unterlassen: es ist der Bund deines Gottes über dein Speisopfer: darum sollst du in allen deinen Opfern Salz opfern." - Auch bei den Germanen war das Salz geheiligt und wurde bei Opfern angewandt, wie zur Unterhaltung des heiligen Herdfeuers gebraucht. Vergl. Mühlhause, Urreligion des deutschen Volkes, S. 133 ff.



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Die hier erscheinenden Bausymbole, das Symbol namentlich von dem aufzuführenden Baue der Menschheit, zu welchem die Studenten taugliche und dienliche Hölzer abgeben sollen, sowie das Symbol des Sterbens und Wiederauferstehens sind höchst bedeutungsvoll und verdienen die grösste vergleichende Beachtung des Maurers. Wie und durch wen sind die Universitäten und die Maurer zu diesen so auffallend übereinstimmenden Symbolen gekommen? Gewiss nur durch die Mönche und die Geistlichen, welche die Universitäten gestiftet und eingerichtet und die Bauhütten gegründet und zuerst geleitet haben; da aber die Mönche und die Geistlichen griechisch-römisch gebildet waren, ihre Bildung den noch ungebildeten Germanen brachten, müssen sich auch in den Gebräuchen und Symbolen der Universitäten und Bauhütten die griechisch-römischen Gebräuche und Symbole wiederspiegeln und es widerspricht aller Geschichte, hier den Zusammenhang des Mittelalters und der Gegenwart mit dem Alterthum bestreiten und leugnen zu wollen.

Interessante Bruchstücke von Reden, welche der grosse Reformator Luther zu Wittenberg bei Depositionen gehalten, besitzen wir gleichfalls noch. 1) In einer solchen Rede vergleicht Luther das ganze menschliche Leben in Schule, Haus, Amt und Staat mit einer vielseitigen fortgesetzten Deposition. "Da werden dir Bauern, Adelige, Bürger, ja selbst deine eigene Diener und Knechte eine noch grössere Zahl von Hörnern aufsetzen. Daher du, mein Sohn, was du jetzt siehst und fühlest, nur für ein Vorspiel Dessen halten magst, was dir dein Lebenlang zu überwinden bleibt."

Auch den Universitäten des skandinavischen Nordens war die Deposition nicht unbekannt geblieben; sie stimmte dort im Wesentlichen mit deutschem Brauche überein, wie die Schilderung eines Augenzeugen zeigt, der ihr im




1) Schade, S. 352 ff.



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Jahr 1716 zu Upsaja mit beiwohnte. In Upsala wurde damals der Novize voll dem Depositor stark mit Wasser begossen. 1) Nach einer Nachricht wurde auch in Deutschland den Novizen der Kopf mit kaltem Wasser gewaschen, aus einem Gefässe, welches er selbst aus der Küche hatte herbeischleppen müssen. Seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts kam die Deposition zumal wegen der dabei allmählig eingerissenen wahrhaft gesellenartigen Missbräuche und Gemeinheiten entweder von selbst immer mehr ausser Uebung, oder wurde auch ausdrücklich gesetzlich aufgehoben. Jetzt erinnert daran nur noch der Ausdruck, sieh die Hörner ablaufen, wie in Altorf der Bean sie sich förmlich ablaufen musste; 2) auch führt auf einigen Universitäten der erste Pedell noch den Namen Depositor, z. B. in Jena. Dass die Depositionsgebräuche oder vielmehr die Depositionsinstrumente den Handwerksgesellen entlehnt gewesen seien, wie dieses für Schade, S. 366 ausser allem Zweifel steht, können wir deshalb unmöglich glauben, weil die höchsten wissenschaftlichen Anstalten und ihre Professoren doch gewiss nicht die niedrigsten Handwerke und Handwerker als ein nachzuahmendes Vorbild sich werden gewählt haben. Das Unerklärliche der Handwerksinstrumente bei den Studenten erklärt sich sehr leicht aus ihrer blos symbolischen Bedeutung bei den letztern, wobei zugleich ursprünglich gewiss auch alles Scherzhafte und Gemeine ferne lag. Es ist daher auch unbegründet, wenn Schade aus der vermeintlichen Nachahmung der Handwerksgebräuche durch die Universitäten auf die hohe Achtung schliesst, in welcher die Handwerke standen. Auch waren kaum zu der Zeit, in welcher die akademische Deposition aufkam, die Gebräuche des Gesellenmachens schon allgemein und besonders den Universitätsprofessoren bekannt, sondern wurden geheim gehalten und geheim geübt. Endlich findet sich auch in den Gebräuchen des Gesellenmachens wenigstens unseres Wissens nicht die geringste Spur von einem Sterben und Wiederauferstehen; ebenso nicht von dem Ohrlöffel und dem Reinigen der Ohren, dem




1) Schade, S. 357.
2) Schade, S. 365, Anm. 146.



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Poliren der Nägel, der bacchantischen Beigabe u. s. w. Das allerdings vorhandene theilweise Gemeinsame führt nicht zu einer gegenseitigen Entlehnung, vielmehr blos zu einer ältern gemeinsamen Quelle. Uns weisen die Gebräuche des akademischen Deponierens nicht undeutlich auf den Dionysoscultus, auf den Bacchusdienst hin, daher auch das Sterben und die Thierverkleidungen, wie die letztern bei den Herbstfestlichkeiten noch heute wenigstens am Rheine vorkommen. Die Eberzähne, die Bacchantenzähne, wie sie ausdrücklich genannt werden, und (Stier-) Hörner der Studentendepositionen möchten rein dionysisch sein; auch der theilweise heitere Charakter derselben wäre auf diese Weise am natürlichsten erklärt, ebenso der Gebrauch des Weines als des Freudenspenders (accipe vinum laetitiae, lautete die Formel).

"Mit dem Bacchantengeist solls itzund sein schabab, Deswegen schläget man die stolzen Hörner ab," 1)

sagt der Depositor und dachte sich also den jungen Studenten als einen wilden und tollen Bacchanten, der bezähmt und umgebildet werden musste, und welcher daher aufgefordert wird, den Bacchantentrotz, das alte störrige Wesen, das Bacchantenhabit und die Bacchantenpossen, die Kinder- und die Narrenkappe abzulegen. 2) Das funde merum Genio! des sogenannten ältesten englischen Lehrlingsfragestückes 3) gibt der Vermuthung Raum, es möchte ursprünglich das vinum laetitiae der akademischen Deposition ein heidnisches Weinopfer gewesen sein, welches in der spätern christlichen Zeit der Student selbst hinnehmen musste. Das Salz bringt Schade, S. 368, selbst mit den heidnischen Opfergebräuchen in Verbindung, was mit seinen übrigen Ansichten über den Ursprung der Depositon wenig zusammenstimmt. Der Eberzahn berechtigt vielleicht zu der Vermuthung, dass bei den alten Deutschen an die Stelle des griechischen Dionysos der Sonnengott Frô, Freyr, mit dem goldborstigen Eber (Gullin bursti),




1) Schade, S. 348.
2) Schade, S. 344 u. 345.
3) Krause, Kunsturkunden, I. 1, S. 163.



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welcher Frô's Sonnenwagen zog, getreten sei; der Eber war dem Sonnengotte Frô geweiht, wurde ihm geopfert, weshalb ein solcher Opfereber auch.Sonnen- oder Sühneber (Sônar-göltr) hiess. 1) Die mit den sogenannten Wurstsuppen noch heute in Deutschland verbundenen Mummereien sind den Mummereien bei den Depositionen und beim Gesellenmachen ähnlich. Schmeller, Grimm und Quitzmann fassen den sônar-göltr als Sühneber, aper piaculus auf. Die alten deutschen Krieger, welche in der Edda Freys vinir, d. i. Freys Freunde genannt werden, schmückte das eherne Eberbild und zwar gab es zwei Arten Eberhelme. Bei der einen Art hatte der Stirn und Schläfe bedeckende Theil des Helmes die Gestalt eines Eberhauptes; bei der andern war ein Eberbild von Erz oben auf dem Giebel, da wo jetzt der Kamm des Helmes ruht, angebracht. Altnordische Schriftdenkmale nennen die Helme der letztern Art hildisîn, hildigöltr, d. i. Kampfsschwein. 2) Freyr und Freyja berühren sich hier mit der griechischen Demeter, da das Schwein das vorzugsweise Opfer der letztern war. 3) Das Schwein ist ein Symbol der Fruchtbarkeit aus dem gleichen Grunde, wie der Hase, der Stier, die Kuh u. s. f. Bei den Römern wurden der Ceres gleichfalls Schweine geopfert, besonders zur Erntezeit die porca praecidanea. 4) Ausserdem wurde das Schwein bei den Griechen und Römern auch als Sühnopfer, als Reinigungsopfer dargebracht.

Mit der akademischen Deposition steht dagegen allerdings im Zusammenhange die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgekommene Deposition (oder auch das Postulat genannt) der den Gelehrten durch ihren dienenden Beruf so nahe stehenden Buchdrucker, Schriftsetzer und Schriftgiesser. 5) Es waren dabei thätig der bisherige Lehrmeister des Burschen (auch Pfaffe genannt), ein De-




1) Mülhause, die Urreligion des deutschen Volkes, Cassel 1860, S. 53 ff.
2) Ettmüller, Beowulf, S. 49.
3) Preller, Demeter und Persephone, Hamburg 1837, S. 134, Anm. 13, und S. 247, Anm. 11.
4) Preller, a. a. O., S. 230, Anm. 101.
5) Schade, a. a. O., S. 369 ff.



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positor, ein Knecht und zwei Jungen, deren einer auch Postulatvater sein konnte. Der Lehrjunge, Cornut geheissen, erscheint dabei mit einem Hute auf dem Kopfe, an dessen Seiten Ochsenhörner angebracht sind, und mit andern Narrenzeichen am Leibe. Aus den Gebräuchen der Deposition der Buchdrucker mag nur hervorgehoben werden, dass sich dabei der Novize, wie natürlich auch bei der akademischen Deposition, in einem Spiegel betrachten musste, ob er nicht der schönste Galan sei. 1) Obwohl hier das Symbol des auch maurerischen Spiegels schon verdunkelt und abgeschwächt erscheint, enthält es dennoch eine gewichtige Bestätigung für die vorhin geäusserte Ansicht, dass der akademischen Deposition und der ihr nachgebildeten Deposition der Buchdrucker dionysischer Cultus, die dionysischen Mysterien zu Grunde liegen, indem ihnen der Spiegel als Symbol angehört. Dieser Spiegel ist sogar in das sehr merkwürdige und zuerst von Schade, a. a. O., S. 383 ff., beschriebene Hobeln und Rasieren der Bauernbursche in den türingischen Dörfern, wie dasselbe bis in die vierziger Jahre dort in Uebung war und zum Theil noch ist, übergegangen. 2) Bei den türingischen Bauernburschen war der Spiegel ein Sieb, in welches der mit einem Ziegelsteine und mit Sand durch ein hölzernes Rasiermesser Rasierte schauen musste, um sich zu überzeugen, ob er auch gut balbirt und frisirt sei, da man ihnen zugleich mit einer hölzernen Scheere zum Scheine die Haare abgeschnitten hatte. Durch das Hobeln und Rasieren wurde man in den Bund der Bauernbursche aufgenommen, geburschet, wie die verwandte Aufnahme in die junge Mannschaft in Kurhessen genannt wird, 3) - es war also eine förmliche Deposition der Bauernbursche. Wenn alle Hobelbaren gehobelt waren, wurden die Artikel aus dem in einer Lade verwahrten Bundesbuche den neuen.Mitgliedern zur Belehrung, den ältern zur Erinnerung verlesen. Es wurde Allen eingeschärft, sich als ehrliche Bursche aufzuführen und keinerlei Unsittlichkeiten in Wort und That zu be-




1) Schade, S. 381 unten.
2) Schade, S. 387 oben.
3) Mülhause, Urreligion, S. 177.



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gehen, bei ihren Gesellschaften und Tanzbelustigungen nicht zu fluchen, Alles bei Strafe, welche bis zum Ausschlusse gesteigert worden konnte. Jährlich wurde einmal, am dritten Kirchweihtage, gehobelt, d. h. in den Bund aufgenommen. Der Bund hatte zwei Obermeister. Schade, S. 388 ff., theilt eine auf einen solchen Bauernbund bezügliche lesenswerthe Urkunde vom 26. Oktober 1779 mit. Das Ganze war eine Nachahmung des Gesellenmachens. 1) - Der oben berührte Spiegel erscheint übrigens auch noch in andern deutschen Frühlingsgebräuchen und hatte wohl stets dieselbe symbolische Beziehung auf den Sonnen- und Frühlingsgott Freyr. Der bekränzte Pfingstochse, welcher zu Rinteln am Pfingstsonnabend von den Metzgern feierlich durch die Strassen geführt wird, trägt auch oben am Schwanze nämlich einen kleinen Spiegel und ist vermutblich ein ursprünglicher Opferstier. 2)

Auch gehört hierher die Matrosentaufe, die Wasserweihe der Seefahrer, 3) welche bei den Deutschen, Holländern, Engländern, Franzosen und vielleicht auch noch bei andern Nationen eine althergebrachte Gewohnheit ist und vorgenommen wird, wenn sie die Linie, mitunter auch die Wendekreise oder gewisse Vorgebirge, das der guten Hoffnung, das Kap Horn, das Nordkap u. s. w., ebenso gewisse Meerengen, wie die von Gibraltar, den Sund oder die Dardanellen passieren. Die von der Schiffsmannschaft, die bei solch einer Ceremonie bereits gewesen, kleiden sich seltsam an, mit alten Lumpen, Perruquen von Hobelspähnen, Flachsbärten u. dergl. Sie haben Pfannen und Kessel auf den Köpfen, Feuerhaken, Bratspiesse, Röste und ähnliche Utensilien in Händen. Ein alter Matrose oder ein Steuermann stellt den Neptun vor in nicht minder abenteuerlicher Tracht, bewillkommt vom Mastkorbe oder vom Bugspriet herab das Schiff, erkundigt sich nach dem jungen Schiffsvolke und den Passagieren und befiehlt sie zum Eintritte in seine Staaten einzuweihen, was sodann durch Besprengen mit Seewasser unter allerlei Schwän-




1) Schade, S. 395.
2) Mülhause, Urreligion des deutschen Volkes, S. 213.
3) Schade, S. 400 ff.



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ken, selbst mit einem auf einer Seekarte abzulegenden Schwure geschieht und wobei die Getauften auch einen Namen erhalten. Wer sich nicht durch ein Trinkgeld an die Matrosen davon loskauft, wird auch in einen Wasserbehälter geworfen und mit Schiffsbesen tüchtig gescheuert. - Bei den deutschen Grönlandfahrern kommt auch das Barbieren als Weihe vor, wobei das Einseifen mit der Theerquaste geschieht und als Scheermesser das Winkelmass dient. Schade betrachtet dieses Rasieren den deutschen Handwerkern entlehnt und durch die Schiffshandwerker eingeführt. 1)

Unter allen vorberührten Weihen sind für den Maurer unstreitig die wichtigsten die akademischen Depositionen, welche noch einer gründlicheren und sorgfältigeren Erforschung, als bisher geschehen, unterworfen werden müssen, besonders bezüglich ihres Ursprunges und ihrer anfänglichen und reineren Gestaltung, da wir jetzt dieselben eigentlich blos in der Gestalt ihrer Ausartung und ihres Missbrauches kennen. Dürfte hier eine kühne Vermuthung gewagt werden, möchten wir behaupten, es liegen den akademischen Depositionen die orphischen Weihen zu Grunde, wie dieselben durch Pythagoras umgestaltet und gereinigt und zur Einweihung oder Aufnahme in seinen Bund, in den engern Kreis seiner Schüler, gebraucht worden waren. Diese Vermuthung liegt um so näher und erscheint um so wahrscheinlicher, als es ja Pythagoras gewesen ist, welcher die gelehrten Schulen, die eigentlichen höhern Unterrichtsanstalten, dem Abendlande gebracht und hier eingeführt hat. Der Grundcharakter des pythagoreischen Bundes und der pythagoreischen Schule war ein religiös-wissenschaftlicher, und der der Wissenschaft Geweihte sollte wesentlich auch und noch mehr ein Gottgeweihter sein und die orphischen Weihen ertheilten die religiös-wissenschaftliche Weihe; die Gelehrten waren gleichsam auch Priester, welche Anschauung sich besonders lebendig im römischen Rechte erhalten hat und weshalb bei ihnen die Jurisconsulti eigentlich Justitiae Sacerdotes waren. Ulpian sagt daher in Dig. I. 1. de




1) Schade, S. 407.



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Just. et Jur. 9. 1 "Cujus merito quis nos sacerdotes appellet; justitiam namque colimus, et boni et aequi notitiam profitemur, aequum ab iniquo separantes, licitum ab illicito discernentes, bonos non solum metu poenarum, verum etiam praemiorum exhortatione efficere cupientes, veram, nisi fallor, philosophiam, non simulatam affectantes." Diesen priesterlichen Anstrich und Charakter behielten die Schulen besonders auch bei den Kelten, bei den Galliern, indem es die Druiden, die Priester allein waren, welche die Wissenschaften in ihren Schulen pflegten und lehrten. Mit der griechisch-römischen Wissenschaft könnten auch die pythagoreischen Schuleinrichtungen, die orphischen Weihen, in dieser oder jener Gestalt zu den gallischen Druiden gekommen und von ihnen auf die so ausserordentlich einflussreiche und älteste Universität zu Paris (schon 1206) und durch diese wieder auf die deutschen und nordischen Universitäten fortgepflanzt sein. Wesentlich ist dabei, dass auch die christlich-germanischen Schulen anfänglich blose Kloster- und Priesterschulen waren, bis hinauf zu den Universitäten. Selbst die Handwerke, jedenfalls die höhern und die Künste, besonders die Baukunst, wurden von den heidnischen und christlichen Priestern gebracht und gelehrt. Daraus wird die Uebereinstimmung der akademischen Depositionen und der Gesellenweihen, sowie das Erscheinen der Pfaffen in den letztern begreiflich. Auch ist in allen diesen Fragen nicht ausser Acht zu lassen, dass die Kelten in Gallien, England und Schottland, die Druiden früher gebildet waren, 1) früher die griechisch-römischen Künste und Handwerke und später das Christenthum besassen, als die Germanen, daher die Lehrer dieser werden konnten und wirklich nach dem Zeugnisse der Geschichte vielfach auch geworden sind. Der Einfluss, welchen Krause den Culdeern, den druidischen Christenpriestern und Mönchen auf die Freimaurerei, :auf die Baukunst und ihre Lehren und Gebräuche eingeräumt hat, muss daher überhaupt auf die Wissenschaften, Künste und Handwerke ausgedehnt werden. Die Druiden




1) Vergl. auch Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, Leipzig und Heidelberg 1860, S. 3 ff.



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waren wenigstens theilweise die Vermittler zwischen den Germanen und dem griechisch-römischen Wissen.

An einem Orte, wo man es nicht vermuthen sollte, in Nro. 34 der Gartenlaube für 1860, sind neuerlichst sehr interessante Mittheilungen über die Gesellenbrüderschaften in Frankreich gemacht worden, die hier nicht übergangen werden dürfen. Die Gesellenbrüderschaften, Compagnonnages, bestehen in Frankreich als ein Gegengewicht gegen die ähnlichen Brüderschaften, die Zünfte der Meister seit langen Jahrhunderten mit eigener Verfassung, Gerichtsbarkeit, Finanz- und Fehdegewalt bis auf den heutigen Tag kräftig fort. Die sämmtlichen Compagnons, Genossen, deren Genossenschaften oder Brüderschaften gegenseitige Unterstützung und Förderung jeder Art, besonders auch gesellige Zusammenkünfte bezwecken und sich in geheime Gebräuche hüllen, verfallen zunächst in zwei Hauptklassen, die Compagnons du devoir, Genossen des Pflichtbundes, und die Compagnons de liberté; die erstern zerfallen wieder in Enfants de Maître Jacques und Enfants de Maître Soubise, während die Genossen der Freiheit ausschliesslich Enfants de Salomon sind. Alle drei Verbindungen leiten ihren Ursprung vom ersten Tempelbau zu Jerusalem her. Unter den Handwerkern, welche mit dem phönicischen Baumeister Hiram den Tempel Salomos erbauten, waren nach der Ueberlieferung auch zwei Meister aus Frankreich, Jacques, der Steinmetz, und Soubise, der Zimmermann. Um unter einem so grossen Haufen Ordnung und Eintracht zu erhalten, hatte der weise Meister Hiram bestimmte Classen mit eigenthümlichen Gebräuchen und Losungsworten eingeführt. Nach Vollendung des Tempels schifften Meister Jacques und Soubise nach ihrer Heimath zurück; der Erstere landete zu Marseille, der Letztere zu Bordeaux, wo sie nach dem Muster Hirams Verbindungen der Gesellen ihres Handwerks gründeten. Die Steinmetze datiren ihre Gründung vom J. 558 vor Chr., die Zimmerleute vom J. 550 nach Chr. und beide Verbindungen streiten mit einander über das höhere gegenseitige Alter der Stiftung; vereint stehen die beiden Verbindungen nur in ihrem Streite gegen die dritte, da ihnen die Mitglieder dieser als Nachkommen jener Gesellen gel-




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ten, welche den Meister Hiram erschlagen haben. Diesen Vorwurf werfen die Genossen der Freiheit auf ihre Gegner zurück und behaupten ihre Verbindung als von dem Könige Salomo selbst gestiftet; sie begreifen nur vier Gewerke in sich die Steinmetzen, Zimmerleute, Tischler und Schlosser. Die Genossen des Pflichtbundes umfassen dagegen im Ganzen 28 Handwerke, deren Verzeichniss mit dem Stiftungsjahre ihres Bruderbundes die Gartenlaube gibt; zu den Kindern des Meister Soubise gehören die Zimmerleute, Dachdecker und Gypser (plâtriers) und alle übrigen 25 Handwerke zu den Kindern des Meister Jacques. Zu den Steinmetzen und Zimmerleuten, als den ältesten Handwerken, sind im Laufe der Jahrhunderte, und selbst verschiedene erst im achtzehnten Jahrhundert, die andern Handwerke hinzugetreten. Ausser den anerkannten Handwerken haben auch noch die Schuster, Bäcker, die Holzschuhmacher, die Ferradinweber und sogar die Winzer in Burgund als Brüderschaften sich constituirt, ohne jedoch als gerechte Brüderschaften anerkannt zu werden. Die vier Bauhandwerke betrachten sich noch immer als die bei weitem vornehmsten Brüderschaften und von ihnen sind auch ohne Zweifel diese Verbindungen ausgegangen. Der Name Compagnon wird von ihnen von compas, Zirkel, abgeleitet und derselbe dient ihnen ebensowohl als Abzeichen, wie als Waffe. Die verschiedenen anerkannten und nicht anerkannten Brüderschaften in Paris und in den Provinzialstädten leben mit einander in fortwährenden Streitigkeiten, ähnlich wie die deutschen Studentenverbindungen; sogar Tödtungen sind bei diesen Streitigkeiten nicht selten. Wenn sich ein junger Mensch einer Brüderschaft anschliessen will, muss er eine Zeit lang in die Klasse der Aspiranten, der Renoncen der Studenten eintreten. Diese Aspiranten heissen bei den Steinmetzen Jeunes-Homes (Junggesellen), bei den Tischlern und Schlossern Affiliés (Zugewandte) und bei den Zimmerleuten Renards (Füchse). Diese Aspiranten werden von den Brüdern in jeder Weise geneckt, heruntergemacht und selbst misshandelt, also gehänselt oder hanseatisch behandelt. Um dieser Behandlung zu entgehen, haben daher die Füchse vor einiger Zeit eine eigene Brüderschaft ge-




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bildet, welche sich die Compagnons Renards de Liberté nennt, jedoch selbst wieder eine Aspirantenklasse eingeführt hat. Alle Verbindungen stimmen wesentlich in ihren Gebräuchen überein, und die Aufnahme als Compagnon geschieht mit grossen Feierlickeiten, welche wohl hauptsächlich auf eine weihende Taufe hinausgehen, weshalb dieselben auch im 17ten Jahrhundert von der theologischen Fakultät zu Paris unter Strafe der Excommunication verboten worden sind. Da die Verbindungen geheime sind, vermag über ihre Gebräuche nichts Näheres gesagt werden; sie verfolgen sittliche Zwecke und halten getreulichst unter sich zusammen 1).

Die priesterliche Weihe, worüber Weiske's Rechtslexikon Bd. XIV., S. 482 ff., zu vergleichen ist, bietet keinerlei irgend wesentliche Vergleichungsseiten und erfolgt im Ganzen durch die blose Händeauflegung unter Gebet. Der Ertheilung der Weihen geht in der römisch-katholischen Kirche als feierliche Destination die Tonsur voraus und sie heisst daher im Tridentinischen Concil janua ordinis, die Pforte der Weihe, und im römischen Katechismus praeparatio ad suscipiendos ordines, die Vorbereitung zur Uebernahme der Weihe. Die Tonsur wird in der Kirche des Orients und des Occidents verschieden ertheilt, indem jene das ganze Haupt scheeren und nur auf der Mitte des Kopfes einen Kreis von Haaren (circuli corona) stehen lässt (tonsura Pauli), diese sich dagegen darauf beschränkt, auf dem Scheitel eine kreisförmige Platte (corona) scheeren zu lassen (tonsura Petri), welche man mit der Dornenkrone Christi verglich. Die Kleriker sollten dadurch erinnert werden, dass sie als Nachfolger des Herrn Inhaber des königlichen Priesterthums seien und sich der irdischen Sorgen zu entschlagen hätten. Ursprünglich wurde die Tonsur mit der Ordination verbunden, später, seit man Kinder in den geistlichen Stand zu nehmen anfing und durch die Ertheilung der Tonsur der Kirche fester verband, vollzog man sie auch selbständig und verlieh damit die klerikalischen Privilegien, insbesondere das




1) Ueber das deutsche Gesellenleben vergl. noch Ch. L. Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg 1844.



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Recht, geistliche Kleidung zu tragen, und das kirchliche Forum. Um dieser Privilegien theilhaftig zu werden, liessen sich viele Personen, welche gar nicht die Absicht hatten, der Kirche zu dienen, durch die Tonsur unter den Klerus aufnehmen und gaben damit Veranlassung zur Beschränkung, welche das Tridentinische Concil auf's Neue einschärfte. Ganz ebenso suchten die akademische Deposition auch Solche, welche gar nicht studirten, wie z. B. die Dorfschulmeister in Türingen, nur um einer Corporation anzugehören. 1) Die Ertheilung der Tonsur wird nach dem Pontificale Romanum, Pag. 1, de clerico faciendo, also vollzogen: Der Minister schneidet die Spitze des Haares an der Stirn, am Hinterkopfe und an beiden Ohren ab, sowie eine Haarplatte auf der Mitte des Kopfes, während dessen der Geschorene spricht: "Dominus pars hereditatis meae et calicis mei: tu es, qui restitues hereditatem meam mihi." Darauf erhält dieser das ordentliche Amtskleid der niedern Kleriker , das superpelliceum (cotta, Kutte), mit den Worten: "Induat te dominus novum hominem, qui secundum deum creatus est, in justitia et sanctitate veritatis." Zuletzt wird er noch daran erinnert: "quod hodie de foro ecclesiae factus sis et privilegia clericalia sis sortitus etc." Durch die Tonsur wird der Tonsurirte dem Herrn, der Kirche angeeignet; die Tonsur ist das Kirchenzeichen, das Logenzeichen, das Zeichen der Kleriker, und deshalb erhält der neue Kleriker nunmehr auch das Kleid, den Gerichtsstand und die Rechte derselben; mit dem neuen Kleide soll er aber auch einen neuen, besseren Menschen (novum hominem) anlegen. Unter den Dogmatikern und Canonisten ist es übrigens streitig, ob die Tonsur nur die dispositio ad ordines sei und ein signum distintivum ministrorum ecclesiae a plebe communi oder ein eigener ordo, die potestas, per quam tonsuratus potest officium canere in ecclesia dei et redditur capax beneficii ecclesiastici et privilegiorum clericalium.

Der Vollziehung der Ordination geht eine Vorbereitung durch Fasten, Beichte und Busse, sowie durch exercitia spiritualia voraus. Die letztern bestehen in zehn-




1) Schade, a. a. O., S. 340.



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tägigen Uebungen des Geistes durch Gebet, Lesen u. s. f., sowie durch besondere Ermahnungen und Belehrungen in der Stille eines dazu bestimmten Exercitienhauses, und sind für die Aspiranten zu den höheren Weihen ausdrücklich angeordnet. Diese Exercitien hängen wohl mit den älteren Einrichtungen zusammen, nach denen unmittelbar vor der Ordination eine besondere Instruktion und Information des Promovenden erfolgen sollte.

Nach der deutschen Mythologie sollen drei Thrusen- oder Riesenmädchen aus Riesenheim alles Unglück in die Welt gebracht haben. 1) In der letzten Stunde des scheidenden alten Jahres schneiden sich noch heute in Hessen Diejenigen, welche von unglücklicher Liebe geplagt werden, in einen Finger, mischen drei Tropfen Blutes in einen Trank und lassen alsdann diese Philtra den Gegenstand ihrer Sehnsucht geniessen. Ist dieses geschehen, so hat alles Herzeleid ein Ende, denn die Geliebten müssen alsdann treu und innig bis zum Grabe wieder lieben. Die Sitte, den geschlossenen Bund mit dem Blute zu besiegeln, verliert sich in das früheste Alterthum. 2) Drei Tage lang, vom ersten bis zum dritten Festtage, brennt noch heute in dem protestantischen Sooden an der Werra auf der Anhöhe neben den spärlichen Trümmern der Westerburg das Osterfeuer. 3) An vielen Orten wird von gespenstischen, dreibeinigen Hasen erzählt. 4) Uebernatürliche Kräfte im Ringkampfe erlangt man, wenn man das frische Todtenhemd einer dreimal um den Kirchhof getragenen Leiche anzieht. 5) Im baierischen Fruchtlande, vom Isar- bis zum Donauthale, ist es noch heute Sitte, beim Schneiden der Frucht den sogenannten Nothhalm, Aswald oder Oswald, zu flechten, d. h. ein Büschel mit drei Knoten oder auch




1) Mülhause, die Urreligion des deutschen Volkes, Cassel 1860, Seite 21.
2) Mülhause, a. a. O., S. 83 unten.
3) Mülhause, S. 149.
4) Mülhause, S. 159; Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau, II. S. 99. Bei Rochholz, II. S. 65 kommt auch ein dreibeiniger Esel vor; die alemannischen Kinderlieder Nro. 20 erwähnen einen dreibeinigen Donnerstüfel.
5) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 29.



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nur drei Aehren stehen zu lassen und gewöhnlich mit Einer Hand in einen Knoten zu schlingen. Er wird hierauf mit Blumen bekränzt und nicht selten ein Stückchen Brod oder eine weizene Nudel hineingebunden. Alsdann versammelt sich das ganze Hausgesinde um den Oswald (Wuotan), dankt für die glückliche Ernte, bittet um künftigen Segen und die Schnitter jauchzen und tanzen um das dargebrachte Dankopfer. 1) Ebenso bleiben in der Oberpfalz, wie zwischen dem Inn und der Salzach, beim Raufen des Hanfes, bei dem sogenannten Harfangen oder Harraufen, drei Stängel stehen für die Holda, welche zusammengebunden werden. Der im Untersberge schlafende Kaiser Karl der Grosse mit seinen Helden wird wieder erwachen, wenn sein silberweisser Bart dreimal um den vor ihm stehenden Marmortisch gewachsen ist und die Raben um den Berg fliegen, 2) und ähnlich in manchen gleichen Sagen. Bei seinem Wiedererwachen wird Kaiser Karl die siegreiche Schlacht unter dem wiedergrünenden Birnbaum 3) auf der Walserhaide schlagen und die Macht und Herrlichkeit des Reiches erneuern. Nach einer böhmischen Sage liegt Kaiser Karl im Berg Sion in Verzucknuss bis sein Bart neunmal um den Tisch gewachsen ist. Eine Oberpfälzer Sage lässt den Kaiser Karl V. mit seinem Heere im Sumpfe bei Weiden schlafen, bis sein Bart siebenmal um den Tisch wächst. Auch soll der Kaiser erwachen, wenn 24 Raben dreimal um den Untersberg fliegen. Die verdorrten Bäume der Sage, welche wieder blühen sollen, erklärt Quitzmann, a. a. O., S. 50, für die nordische Welt-




1) Quitzmann, a. a. O., S. 33 vergl. mit S. 109 unten.
2) Quitzmann, a. a. O.. S. 46.
3) Vergleiche über die vielen Sagen von solchen Bäumen noch Quitzmann, S. 198 ff. Mit diesen Bäumen berühren sich auch die Menschenbäume, wie z. B. in Tirol die Menschen vom heiligen Baume zu Nauders, aus der hohlen Esche zu Brunek, aus einer Buche im Loach (lôh), von faulen Stöcken im Walde geholt werden. In Niederösterreich verbindet.sich die Baumabkunft mit dem Daherschwimmen auf dem Wasser, indem man erzählt, dass die Kinder auf einem Baume, der weit im Meere steht, wachsen, und zwar an demselben in einer Schachtel mittels einer Schnur hängen; sind sie reif, so reisst die Schnur und die Schachtel schwimmt durch das Wasser, bis man sie auffängt (Quitzmann, S. 195).



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esche Yggdrasil, welche nach dem Weltenbrande der Götterdämmerung auf's Neue blühen wird. - In Hessen pflegt der Braut von dem Bräutigam ein aus drei Münzsorten bestehendes Treugeld geschenkt zu werden. 1) Sobald am 30. April die Sonne untergegangen ist, werden in Hessen auf dem Lande an allen Thüren, besonders an die der Viehställe, drei Kreuze gezeichnet; wer solches unterlässt, läuft Gefahr, dass die Hexen in der Nacht des 1. Mai oder in der Walpurgisnacht durch die ungezeichneten Thüren einkehren und grossen Schaden anrichten. 2) In Hessen werden auch mit Blumen geschmückte Brunnen dreimal auf Pfingsten umtanzt. 3) Wenn der Grundstein zu einem öffentlichen und besonders heiligen Gebäude feierlich gelegt wird, werden auf denselben von dem ihn Legenden drei Schläge mit dem Hammer gethan und der Stein soll gegen Osten gerichtet und seine Fugen sollen vermuthlich auch mit drei Kellen Mauerspeise beworfen werden. 4) Ist die Zimmermannsarbeit an einem neuen Privatgebäude vollendet, der Bau aufgerichtet und gehoben, wird darauf mit gewissen Festlichkeiten ein Kranz, d. h. ein grüner mit Flittergold, Blumen, Bändern und Tüchern, den letztern als Geschenke für die Zimmerleute, gezierter Tannenbaum aufgepflanzt, wobei der Zimmermeister den sogenannten Bauspruch, die beglückwünschende und segnende Baurede hält und das ganze mit einem fröhlichen Mahle beschlossen wird. Auch dieser Baukranz pflegt von dem Festzuge vor seiner Aufpflanzung dreimal um das neue Gebäude und um den Zimmerplatz getragen zu werden, welchen dreimaligen (Opfer-) Umgang Mülhause als ursprünglich sich auf die Götterdreiheit des Wuotan, Donar und Frô beziehend deutet. Nach einem andern hessischen Gebrauche in der Umgegend von Haina im Kreise Frankenberg wird ein alter Bauersmann, der die zu dem Gebäude erforderlichen hölzernen Nägel auf der Schnitzbank verfertigt hat, nach vollendetem Bau maskirt, mit einem




1) Mülhause, a. a. O., S. 195.
2) Mülhause, S. 176.
3) Mülhause, S. 215.
4) Mülhause, S. 234 ff.



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grossen Hut und Besen, wie ein Reiter zu Pferd, auf die Schnitzbank gesetzt und von vier starken Männern unter klingendem Spiel auch dreimal um den neuen Bau umhergetragen. Der Reiter soll unverkennbar das Symbol des Wuotan oder Odhin auf seinem weissen Rosse Sleipnir sein. - Um den Teufel zu citiren, muss man in der längsten Nacht dreimal um eine Kirche gehen, und so oft man an die Thür kommt, durch das Schlüsselloch den Küster beim Namen rufen, worauf der Teufel erscheint. 1) In der baierischen Oberpfalz herrscht noch heute die abergläubische sitte, ein verschrieenes (verhextes) Kind dreimal in den geheizten Backofen hinein- und schnell wieder herauszuschieben, um es der reinigenden Kraft des Feuers auszusetzen und Genesung oder Tod zu befördern. 2) - Um den künftigen Gemahl zu erfahren, hat man in Baiern den Gebrauch, in der Christnacht mit einer oder drei Nudeln (Opfergabe) um einen Baum oder um das Haus innerhalb der Dachtraufe dreimal zu gehen, wo sich das "Gegentheil" zum stummen Grusse einfinden müsse. 3) Damit der gefesselte Loki oder der christliche Lucifer nicht von der Fessel sich losmachen könne, fordert der Volksglaube, dass ein jeder Schmied nach dem Feierabende noch einen oder drei kalte Schläge auf den Ambos thue. 4) Wenn bei den alten Deutschen das feierliche Werfen der Loose stattfand, um eine göttliche Entscheidung zu erlangen, so wurden drei von den hingeschütteten Loosstäben nach einem bestimmten, überlieferten Gesetz herausgenommen, oder das Loosen wurde an drei verschiedenen Tagen wiederholt. 5) In einem ältern Gedichte wird gesagt:

Swer nû dri friunt getriuwe hât,
der ist mê den wol gefriundet.

Frisch bemerkt: der nicht drei zählen kan homo simplicissimus. Georg Forster, frische Liedlein 3, Nro. 20, ruft:




1) Mülhause, S. 279.
2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 88 und S. 271.
3) Quitzmann, S. 90 unten.
4) Quitzmann, S. 100.
5) Grimm, deutsches Wörterbuch, II. S. 1371 a.



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Wollt Gott, ich sollt ihr wünschen
drei Rosen auf eim Zweig.

Frank, Sprichwörter 2, 91 b führt an: dri frouwen, dri gens und dri frösch machend ein jarmerkt. Dies erinnert an das Neulateinische:

Quandocunque conveniunt Maria, Camilla, Sybilla
sermonem faciunt et ab hoc et ab hac et ab illa.

Drei Ding im Haus sind ungelegen,
der Rauch, ein bös Weib und der Regen.
Das vierd beschwert es überauas,
viel Kinder und kein Brot im Haus.

Ein schwäbisches Sprichwort bei Schmid, schwäbisches Wörterbuch, S. 623, sagt: "Es sind drei gute Weiber gewesen: die eine ist aus der Welt geloffen, die andere ist im Bad ersoffen, die dritte sucht man noch."

Drei Ding sind gesund,
wenig esse dein Mund,
übe dich alle Stund,
lauf nicht wie ein Hund.

Zwei Tage ein Gast, den dritten ein Ueberlast.

Man thut ein Tänzlein,
Man wagt ein Schänzlein,
Und verdient das Kränzlein.

Was für Zwei ist, ist nicht für Drei.

Was sich zweiet, das dreiet sich auch gern - quod sese geminat id quoque se germinat. Walther von der Vogelweide sagt: der guoten räte der sint dri. Auch dreiköpfige Götterbilder oder Götterbilder mit drei Gesichtern finden sich in Deutschland. In der Zöllnerstube am Neuhauser Thor zu München zeigte man nach Westenrieder einen Kopf, welcher die Jahreszahlen 1105, 1109 und 1767 trug, mit drei Gesichtern, einem schwarzen, rothen und weissen, die sogenannten drei Götzen. Quitzmann, a. a. O., S. 156, deutet die drei Gesichter auf die drei Nornen, gleich den drei Köpfen am Nonnenhaus zu Conradshof in Oberhessen und erblickt in dem Münchener Brustbilde eines der ältesten Denkmale des Nornenkultus in Baiern. Auch findet sich bei den Baiwaren ein dreiköpfiger Mann. 1) Es gehört




1) Quitzmann, S. 186.



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gleichfalls hierher der Riesenbaumeister (smidhr), welcher sich den Asen erbot, in drei Halbjahren (den drei Wintermonaten) eine Burg zu erbauen, die den Göttern zum Schutz und Schirm wäre wider Bergriesen und Heimthursen, wenn Sie gleich über Midgard oder Mannheim (die Menschenwelt) eindrängen. Aber er bedingte sich zum Lohn die Freyja und Sonne und Mond; als er jedoch den Bau beinahe vollendet hatte, ward er durch Loki um den Lohn betrogen, da die Asen die Freyja, die Sonne und den Mond nicht verlieren wollten, - da die schöne und warme Jahreszeit wieder beginnen sollte. 1) Dem dereinstigen Weltuntergange soll ein entsetzlicher, drei Jahre andauernder Winter, in den Eddaliedern Fimbulwinter genannt, vorausgehen. - Der Oberpfälzer streuet drei Brosamen in den unbedeckten Brunnen, wenn er zwischen Michaeli und Georgi aus demselben trinken will, damit ihm der Trunk nicht schade. 2) - Im Axenberge am Vierwaldstätter See schlafen drei Telle. Man wirft beim Gewitter drei Wachholderbeeren ins Herdfeuer. 3) Bei dem Tode des Papstes wird dreimal mit goldenem Hammer an das Sterbezimmer geschlagen und dann der Fischerring des Verstorbenen zerschlagen, 4) wohl ursprünglich zum (germanischen) Symbole, dass der Allmächtige, der Hammerführende, der Hämmerling, den Verstorbenen abberufen habe. So gibt auch Conr. Meyer, Todtentanz, (Zürich 1650) Bl. V., dem Todesgotte das Siegesgeschrei: "Hier steh' ich, G'waltiger, der Erden Hammer!" Solche irdischen Gewaltigen und Hämmer waren Karl Martel (malleus, marteau = Hammer) und die Makkabäer (Makkabi == Hammer). Bei Jeremias 51, 20 sagt der Herr der Heerschaaren zu dem Volke Israel und Juda:

"Du bist mir ein Hammer und eine Kriegswaffe gewesen: ich habe durch dich die Völker zerschmettert, und durch dich habe ich Königreiche zerstört."

Ueber die Dreizahl im römischen Rechte vergleiche Bodemeyer, die Zahlen des römischen.Rechts, S. 15 ff.;




1) Simrok, deutsche Mythologie, S. 56 ff.
2) Quitzmann, a. a. O., S. 276.
3) Rochholz, Schweizersagen, II. S. 202.
4) Rochholz, a. a. O., II. S. 206.



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wir heben daraus nachträglich noch hervor: Wie bei den Etruskern eine jede Stadt wenigstens drei Tempel der obern Götter haben sollte, sollte sie auch drei, auf feierliche Weise geweihte Thore haben, bei denen die Götterbilder zur Verehrung aufgestellt wurden. Diese drei Thore haben offenbar einen symbolischen Bezug auf die drei Lichtgottheiten und sind ganz dasselbe, mithin uralte Symbol, welches die drei geöffneten oder lichten Thore der maurerischen Tapis sind. Nach O. Müllers Ansicht hat auch die palatinische Roma quadrata nur drei Thore gehabt. Dreimal werden bei den Lustrationen zum Beschluss des Census die drei Opferthiere, ein Stier, ein Widder und ein Schwein um das Heer geführt, um dasselbe zu reinigen, und die Thiere, auf welche alles Unreine übergegangen, dem Mars zu opfern. An den Hirtenfesten mussten zur Entsündigung die Hirten und das Vieh unter Pfeifenschall und Cymbelnklang dreimal durch ein Strohfeuer laufen; dreimal muss der Priester bei den Orakeln zu Tibur sein Haupt mit reinem Quellwasser besprengen. Das tres faciunt collegium leitet Bodemeyer, S. 18, aus dem römischen Poiatificalrechte ab, indem für den Senat und das Volk in religiösen Dingen Gesetz gewesen sei, worüber drei Pontifen sich geeiniget hatten. Nach Romulus gab es anfänglich nur drei Auguren nach den drei Stämmen. Drei Tage wurden anfänglich die grossen Spiele gefeiert. Der Flamen Dialis durfte nicht dreimal hinter einander ausser seinem Hause und Bette schlafen. Wenn das römische Volk von einem andern Volke beleidigt oder verletzt worden war, verlangten die Fetialen durch den pater patratus dreimal in feierlicher Weise (clarigatio) Sühne für das verletzte Recht, und erst wenn 33 Tage verflossen waren, ohne dass Genugthuung gegeben worden, wurde der Krieg erklärt, indem eine in Blut getauchte Lanze (hasta feirrata aut sanguinea praeusta) in Gegenwart von drei Zeugen (non minus tribus puberibus praesentibus) in das Land des Feindes geschleudert wurde. 1) Im deutschen Rechte findet sich das letztere Symbol gleich-




1) Bodemeyer, a. a. O., S. 23; Lasaulx, Studien, S. 216; Grimm, Rechtsalterthümer, S. 163.



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falls; jedoch wurde hier mit dem Heerpfeile oder angebrannten Stocke (den Gälen im schottischen Hochlande hiess ein solcher Speer cranntàir oder cranntàraidh) der Krieg nicht dem Feinde angekündigt, sondern zum Kriege gegen Feinde zusammenberufen. Nach Lasaulx stellte der Fetial seine drei Rechtsforderungen an den feindlichen Grenzen, innerhalb derselben und auf dem Markte der feindlichen Stadt, zum Zeugen nehmend den Ersten, der ihm begegnete. Auch ist hier anzuführen, dass in dem I. Buch der Aeneide, S. 263 ff., Jupiter der klagenden Venus das noch verhüllte Geschick des Aeneas und seiner Nachkommen tröstend dahin entrollt.

"(Er) Führt noch gewaltige Krieg' in Italien, bändigt die wilden
Völker und gründet Gesetz' und schützende Mauern den Männern,
Bis in Latium ihn drei Sommer als König gesehen,
Dreimal ins Wintergezelt die gebändigten Rutuler zogen.
Aber der Knab' Ascanius, jetzt Julus geheissen -
Ilus war er so lange das Reich von Ilium blühte -
Wird mit Herrschergewalt dreimal zehn Jahre der Monde
Kreislauf füllen und wird sein Reich von Laviniums Sitze
Weiter verlegend mit Macht aufbauen die Veste von Alba.
Drei Jahrhunderte lang wird stets hier bleiben die Herrschaft
Unter des Hektor Geschlecht, bis die fürstliche Priesterin endlich,
Ilia, schwanger von Mars, ein Zwillingspaar auf die Welt bringt.
Dann führt prangend im bräunlichen Pelz der ernährenden Wölfin
Romulus weiter den Stamm. Er wird die mavortischen Mauern
Gründen und Roma's Volk nach dem eigenen Namen benennen.
Diesem bestimm' ich kein Ziel im Raum, kein Ziel in den Zeiten:
Herrschaft hab' ich ohn' End' ihm verliehen." 1)

Nach Grotefend führen wir noch an, dass z. B. die Römer an den Suovetaurilien dreierlei Vieh schlachteten und um den Esstisch drei Sopha's mit je drei Plätzen stellten. Man hatte eine dreifache Schlachtordnung, wie dreierlei Bänke des Senates, dreierlei curulische Würden und zuletzt auch drei Stände des Reiches. Schon Romulus zählte drei Tribus und 30 Curien zu Folge der heiligen , und wenn auch der Triumviratus reipublicae constituendae ebenso zufällig war, wie die dreierlei Comitien, dreifache




1) Vergl. auch noch, was Grotefend bei Ersch und Gruber, Encykl., I. Bd. XXVII, S. 362, unter der Drei gesagt; ferner Grimm, deutsches Wörterbuch, II. S, 1370 unter Drei.



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Deminutio capitis und Landesverweisung, so zeigen doch die Triumviri capitales und monetales A A F F F, wie gern man Dreimänner zu wichtigen Kommissionen wählte. So viele Namen der Abstammung der Römer auch erfand, so ging er doch nicht über den Tritavus und Trinepos hinaus und zählte drei Generationen zu einem Menschenalter, wie der Grieche, der auch in der Geschichte, weil die Zeit selbst dreifach ist, einen und unterschied, und dreimal den Acker pflügend von den benannte. Auch das römische tripudium sollistimum (das bei religiösen Feierlichkeiten übliche hüpfende Tanzen), wie den triumpus, triumphus will Grotefend lieber vom Dreischritte des Siegestanzes , als mit Cicero (Div. II. 34) von terripavium ableiten. Den Verstorbenen rief der Römer ein dreimaliges Have oder Lebewohl zu, wie bei jeder Feier ein dreimaliges Lebehoch erschallt.

Die prophetischen Priesterinnen der Dione beim Orakel zu Dodona hiessen , Tauben, und ihrer waren gewiss mit symbolischer Beziehung auf den Zeus mit dem dreifachen Blitze drei mit dem stehenden Namen , die Vorausdenkende , , die der Tugend Befreundete, die Männerbeherrschende, d. h. die Keusche, die Jungfräuliche. Nach Lasaulx, S. 297, soll hierbei der Gedanke offenbar kein anderer sein, als dass durch jungfräuliche Keuschheit Tugend und durch die Tugend Einsicht in das Göttliche erlangt werde. Die drei Peleiaden wären also gleichsam die weibliche Seite der drei männlichen Pfeiler der Loge, - der Weisheit, Stärke und Schönheit. Herodot, II. 58, bezeugt ausdrücklich, dass die Art der Weissagung zu Dodona keine andere gewesen sei, wie in dem ägyptischen Theben. Görres und Lasaulx 1) erinnern ferner daran, dass die Gründung des Orakels durch eine Taube (die aus dem ägyptischen Theben geflogen gekommen sein sollte) 2) mit der mosaischen Taube mit dem Oelzweig nach der Sündfluth übereinstimme.




1) Das pelasgische Orakel des Zeus zu Dodona, in den Studien, S. 283-315.
2) Gerlach, Dodona, Basel 1859, S. 22 und 28 ff.



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ist nach Lasaulx, a. a. O., S. 290, Anm. 35, vielleicht nur die reduplicirte Form oder , donum, und der Grundbegriff wäre daher Haus oder Geschenk Gottes. Auch hält es Lasaulx für eine sprachliche Möglichkeit, dass das erste in , wie = , für stände, und dass demnach so viel als Doppelhaus, Doppelwohnung, Doppeltempel, d. i. Haus des Zeus und der Dione bedeuten würde. Buttmann, Mythologus, I. S. 25, deutet Dodone analog Babel als , Haus des Zeus. Creuzer, Symbolik, IV. 8. 153, und Schwenk, mythologische Andeutungen, S. 50, meinen, dass der Name der , nach Aristoteles 1) der ursprünglichen Hellenen, mit zusammenhänge und Licht-, Sonen-, Mondsdiener bezeichne. Die Hellenen wären somit gleich den Maurern Lichtsuchende, Lichtgläubige; die Griechen und Germanen könnten zugleich mit Hinsicht auf die von ihnen übernommene und erfüllte weltgeschichtliche Aufgabe der Verbreitung des Lichtes in der Sprache des Mittelalters die Vrône Kempfen, 2) d. i. die heiligen Kämpfen und Streiter Gottes (milites Mithrae) genannt werden. Die Griechen und Germanen sind im weltgeschichtlichen Sinne geistige Ritterorden, Templer in der edelsten und höchsten Bedeutung; die Griechen und Germanen sind Hugo von Payens und Gottfried von St. Omer, als die Stifter und Begründer des geistigsten und des grössten Tempels Gottes, des wahrhaften und einzigen, auch unzerstörbaren salomonischen Tempels. Die Griechen und Germanen sind auch die zwei verschlungenen weltgeschichtlichen Hände der Maurer, die zwei vereinigten Ritter auf dem einen Pferde in dem Wappen der Tempelherren. 3) Götte, das delphische Orakel, Leipzig 1839, S. 9, glaubt die Gründung des Taubenorakels zu Dodona im Zusammenhange stehend mit dem Taubendienste in Syrien, Phönicien und Aegypten, - mit dem Glauben jener Länder und Völker an die Vögel und besonders die Tauben, als




1) Meteor. 1., 14: . 2) Vergl. Beneke, mittelhochdeutsehes Wörterbuch, III. S. 426; Behr, über das altdeutsche Fron, Gera 1795. 3) Wilke, Geschichte der Tempelherren, I. S. 26.



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die Verkünder und die Boten des göttlichen Willens, wie dahin auch der Simurg, der auf dem Urgebirge Kaf thronende weissagende Wundervogel der Perser gehöre. Ganz unzweifelhaft aber ist auch nach Götte, S. 13, Dodona eine ägyptische Kultstätte, die Schwesteranstalt von Ammonium, beide Thebens Töchter.

In dem grossen buddhistischen Tempel zu Kanton, einem länglichen Vierecke, in dessen Mitte ein anderes Viereck eine Art Allerheiligstes bildet, lehnen sich an das letztere die drei köstlichen Buddha's, nur durch eine verschiedene Stellung der Hände unterschieden und kolossal von vergoldeter Pappe. In diesem Tempel werden die gottesdienstlichen Handlungen durch 27 oder dreimal neun Mönche und Bonzen versehen. 1) Ein Nebentempel dieses grössern Tempels ist drei verklärten Wohlthätern des Klosters gewidmet. Den zweiten Vorhof des Tempels beschützen zwei kolossale Thürhüter, welche an die beiden Säulen Jakin und Boaz erinnern, wie solche zwei heilige Thürhüter öfters in China vorkommen. In einem weitern Tempelvorhofe sind die vier himmlischen Könige, welchen Namen man Görtz nannte, aufgestellt, vermuthlich die vier Hauptjünger Buddha's. Vor den chinesischen Tempeln stehen oft zwei Löwen; zu Macao z. B. tragen diese Löwen künstlich ausgemeisselte Kugeln in ihrem Rachen, von denen gesagt wird, dass die Welt untergehe, wenn die Löwen dieselben ausspeien. 2) Beim Eingange des buddhistischen Haupttempels auf Ceylon stehen zwei Elephanten; 3) die muhammedanischen Moscheen haben dagegen in Indien zwei Minarets. 4) - Drei Trommler auf Stieren ritten einer brahmanischen Procession zu Madras voraus und das Heilige wurde unter drei grossen Sonnenschirmen getragen. 5) Die Perlmoschee zu Agra in Vorderindien, von weissem Marmor erbaut, zählt dreimal sieben oder 21 Abtheilungen, deren jede eine kleine Kuppel für




1) Görtz, Reise um die Welt in den Jahren 1844-47, Bd. III. Stuttgart und Tübingen 1854, S. 43 ff.
2) Görtz, a. a. O., S. 132 unten und S, 247.
3) Görtz, a. a. O., S. 325.
4) Görtz, S. 348.
5) Görtz, S. 349.



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sich selbst bildet; es ist ein Netzwerk von drei Bogen Tiefe und sieben Bogen Länge. 1) Nach demselben Plan, wie die Perlmoschee oder Motee Musjid, ist die grosse Moschee, die Jumma Musjid, zu Agra erbaut. In dem grössten der brahmanischen Felsentempel auf der Insel Elephanta bei Bombay, welche Insel von dem kolossalen, aber halb zertrümmerten Felsenelephanten ihren Namen hat, sieht man im Hintergrunde das kolosisale dreiköpfige Bild der Trimurti. 2) - Die Wappen der Japanesen über den Hausthoren zu Ieddo tragen sehr häufig drei Bilder oder drei Zeichen, z. B. drei Rosen, drei Zweige, drei Stäbchen, wovon man die Vermuthung angedeutet hat, dass die Zahl mit den Rangstufen in Verbindung stehen möchte, 3) ähnlich wie jetzt in einzelnen Staaten bei den Officieren durch die Zahl der Knöpfe am Halskragen oder an den Epauletten der Rang bezeichnet wird. Auf Ceylon sind die Skulpturen des Buddha in seinen drei orthodoxen Stellungen, nämlich in tiefem Selbstbeschauen sitzend oder stehend und predigend, oder zurückgelehnt im Genuss buddhistischer Seligkeit, im Nirwana, d. i. in der Auflösung in das Nichts, - sehr häufig.4) Seit den ältesten buddhistischen Zeiten, d. h. seit dem J. 543 v. Chr., wird die Insel Ceylon in drei Theile eingetheilt: Pihiti oder Radscha-Ratta, die Nordspitze; Rohano, die Ostküste und Südspitze; Maja-Ratta, Westküste und Kern der Insel. 5) Auch mag hier noch die Bemerkung angereiht werden, dass die Grabkammern der Phönicier in den Felsen bei Sidon und Tyrus meist viereckige Gewölbe sind mit drei bogenförmigen Nischen, eine dem Eingang gegenüber und, eine andere an jeder Seite. Die jüdischen Felsengräber in Phönicien sind dagegen niedrige, längliche Kammern mit vielen Abtheilung neben einander, nach Art der römischen Katakomben, so dass die Leichen nur durch einen kleinen steinernen Rand geschieden sind. Die phönicischen Gräber scheinen Sarkophage enthalten zu haben; die




1) Görtz, S. 490.
2) Görtz, S. 624.
3) Ausland für 1860, S. 170 a.
4) Ausland für 1860, S. 208.
5) Ausland. a. a. O., S. 210 a.



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jüdischen Gräber z. B. bei Khaifa am Fusse des Berges Karmel waren dazu nicht eingerichtet, sondern für Leichen, die in Tücher gewickelt waren. 1)




1) Van de Velde, Reise durch Syrien und Palästina, I. S. 235.