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Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer






Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums
von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XXXV.



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Die Jakobsleiter.

Toast, im Namen der neu aufgenommenen BBr. ausgebracht.

Hoch über der Maurerloge wölbet sich der blaue Sternenhimmel, das unendliche Himmelszelt, um uns zu erinnern, dass der Himmel unsere Heimath sei und wir von der Erde auf heim zum Himmelsliehte ziehen sollen. Ist aber auch unser letztes Ziel uns unveränderlich in den Sternen vorgezeichnet, der Weg dahin ist es nicht und deshalb ist dem Maurerlehrlinge die Frage erlaubt, wie die Maurer den Himmel zu erreichen hoffen. Der neuenglische Lehrlingskatechismus antwortet hierauf. "Mit Hülfe der Jakobsleiter."1) - Diese Leiter findet sich auf




1) Vergl. Krause, Kunsturkunden, I. 2, S. 193 ff.; Lenning, Encyklopädie, unter Jakobsleiter.



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dem Tapis der Logen des neu-englischen Systems als eine dreisprossige abgebildet und ist die Leiter, auf welcher der nach Mesopotamien vor dem Grimme seines Bruders Esau geflüchtete Jakob im Traume die Engel Gottes aufund niedersteigen sah. Der unterste Theil der von Jakob gesehenen Leiter stand auf der Erde und deren Spitze reichte an den Himmel. Die hinaufsteigenden Engel gingen, um die göttlichen Befehle zu empfangen, und die herabsteigenden kamen hernieder, um jene Gebote zur Ausführung zu bringen. Zu dieser Zeit und an diesem Orte errichtete nach der Bibel der Allmächtige einen feierlichen Vertrag mit Jakob, dass, wenn er beharren würde in seinen Geboten und seine Befehle vollführen, er ihn nicht nur in seines Vaters Haus in Frieden und in Ueberfluss zurückbringen, sondern auch ein grosses und mächtiges Volk aus ihm entspringen lassen wolle. Also Jakob sollte das eigene Glück und Wohlergehen begründen durch die getreue Erfüllung der Gebote Gottes; Jakob und sein Volk sollten bei Gott sein, dann wollte Gott auch mit ihnen sein. Im gleichen Sinne lässt das maurerische Lehrlingsfragstück die Leiter auf der heiligen Bibel, auf dem Worte, auf der Offenbarung Gottes ruhen und verkündet damit dem Lehrlinge, dass er nur mit Hülfe der Bibel zum Himmel emporzusteigen vermöge, - dass den Weg zum himmlischen Vater nur dessen Eingeborner Sohn führen könne. Die maurerische Jakobsleiter zählt drei Sprossen, welche drei Sprossen die drei Haupttugenden des Menschen, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe bezeichnen. Der neu aufgenommene Lehrling wagt diese Leiter zu ergreifen und zu ersteigen, indem er den ersten Glückswunsch seines maurerischen Lebens dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe darbringt, welche die Erde an den Himmel knüpfen.

I.

Oft schon hört' ich die Menschen fragen, was der Glaube sei und wo er beginne; durch die heutige Aufnahme zum Maurerlehrlinge ist diese Frage mir nunmehr klar gelöset. Als meine Hand auf der aufgeschlagenen Bibel ruhte und der Meister vom Stuhl mich fragte: "Glauben Sie, dass




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Ihre Hand auf der Bibel ruhe?" dachte ich, ich glaube es, denn der Glaube ist die Ueberzeugung von Dem, was man nicht sieht und doch ist. 1) Ich glaube an die nicht gesehene und doch vor mir gelegene Bibel, ich glaube an den unsichtbaren und doch in der ganzen Schöpfung geoffenbarten Gott der ewigen Liebe und Barmherzigkeit, der unwandelbaren Wahrheit und Weisheit, der unendlichen Nacht und Herrlichkeit. Wer diesen Glauben sich errungen, hat schon einen guten Theil des Weges zum Himmel zurückgelegt und die erste Sprosse der dreifachen Himmelsleiter erstiegen; denn Gott kann nur finden, wer an ihn glaubt, - zum Himmel wird nur verlangen, wer dort den lieben Vater gelassen, - das himmlische Licht wird nur erstreben, wer die irdische Finsterniss erkannt hat. Mein erstes Hoch gilt dem Glauben an den Einzigen und grossen Vater des Himmels und der Menschen!

II.

Man kann nicht an Gott glauben, ohne zu hoffen, dereinst wieder mit Gott vereinigt und des himmlischen Reiches als ein Unsterblicher theilhaftig zu werden. Ich hoffe, dass sich erfüllen werde, was Gott, was das gläubige Herz mir verheissen hat. Die gläubige Hoffnung überwindet alle Hindernisse und bald liegt mehr als der halbe Weg zum Himmel hinter ihr. Friede, Hoffnung, Freude beseelt den glaubenden Maurer, und weil ihm der grosse Wurf gelungen, vieler Freunde Freund zu sein, umschlingt er dankbar weinend die Millionen und küsst die ganze Welt.

Freude heisst die starke Feder,
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der grossen Welterruhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen
Die des Sehers Rohr nicht kennt.




1) Nach Mahommed spricht Gott: "Erde und Himmel fassen mich nicht, aber es fasst mich das Herz meines Gläubigen" (Tholuk, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 52).



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Mein zweites Hoch der Hoffnung, der Freude, der Himmelsnähe.

III.

Was nützt es den Menschen, an Gott zu glauben und auf den Himmel zu hoffen, wenn in dem Himmel nicht die Liebe wohnt, Gott nicht die Liebe ist? Unendlich bezeichnend bildet die Liebe die dritte Sprosse der Jakobsleiter; nicht der Glaube und nicht die Hoffnung öffnet dem Menschen den Himmel, sondern Gott allein, der liebend ihn geschaffen hat und liebend den verirrten Sohn im Vaterhause wieder empfängt. Die Liebe Gottes allein trägt und erhält die Welt und die Menschheit, ist die einzige Leiter zum Himmel.

Sonnenstäubchen paart mit Sonnenstäubchen.
Sich in trauter Harmonie,
Sphären in einander lenkt die Liebe,
Weltsysteme dauern nur durch sie.

Tilge sie vom Uhrwerk der Naturen,
Trümmernd auseinander springt das All,
In das Chaos donnern eure Welten,
Weint, Newtone, ihren Riesenfall!

Was den grossen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie,
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet.

Mein drittes und stärkstes Hoch der Liebe, der Sympathie, die die Welten und die Menschen leitet!